Ertrags- und Liquiditätswachstum als Leitbild der Geschäftsführervergütung

Jörg Hueber  – Experte für alle Fragestellungen rund um die finanzielle Organisation von Familien, Unternehmen und Family Offices – ist Geschäftsführender Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service. Im Interview berichtet er über ihre Beobachtungen bei der Bestimmung von Geschäftsführervergütungsprogrammen in Familienunternehmen.

Jörg Hueber

 

Lieber Herr Hueber, in einem unserer vorigen Gespräche haben wir das Themenfeld Gesellschaftervergütung diskutiert. Teil der Gesellschaftervergütung nimmt oftmals auch die Vergütung der geschäftsführenden Gesellschafter ein. Welche Beobachtungen machen Sie hier?

Lassen Sie mich die Frage zunächst strukturell sortieren. Dabei brauchen wir nicht zwischen der Ausübung der Geschäftsführung aus der Familie heraus oder durch einen Familienfremden zu unterscheiden.

Das wesentliche Element einer Geschäftsführervergütung, neben der – lassen Sie es mich so nennen – Kompensation der Arbeitszeit, besteht in der unternehmerischen Anreizwirkung einer Vergütung. Hier ist zunächst klar herauszustellen, und oftmals aber auch erst herauszuarbeiten, dass zwischen dem Prinzipal, d.h. der Eigentümerfamilie, und dem Ausübenden der Geschäftsführerfunktion weitgehende Deckungsgleichheit in der Interessenlage besteht. Das übergeordnete Interesse in einem Familienunternehmen besteht doch immer im Vermögenserhalt und gerne auch der Weiterentwicklung hin zu einer stetigen Vermögensmehrung durch Ertrags- und Liquiditätswachstum. Und damit ist das Leitbild der Ausgestaltung einer angemessenen Geschäftsführervergütung bereits bestimmt.

 

Wenn man diesem Leitbild folgt, dürfte die Ausformulierung variabler Motivationsfaktoren doch keinen großen Raum für Diskussionsbedarf geben?

Diskussionsbedarf gibt es mindestens in der Hebelwirkung der variablen Größenordnung, aber auf die mathematischen Formeln möchte ich hier nicht eingehen, die ergeben sich aus dem jeweiligen Einzelfall.

Aus der praktischen Beobachtung sehe ich Relevanz in den Bereichen der technischen Bestimmung der Zielgrößen, d.h. an welche finanziellen oder operationalen Kennziffern richtet sich ein Erfolgsziel aus, sowie in der zeitlichen Dimension eines Anreizprogramms vor dem Hintergrund der üblicherweise eher mittelfristigen Vertragslaufzeit eines Geschäftsführervertrages gegenüber dem generationsübergreifenden Bestehen eines Familienunternehmens. Lassen Sie mich dies an einem eher einfachen Beispiel erläutern:

Richtet sich die variable Vergütung etwa am operativen Ergebnis nach Abschreibungen aus, d.h. dem EBIT, so scheut die Geschäftsführung etwa die Umsetzung einer größeren Investitionsmaßnahme; insbesondere dann, wenn diese mit höheren wirtschaftlichen Unsicherheiten behaftet ist. Die Übernahme eines anderen Unternehmens bei einem Goodwill von 100 Mio Euro belastet bei linearer Amortisation (HGB) das EBIT über 10 Jahre mit 10 Mio Euro und belastet damit die Bemessungsgrundlage der variablen Vergütung. Der erhoffte Ergebniszuwachs aus der Übernahme, etwa durch die Erzielung von Umsatz- oder Kostensynergien, stellt sich gegebenenfalls aber erst in 5 Jahren ein und zunächst belasten etwaige Integrationskosten das Ergebnis. Der laufende Turnus des Geschäftsführervertrages endet allerdings in 3 Jahren. Lohnt sich dann die Investitionsmaßnahme für den Geschäftsführer?

Bei einem wachsenden Unternehmen in Produktion oder Handel hat das Unternehmen üblicherweise Vorratsvermögen vorzufinanzieren. Das EBIT mag gesund wachsen, der Cash Flow aus operativer Geschäftstätigkeit aber nicht oder nicht in gleicher Geschwindigkeit. Richtet sich die Zielgröße an ein EBITDA aus, so kann das Management ‚sanktionsfrei‘ investieren, die Abschreibungen betreffen das EBITDA nicht und es lassen sich kurz nach Investition etwaig Erträge aus der Veräußerung der angeschafften Sachwerte erzielen, die wiederum das EBITDA erhöhen. Auch die Umstellung der Abbildung von Miet- und Leasingverhältnissen nach IFRS 16 bringt die Bestimmung des EBITDA gerade auch in Vergütungsprogrammen gehörig durcheinander, wenn der Mietaufwand das EBITDA nicht mehr berührt und sich dieses leistungslos erhöht.

 

Das heißt, die Formulierung eines Vergütungsprogramms richtet sich idealerweise immer am individuellen Geschäftsmodell sowie dem Ziel eines möglichen Gleichklangs der Betrachtungszeitfenster aus?

Ja genau, es ist rechnerisch fordernd, Effekte aus geschäftspolitischen Maßnahmen und Zeitfenster eines Vergütungsprogramms zu harmonisieren. Aber das Gute an Zahlen ist, dass man eben mit ihnen rechnen kann. Dafür sind wir da. Und das gelingt uns gerade dann sehr gut, wenn wir Gelegenheit haben, uns die betrieblichen Abläufe eines Familienunternehmens und ihres Ausflusses in die Zahlenwelt näher anzusehen.

 

Was folgt dann der rein technischen Analyse für die Definition des angemessenen Kennzahlengerüstes?

Die Moderation der Verhandlungsparteien, d.h. die klare Bewusstseinsbildung bei Eigentümern und Geschäftsführern, dass die Ausgestaltung eines Programms nur der Interessengleichheit folgen kann. Wenn wir dies anhand unserer quantitativen Arbeit gut herausarbeiten, erreichen wir damit auch die Familie und die Geschäftsführung gleichermaßen. Und das ist ja unsere Rolle, den Ausgleich zwischen den Parteien zu finden. Sodann gilt es, die quantitative Welt in ein Vertragswerk zu überführen.

Die reine Bestimmung quantitativer Bezugsgrößen ist ein Element der Geschäftsführervergütung, gelegentlich auch das hinreichende Kriterium. Die engste Bindung zwischen operativem Handeln und einem Unternehmen besteht aber natürlich in der Eigentümerschaft. Und so sind auch familienfremde Geschäftsführer häufig gewillt, Eigentumsanteile an dem Unternehmen zu erlangen, für welches sie operativ verantwortlich handeln. Dies stärkt die Interessengleichheit deutlich.

Hier gibt es in der Praxis vielfältige Ausgestaltungsformen mit ‚echten‘ und ‚virtuellen‘ Anteilen, gekoppelt an Regelungen, die den Ausübungsmoment dieser Varianten, d.h. den gewünschten Liquiditätszufluss bestimmen. Dies erklären wir gerne in der Praxis an Einzelfällen.

 

Wir organisiert man eine Beteiligung familienfremder Geschäftsführer? Eine Familie sieht es doch eher ungern, den Gesellschafterkreis zu öffnen und häufig ist dies auch in Gesellschaftervereinbarungen so nicht vorgesehen?

Die Beteiligung der Geschäftsführung dient dazu, dem Geschäftsführer ein eigenes wirtschaftliches Interesse an einer Wertsteigerung des Familienunternehmens zu geben. Neben der Aussicht auf finanziellen Erfolg soll die Geschäftsführung aber ein Stück weit eigenes finanzielles Risiko tragen. Eine Beteiligung ist zudem ein starkes Bindungsinstrument, schließlich soll die Geschäftsführung üblicherweise den langfristigen Erfolg des Familienunternehmens begleiten.

Für die Beteiligungsform gibt es einerseits tatsächlich die Möglichkeit, dass die Familiengesellschafter aus eigenem Anteilsbesitz oder das Familienunternehmen über Kapitalerhöhung (konditioniert) Anteile bereitstellt, und sei es rein technischer Natur am Ende des Beteiligungsprogramms. Oder es wird von vornherein ein virtuelles Konstrukt geschafften, welches die wirtschaftliche Entwicklung des Familienunternehmens spiegelt.

Partizipieren mehrere Geschäftsführer oder andere berechtigte Personen an einem Vergütungsprogramm, können sich diese über ein Investitionsvehikel beteiligen, etwa auch, um eine Zersplitterung des unmittelbaren Gesellschafterkreises des Familienunternehmens zu vermeiden.

 

Was ist bei der Auskonditionierung von Einstiegs- und Ausstiegspreis zu berücksichtigen?

Für die Bestimmung des Einstiegspreises gibt es vielfältige Ansätze, bei denen steuerliche Implikationen zu berücksichtigen sind, um Buchwert-Marktwert-Differenzen nicht in zeitnahe Besteuerung zu überführen. D.h. dem Geschäftsführer sollte bei Beginn eines Beteiligungsprogramms kein Vermögensvorteil zugerechnet werden und als geldwerter Vorteil der Besteuerung nicht-selbständiger Arbeit unterliegen statt aus Kapitalvermögen bei Ausübung. Hinzu kommen diverse Optimierungsformen, etwa in der Finanzierung der Beteiligung etc. Auch das müssen wir uns im Einzelfall ansehen.

Herausforderungen bestehen auch in der Bestimmung des Ausstiegspreises, welcher den Liquiditätszufluss bestimmt. Allein die Bestimmung eines angemessenen Bewertungsmultiplikators heute mit vielen Jahren im Vorlauf zu bestimmen bedarf angesichts der Entwicklung des spezifischen Marktumfeldes oder gar einer veränderten strategischen Positionierung des Familienunternehmens einiger Überlegungen. Und vielleicht möchte der am Vergütungsprogramm teilnehmende Geschäftsführer auch Optionsregelungen für einen Verkauf vor Ablauf des Programms vereinbaren.

 

Lieber Herr Hueber, welche Ausstrahleffekte auf den Personalbereich tragen Ihre Arbeiten zur Ausformulierung von Vergütungsmodellen denn noch mit sich?

Wir haben vorhin die Durchleuchtung des Geschäftsmodells berührt, um die richtigen Stellschrauben finanzieller Natur in ein Kennzahlensystem zu übertragen. Wir erkennen dabei mithin operationale Herausforderungen, denen sich ein Familienunternehmen stellt. Ist das EBITDA oder EBIT geschwächt durch wiederkehrende Produktionsausfälle oder Schwierigkeiten beispielsweise in einer Region, dann benötigt das Familienunternehmen bei der Neubesetzung des Beirats eher einen Ingenieur als einen Vertriebsexperten. Sicherlich maßen wir uns nicht an, die Abläufe eines Unternehmens besser zu verstehen als Geschäftsführer und Eigentümer. Aber gelegentlich fallen uns Schwachstellen und Lösungsmöglichkeiten auf und die sprechen wir auch an.

 

Das heißt, Sie unterstützen auch in der Identifikation geeigneter Führungskräfte?

Wir sind keine Personalberater, dafür gibt es professionelle Experten, mit denen wir gerne und vertrauensvoll zusammenarbeiten, wenn wir gefragt werden. Aber ja, gelegentlich haben wir auch eine Idee.

 

Finden Sie, dass ein kaufmännischer Geschäftsführer in einem Familienunternehmen auch die Rolle eines Family Officer übernommen sollte?

Auch hier entscheidet der Einzelfall. Das Vertrauensverhältnis zwischen Geschäftsführer und Familie ist idealerweise und üblicherweise hinreichend groß; die fachliche Kompetenz in der Beurteilung von Investitionen und Rendite ganz sicher auch. Vielleicht ist das auch eine ‚kostengünstige‘ Lösung und hilft auch in der Attraktivität der Ausgestaltung einer Geschäftsführerposition.

Interessenkonflikte entstehen aber mindestens in der Frage des Zugriffs auf Kapital bzw. Liquidität. Der Wunsch einer Gewinnentnahme aus dem Unternehmen mag möglicherweise konfrontiert werden mit der Argumentation, dass das private Vermögen doch hinreichend Rendite erzielt hat. Und vermutlich möchte auch nicht jedes Familienglied, dass der angestellte Geschäftsführer Einblick in die privaten Vermögensverhältnisse bekommt. Gelegentlich kollidiert diese Doppelbelastung auch mit den zeitlichen Anforderungen, die jede Funktion, d.h. Geschäftsführer und Family Officer, mit sich bringt.

Wenn das Vermögen noch keine kritische Größe erreicht hat, ein autonomes Single Family Office zu etablieren, gibt es geeignete Formen des externen Managements über ein Multi Family Office oder eines Investorenpools. Das sehen wir eher häufiger. Aber wie vorstehend ausgeführt, der Einzelfall entscheidet über die sinnvolle Ausgestaltung von Rollen.

 

Lieber Herr Hueber, wir danken Ihnen für das Gespräch.