Der Grad der Diversifizierung des Vermögens wächst mit der Familie

Madleen Buchar  – Expertin für alle Fragestellungen rund um die finanzielle Organisation von Familien, Unternehmen und Family Offices – gehört zum Leitungsteam der PETER MAY Family Office Service. Im Interview berichtet sie über ihre Beobachtungen über die Kapitalverzinsung und Vermögensverteilung sowie Investitionsüberlegungen in Unternehmerfamilien.

Madleen Buchar

 

Liebe Frau Buchar, Sie befassen sich überwiegend mit Fragestellungen zur Diversifikation des Unternehmensvermögens in Unternehmerfamilien. Welche Entwicklungen beobachten Sie dabei?

Wir beschäftigen uns sowohl mit dem ‚gebundenen‘ Vermögen in Familienunternehmen als auch mit den Vermögensbestandteilen, die – soweit diese wiederum Unternehmensbeteiligungen sind – außerhalb des Familienunternehmens investiert sind. Zu Letzterem zählen etwa durch die Familienmitglieder getätigte Direktinvestitionen oder Investitionen durch das familieneigene Single Family Office. Darüber hinaus können Direktinvestitionen auch über einen Investorenpool erfolgen oder indirekte Investitionen in Unternehmensbeteiligungen über ein Multi Family Office ausgeführt werden.

Sie fragen mich nach meiner Beobachtung. Es ist ganz sicher so, dass die Diversifizierung des Familienvermögens über die wachsende Anzahl der Generationen einer Familie zunimmt. Je größer die Anzahl der Familienmitglieder, desto geringer wird die relative Anzahl der direkt d.h. operativ in das Unternehmen eingebundenen Mitglieder. Und mit der Abschichtung der Einbindung steigt gleichfalls die Bereitschaft, das dem einzelnen Mitglied zugeordnete Kapital anderweitig zu investieren, so wie auch die Interessen der Familienmitglieder zunehmend divers werden.

In jeder Familie sind die individuellen Interessen üblicherweise diversifiziert, teilweise fühlen sich Familienmitglieder ausschließlich der Familie verbunden, aber nicht oder nicht mehr vollständig dem Unternehmen. Hier sehen wir generationsübergreifende Verschiebungen.

 

Sie vergleichen die Verzweigung einer Familie mit der Verzweigung der Vermögensallokation. Welcher Ausgangspunkt dieser Entwicklung begegnet Ihnen in der Praxis?

Häufig wiederkehrendes Beispiel ist die an uns gestellte Frage der Angemessenheit der Kapitalverzinsung. Damit sprechen die Familiengesellschafter die Verzinsung ihres in das Familienunternehmen investierten Vermögens an, d.h. die Rendite ihrer Einlage. Üblicherweise werden über die Höhe der Rentabilität Regelungen innerhalb der Familie getroffen, die sich an dem Buchwert des Eigenkapitals ausrichten und damit die Ausschüttungshöhe determinieren.

Mit der Zugehörigkeit zu einer Unternehmerfamilie bestehen für viele Mitglieder neben der reinen Eigenkapitalverzinsung weitere wirtschaftliche Bindungen, die zu Zahlungsströmen führen, wie die Teilnahme an operativen Funktionen, beispielsweise der Geschäftsführung oder innerhalb eines Aufsichtsorgans. Denkbar sind weitere finanzielle Beziehungen über Darlehensgewährung, Bereitstellung von Immobilien und Rechten an das Unternehmen etc.

Die Eigenkapitalverzinsung ist häufig einheitlich definiert, beispielsweise als 7% des Buchwertes des Eigenkapitals in einem fiktiven Beispiel. Hier stellen uns Familienmitglieder oder Vertreter von Familienstämmen die Frage nach der Angemessenheit der Höhe oder vergleichen diese mit einer Opportunitätsrendite, die ihnen außerhalb des eigenen Familienunternehmen argumentativ angetragen wird.

 

Worin besteht dann der Auslöser einer möglichen Vermögensdiversifizierung?

Insbesondere, aber nicht ausschließlich, diejenigen Familienmitglieder, die nicht unmittelbar über operative Funktionen in das Familienunternehmen eingebunden sind, stellen sich die Frage der Vermögensdiversifizierung. Dies ist zum einen aus Erwägungen der Streuung wirtschaftlicher Risiken zum Vermögenserhalt getrieben, zum anderen aus opportunistischen Überlegungen einer Vermögensrendite.

Meistens beginnen wir hier zunächst mit einer Bestandsaufnahme des dem einzelnen Familienmitglied zuzuordnenden Unternehmensvermögens (Konzern, parallele Konzerne, Teilkonzern, nicht konsolidierte Gesellschaften, einzelne Unternehmen, Geschäftsbereiche) und des wiederkehrenden Liquiditätszuflusses an die einzelnen Gesellschafter (Dividenden, Zinsen, Vergütung für funktionale Tätigkeit, Überlassung von Sachen und Rechten etc.). Sofern sich dies mehr oder weniger ausschließlich auf Dividenden oder Entnahmen bezieht, ist eine Bestandsaufnahme weniger komplex, sodass der Vergleich mit Alternativszenarien erleichtert wird.

 

Welche Formen der Unternehmensbeteiligungen als Alternative zur Investition in das eigene Familienunternehmen begegnen Ihnen?

Meist stellt sich die Frage einer absoluten Alternative nicht. Häufig sehen wir – und raten wir – innerhalb des Familienunternehmens investiert zu bleiben, mindestens im Sinne einer breiteren Vermögensallokation. So bleibt die Bindung zur Familie und in das Familienunternehmen bestehen.

Investitionsmöglichkeiten sind divers. Wer wenig oder keine Erfahrungen mit einem eigenen Direktinvestment hat, für den hat es Vorteile, sich einem Investorenpool aus mehreren Investoren anzuschließen. Ein solcher Investorenpool kann sich aus verschiedenen Mitgliedern der eigenen Familie sowie anderen interessen-gleichgerichteten Familien zusammensetzen. Des Weiteren haben sich sehr professionelle Beteiligungsgesellschaften für Unternehmerfamilien etabliert, die mehrere investitionswillige Familien zusammenbringen und gemeinsam investieren. Hier können die Familiengesellschafter an fachkundigen Strukturen partizipieren und sich mit anderen Familien austauschen. Über Beiratsmandate oder Teilnahme an sogenannten Investment Committees verbleibt auch unternehmerische Mitarbeit und Aufsicht.

Bei hinreichender Größe des individuellen Vermögens einzelner Familienmitglieder ist die Errichtung eines eigenen Family Offices denkbar, welches in der Folge eigene Direktinvestments vornimmt, sei es in Venture Capital Beteiligungen oder in etablierten Unternehmen. Dies schließt wiederum die Beteiligung an Pools oder in externe Beteiligungsgesellschaften nicht aus. Auch Multi Family Offices übernehmen zunehmend die Funktion eines Investors in Unternehmensbeteiligungen.

 

Das heißt Sie vermitteln auch Beteiligungsmöglichkeiten?

Wir agieren im Interesse der uns mandatierenden Familien unabhängig. Das heißt aber nicht, dass wir nicht in der Kontaktaufnahme unterstützen, wenn es für alle Parteien vorteilhaft ist. Wir haben hier einen guten Überblick. Insbesondere können wir helfen, Familien mit gleichgerichteter Investitionsphilosophie zusammenzubringen. Dies erfolgt immer im Einverständnis aller beteiligten Personen, welches wir diskret erbitten. Interessant kann es auch werden, wenn wir das Gefühl haben, dass ein gemeinsames Investieren der Familien oder Family Offices strategisch sinnvoll sein kann. Das wissen die betreffenden Parteien natürlich besser als wir, aber wir führen gerne zusammen.

 

Liebe Frau Buchar, mit welchen fachlichen Beratungsleistungen können Sie in den vorstehenden Abläufen unterstützen?

Aus bestehender Veräußerungsabsicht aus einzelnen Familienunternehmen heraus, sowie in der Öffnung des Gesellschafterkreises für außenstehende Gesellschafter, sehen wir gelegentlich Investitionsmöglichkeiten. Wenn wir direkt darauf angesprochen werden, unterstützen wir unsere Mandanten hierbei im vorherigen Einvernehmen der Parteien.

Dann schließen sich unsere üblichen technischen Beratungsleistungen der finanziellen Due Diligence, Unternehmensbewertung, Kaufpreisverhandlung und Teilnahme an Kaufvertragsverhandlungen an. Ein großer Teil unseres Teams hat über viele Jahre in Wirtschaftsprüfungsgesellschaften, Privatbanken oder in betreffenden Arbeitsbereichen in Unternehmen gearbeitet und ist mit diesen Abläufen aus der gelebten Praxis sehr gut vertraut.

Im Anschluss an einen Transaktionsvollzug unterstützen wir in der Übernahme des Beteiligungscontrollings, der Berichterstattung zwischen Unternehmen und Familie bis hin zur Ausübung von Beiratsmandanten, solange dies im Einklang mit der Corporate Governance erfolgt.

 

Liebe Frau Buchar, wir danken Ihnen für das Gespräch!