Privatplatzierung statt Börsengang

Viele Familienunternehmen befassen sich mit dem Gedanken der Eigenkapitalstärkung. Als eine mögliche Variante wird dabei gelegentlich über einen Börsengang nachgedacht. Doch der Weg zur Kapitalmarktreife ist lang, die Kosten der Vorbereitung sind hoch, die Hürden der Regulatorik häufig unterschätzt und der Zeitpunkt des richtigen Börsenfensters mehr als ungewiss. So sind gerade in den vergangenen 12 Monaten eine Reihe von Börsengängen trotz detaillierter und guter Vorbereitung abgesagt worden. Der Hersteller von Rollstühlen Sunrise Medical oder das Mobilitätsunternehmen Flix sind nur zwei von vielen Beispielen der jüngeren Vergangenheit.  Ein Beitrag von Dr. Nils Koffka und Jörg Hueber.

Privatplatzierung statt Börsengang

 

Privatplatzierung über Familienkapital

Eine andere Variante, Beteiligungskapital, Finanzierung und Einflussmöglichkeiten breit zu streuen, besteht in der Privatplatzierung unter Familieninvestoren. Auch hier lässt sich der gewünschte Kapitalbeitrag erzielen, bei ungleich höherer Abschlusswahrscheinlichkeit, geringeren Einmal- und Folgekosten und vor allem deutlich höherer Vertraulichkeit und geringeren formalen Anforderungen an die Publizität gegenüber einer Situation, in der eine breite Kapitalmarktöffentlichkeit angesprochen werden muss. Hinzu kommt, dass mit dem richtigen Investor unter Umständen noch zusätzliche Expertise erlangt werden kann, die dem operativen Geschäft helfen kann oder aber beispielsweise für die vorsichtige Loslösung des Unternehmens von der Familie zur vollständigen Selbständigkeit (Stichwort: Kapitalmarktfähigkeit) genutzt werden kann.

Eigenkapitaleinwerbung, Wahrung und Teilung von Kontrolle

Das wesentliche Ziel eines Börsengangs ist es, Eigenkapital zu generieren über eine möglichst hohe Anzahl heterogener Investoren, die ihrerseits eher das Interesse an einer Kapitalanlage als an einer strategischen Beteiligung haben. Dem ‚Alt-`Eigentümer, sofern in seinem Interesse und er wesentlicher Gesellschafter bleibt, vermag es auf diese Weise leichter fallen, Kontrolle auf die Ausübung strategischer Führung zu behalten. Über einen Börsengang lässt sich, vereinfacht gesprochen, eher die ‚anonyme‘ Investorenbreite ansprechen.

Eine Privatplatzierung bietet ungleich breitere Möglichkeiten des Interessentendialoges an. Das Investorenkonsortium lässt sich zielgenau orchestrieren um Einzelinvestoren, die einen Kapitalbeitrag als reine Finanzbeteiligung sehen, als auch einen strategischen Mehrwert einbringen können (Branchenkenntnis, Kundenzugang, Zugang zu internationalen Märkten etc.). Für die Aufnahme strategisch motivierter (Familien-)Investoren in den Gesellschafterkreis bietet sich eher eine unmittelbare Direktbeteiligung außerhalb des Kapitalmarktes an, allein schon, um strategische Ziele ‚ungestört‘ von weiteren Investoren und der Kapitalmarktöffentlichkeit anzugehen und geduldig umzusetzen. Vor allem aber wird in der Regel ein Familien-Investor sehr viel eher einen ähnlichen „Mindset“ folgen, wie die Familie. Auch lassen sich Stimmrechte, Entscheidungsrechte, Mitarbeit, die Besetzung von Aufsichtsgremien maßgeschneidert im Konsortium aufteilen wie auch die Höhe der jeweiligen Kapitalbeiträge. Die Organisation untereinander ist deutlich flexibler als unter den restriktiven Regelungen öffentlicher Kapitalmärkte.

 

Die Organisation eines Konsortiums aus Familieninvestoren

Die Variante einer Privatplatzierung entweder im Vorfeld, parallel oder als Alternative zu einem Börsengang erfordert die rechtstechnische Umsetzung mit viel Fingerspitzengefühl.

So ist zunächst zu ermitteln, welche grundlegende Struktur eine solche Privatplatzierung haben soll: Denkbar ist etwa, dass ein Familieninvestor einen weiteren Familieninvestor (oder Private Equity-Investor) als Minderheitsgesellschafter an seinem Familienunternehmen beteiligen möchte, um von dessen Branchenexpertise zu profitieren und die Eigenkapitalbasis des Familienunternehmens zu stärken. Auch sind in der Praxis immer häufiger echte Co-Investments von mehreren Familieninvestoren oder Familieninvestoren zusammen mit Private Equity-Investoren anzutreffen.

Es ist im Vorfeld einer Beteiligung also zunächst sehr genau auszuloten, welche Motive die Beteiligten im konkreten Einzelfall verfolgen, um sodann die rechtliche Umsetzung in einem Shareholders- und Investment-Agreement passgenau zuzuschneiden und umzusetzen. Zu denken ist unter anderem an

  • die generelle Stärkung der (Eigen-)Kapitalisierung des Unternehmens;
  • die Finanzierung strategischen Wachstums (z.B. die Übernahme eines Wettbewerbers, die durch bestehende Gesellschafter nicht getragen werden kann oder soll);
  • eine teilweise Realisierung des Unternehmenswerts für die Familiengesellschafter;
  • die weitere organisatorische Professionalisierung und Verselbständigung des Unternehmens (Kapitalmarktfähigkeit), um besseren Zugang zu den öffentlichen Finanzierungsmärkten zu erlangen;
  • die schrittweise Überleitung des Unternehmens in „neue Hände“;

Jedes dieser Ziele verlangt eine andere Strukturierung der Beteiligung. Steuerrechtliche Aspekte müssen stets berücksichtigt werden, dürfen aber nicht die Gestaltung zur Sicherstellung der Ziele und Interessen der Gesellschafter überlagern.

Soll der beherrschende Einfluss der Familie auf lange Zeit gesichert bleiben, sollte über einen Rechtsformwechsel nachgedacht werden, der trotz einer Kapitalmehrheit eines Drittinvestors weiterhin die Kontrolle der Familienholding über das Unternehmen sicherstellt. Wird hingegen über eine schrittweise Übertragung des Unternehmens an einen Dritten nachgedacht, sollte die Struktur einen „Notfallknopf“ haben, falls sich die neue Allianz als doch nicht verträglich herausstellt und rückabgewickelt werden muss. Auch die Schaffung unterschiedlicher Anteilsklassen – etwa stimmrechtsloser Vorzugsaktien – sollte in den Blick genommen werden, um unterschiedliche Interessen abbilden zu können. Die Möglichkeiten einer passgenauen Strukturierung sind vielfältig und erfordern Erfahrung und unabhängigen Rat.

Die Corporate Governance regelt, welche Mitwirkungs- und Einflussrechte die Gesellschafter im Unternehmen haben sollen. Hier ist zu beachten, dass die Regelungen langfristig funktionieren und den gewünschten Interessenausgleich unabhängig von der „ersten Besetzung“ sicherstellen. Oftmals werden bei dieser Gelegenheit „unabhängige Experten“ mit Branchenkenntnis oder ausgewiesener Finanzexpertise gleich mit in den Beirat berufen.

Gemeinsame kommerzielle Leitlinien werden in einem zwischen den Investoren auszuhandelnden konkreten Business Plan oder einer generischen Road Map festgelegt. Dies ist ein wichtiges, zu selten genutztes Instrument, um gleich zu Beginn einer Partnerschaft die gemeinsamen Ziele festzulegen. Dabei kommt es weniger darauf an, wie verpflichtend die Roadmap ausformuliert wird. Wichtiger ist, dass die Vorgespräche zwischen den Parteien (die gelegentlich schwierige Themen auslassen) in einer gemeinsamen Agenda festgehalten werden, um sicherzustellen, dass es keinen versteckten Dissens an der einen oder anderen Stelle gegeben hat.  

Ist die „Ehe“ auf Zeit geschlossen, muss bereits bei Beginn des Investments eine detaillierte und praxisgerecht umsetzbare Exit-Regelung vorgesehen werden. Es ist zu regeln, durch wen und in welcher Form ein Exit initiiert werden kann und ob dieser als ein Börsengang, Trade Sale oder auf eine andere Art und Weise ausgestaltet werden soll. Besonders wichtig ist, die richtigen Bewertungskriterien zu entwickeln, die auch nach ein paar Jahren zu einer für beide Seiten fairen Bewertung führen.

Bündelung von Familienkapital über das PETER MAY Netzwerk

Das PETER MAY Family Equity Netzwerk umfasst mehr als 200 Familieninvestoren in Europa, die über ihre Family Offices, Stiftungen und Familienholdings unternehmerische Direktbeteiligungen eingehen. Aufgrund der langjährigen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit den Inhabern großer Familienunternehmen verfügt PETER MAY über einen persönlichen Zugang zu Eigentümerfamilien wie auch Geschäftsführern von Family Offices, Stiftungen und familieneigenen Beteiligungsgesellschaften und kann damit ein Höchstmaß an Vertraulichkeit und Diskretion sicherstellen. Aus diesem Netzwerk heraus haben sich in den vergangenen Jahren Investorenkonsortien mit Kapitalbeiträgen von mehreren hundert Mio Euro bis in den Milliardenbereich gebildet.

Für die zielgenaue Zusammenstellung eines Investorenkonsortium bedarf es daher einer genauen Evaluierung der Interessen der ‚Alt-`gesellschafter, des (Familien-)unternehmens und der Interessen neuer Gesellschafter, die es miteinander im Vorfeld passgenau auszutarieren gilt, um auf dieser Basis einen idealen erweiterten Gesellschafterkreis zu formulieren.

A&O Shearman

A&O Shearman ist eine neue internationale Kanzlei (am 1. Mai 2024 fusionierten Allen & Overy und Shearman & Sterling zu A&O Shearman) und auf allen Kontinenten vertreten. 7.000 Mitarbeiter, rund. 4.000 Anwälte, darunter etwa 800 Partner sind für die Sozietät an 50 Standorten in 29 Ländern weltweit tätig.

Mit kumulierten 3,4 Mrd. € Jahresumsatz zählt A&O Shearman zu den drei größten Wirtschaftskanzleien der Welt. Die Sozietät berät knapp 30 Prozent der an den größten Kapitalmärkten der Welt notierten Unternehmen (New York, London, Tokio, Hongkong, Paris, Amsterdam, Frankfurt).

In Deutschland sind an vier Standorten (Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, München) 240 Rechtsanwälte tätig, darunter 59 Partner. Schwerpunkte der Beratung sind die Bereiche Bank-, Finanz- und Kapitalmarktrecht, Gesellschaftsrecht und M&A, Prozesse und Schiedsverfahren, Steuerrecht und weitere Bereiche des Wirtschaftsrechts.

 

Ihre Ansprechpartner

 

Jörg Hueber (J.HUEBER@PETERMAY-FOS.COM) ist geschäftsführender Gesellschafter in der PETER MAY Gruppe und befasst sich mit Fragestellungen und Umsetzung der Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen an Family Offices, familiennahen Beteiligungsgesellschaften und Stiftungen. Vor seinem Eintritt in die PETER MAY Gruppe ist Jörg Hueber in internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (EY, KPMG), Investmentbanken (UniCredit, Berenberg) und als Head of M&A eines börsennotierten Unternehmens (HHLA) tätig gewesen. Jörg Hueber nimmt zudem Beiratspositionen in Familienunternehmen wahr und begleitet Mitglieder von Inhaberfamilien als Berater und Sparringspartner.

Dr. Nils Koffka (nils.koffka@aoshearman.com) ist Head of Private Equity Germany und berät seit 30 Jahren internationale Finanzinvestoren und Family Offices zu komplexen, erfolgskritischen und internationalen Transaktionen, Dazu zählen insbesondere grenzüberschreitende Akquisitionen, die Begleitung der Portfolio-Unternehmen in Phasen der Wertsteigerung, Veräußerungen durch Secondary Buy-Outs oder Börsengänge und Leverage Buy-Outs. Zu seinen Mandanten zählen internationale Finanzinvestoren wie BC Partners oder die Partners Group ebenso wie deutsche Family Offices, beispielsweise Haniel oder die Kühne Holding.