Anforderungen an die Ausgestaltung eines Family Offices

Jörg Hueber, Geschäftsführender Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service und Dr. Christian Bochmann, Partner bei Flick Gocke Schaumburg und ausgewiesener Experte für die rechtliche und aufsichtsrechtliche Organisation von Family Offices, erklären im Interview, welche Anforderungen an die Gründung und Ausgestaltung eines Family Offices gestellt werden.

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Wir haben in den vergangenen Jahren eine Vielzahl von Anteilsübertragungen an Familienunternehmen beobachten können, häufig in der Übergabe an die NextGen innerhalb der Familie, gleichfalls oft auch eine Veräußerung von Anteilen an Dritte. Welche Auswirkungen haben diese Veränderungen in der Inhaberstruktur auf das Familienvermögen?

Jörg Hueber: Lassen Sie mich eine Antwort im chronologischen Kontext stellen. Im Allgemeinen lässt sich festhalten, dass in den 1950er bis 2000er Jahren das Familienvermögen vorrangig im Familienunternehmen gebunden gewesen ist, begleitet von im Privatvermögen gehaltenen Immobilien mit Nutzung und Vermietung außerhalb des Unternehmens sowie einer Übergabe noch eher kleinerer Vermögensteile an ein bankenunterstütztes Vermögensmanagement. Mit zunehmendem Vermögenszuwachs der Unternehmen selbst in den letzten 20 bis 30 Jahren als auch der Übergabe der Familienunternehmen auf die nächste Inhabergeneration setzte eine wachsende Diversifizierung des Vermögens unter eigenem Management ein. Insbesondere seit den 2000er Jahren entstanden eine wachsende Zahl von Family Offices und die über diese Einheiten organisierte Vermögensanlage, zumeist in eher defensive Anlagen wie Aktienfonds und Immobilien, diente als konservatives Gegengewicht zum unternehmerischen Wagnis im Familienunternehmen. Und seit einigen Jahren beobachten wir den Übergang in die Gesamtvermögensbewirtschaftung, in der das Familienunternehmen zunehmend Bestandteil des gesamten Vermögensmanagement wird und einen Stabilität- und Renditevergleich mit anderen Vermögensanlagen gegenübersieht. Eine wachsende Anzahl an Inhaberfamilien investiert neben ihrem Familienunternehmen in andere unternehmerische Direktbeteiligungen, Private Equity und zunehmend Family-Equity-Beteiligungen im Konsortium mit anderen Familien sowie Venture-Capital-Investments.

 

Welche Anforderungen an die Inhaberfamilie ergeben sich aus der wachsenden Vermögensheterogenität unter eigener Bewirtschaftung?

Jörg Hueber: Die Inhaberfamilien, oder die dafür aus der Familie heraus bestimmten Mitglieder, müssen sich neu organisieren, sich der Komplexität eines breiteren Vermögensmanagements stellen, strukturell, inhaltlich und häufig unter Zuhilfenahme externer Sachverständiger, welche sie in ihren vermögensbewirtschaftenden Einheiten, zumeist subsumiert unter der Begrifflichkeit eines Family Offices, unterstützen.

Christian Bochmann: Ich teile die Einschätzung von Jörg Hueber vor allem in folgendem Punkt: Die jüngere Vergangenheit zeigt, dass die Leidenschaft der Inhaberfamilie für das eigene (Kern‑)Unternehmen nicht im Widerspruch zu einer erhöhten Aufmerksamkeit für sonstige Vermögensanlagen stehen muss. Eine bewusste Separierung der Vermögenssphären und damit verbundenen Risiken wird immer häufiger auch als Element der Stärkung des (Kern-)Unternehmens begriffen. Denn erst der Aufbau eines Vermögens hinter der sprichwörtlichen „Firewall“ erlaubt es, das Unternehmen z.B. in Krisenzeiten mit eigenen Mitteln zu unterstützen. Im Falle eines vollständigen Verkaufs des (Kern‑)Unternehmens hingegen kann die frühzeitige Entwicklung aktiver Vermögensanlagestrategien die Brücke zur Fortsetzung der unternehmerischen Tätigkeit der Familie schlagen.

 

Welche wesentlichen Anforderungen stellen sich an die Errichtung eines Family Offices?

Jörg Hueber: An erster Stelle steht eine funktionale Standortbestimmung: Welchen Zweck hat das Family Office? Welche Bindungswirkung soll zwischen Familie und Office bestehen? Welche Ziele und Werte verbindet die Familie mit dem Family Office? Teilweise hat dies den Anschein, als ginge es um weiche Diskussionsfelder, aber es ist im Vorfeld zu klären, in welche Themenfelder die Familie bereit ist zu investieren und in welche nicht. Und ob überhaupt alle Familienangehörigen Mitglieder im Family Office sein möchten oder mit ihrem individuellen Vermögen etwas Eigenes machen möchten. Dies kann einen längeren Evaluationsprozess mit sich bringen, da sich möglichst alle oder ein Großteil der Familienmitglieder mit dem Family Office identifizieren sollte. Das Family Office tritt als institutionelles Familienmitglied neben das Familienunternehmen, oder sollte dieses gar veräußert worden sein, in die Rolle als dessen Nachfolger. Das Family Office übernimmt mindestens die Funktion des wirtschaftlichen Bindeglieds in der Familie. Es tritt damit, zumeist weniger emotional, an die Stelle des Familienunternehmen.

Christian Bochmann: „Family Office“ ist ja ein schillernder Begriff, hinter dem sich völlig unterschiedliche Konzepte verbergen können. Wichtig erscheint es mir vor allem, sich von (vermeintlichen) Schablonen zu lösen. Im Familienunternehmen ist die Familie in gewisser Weise auch immer Schicksalsgemeinschaft, ist durch Abkunft gleichsam in die gemeinsame unternehmerische Aktivität „hineingeworfen“. Bei der sonstigen Vermögensverwaltung ist die Verbindung weniger „schicksalhaft“. Es ist daher sehr wichtig, dass die Frage nach dem Warum des Zusammenwirkens vorab ganz offen und sauber beantwortet wird. Im nächsten Schritt sind die Rollen bei der Etablierung und Führung eines Family Office abzustecken: Geschäftsführung, Stimmrechte, Informationsrechte, Entnahmerechte etc. Die Governance muss dabei nicht zwingend der gleichen Logik wie derjenigen im Familienunternehmen folgen.

 

Welche formalen Voraussetzungen sind zu erfüllen, um ein Family Office zu errichten?

Christian Bochmann: Da es keine Schablonen gibt, kann man das so allgemein kaum beantworten. Im einfachsten Fall besteht das Family Office nach dem Unternehmensverkauf des Alleininhabers/der Alleininhaberin ja lediglich in einem Privatsekretariat mit einem gewissen Finanz-, Steuer- und Rechts-Know-how. Die formalen Anforderungen hierfür sind noch überschaubar (aber auch nicht zu unterschätzen). Je komplexer die Zusammensetzung der Unternehmerfamilie und je komplexer die Asset Allocation, desto weitreichender sind freilich die zu beachtenden rechtlichen und steuerlichen Voraussetzungen. Stets wird man bei der Rechtsform und der Vermögensallokation ein sehr wachsames Auge auf potenzielle Erbschaft- und Schenkungsteuerlasten haben müssen. Wegzüge von Familienmitgliedern ins Ausland bergen zudem erhebliche steuerliche Risiken. In besonders komplexen Situationen kann das Family Office zudem rasch zu einem kleinen „Wertpapierinstitut“ werden – mit der Folge, dass finanz- und kapitalmarktrechtliche Anforderungen zu beachten sind und die BaFin zum Akteur wird.

Jörg Hueber: Der Evaluationsprozess über diese Themen sollte mit hinreichendem Vorlauf auf ein Liquiditätsereignis erfolgen, d.h. etwa spätestens in zeitlicher Parallelität zu einem Unternehmens(teil-)verkauf, idealerweise in Synchronisation beider Prozesse.

 

Diese Themenkomplexität erfordert einen zeitintensiven und, durch das Erfordernis eines breiten Detailwissen, inhaltsreichen Prozess. Wie kann eine Familie sich diesem stellen? Wäre es nicht einfacher, einen erwarteten Liquiditätszufluss weitgehend in professionelle externe Verwaltung zu überführen?

Jörg Hueber: Die Möglichkeit einer Verwaltung über ein Kreditinstitut, Vermögensverwalter, Multi Family Office besteht natürlich. Wir befassen uns mit der Situation, in der eine Familie ihr Vermögen weitgehend eigenständig organisiert. Und hier ist zwischen Aufgaben zu unterscheiden, die eher einmalig anfallen, wie die Begründung und Gründung eines eigenen Family Offices, und den Aufgaben des laufenden Betriebes. Einmalige Aufgaben oder auch wiederkehrende Aufgaben (Steuererklärung, vertragliche Regelungen) lassen sich auf Berater mit hoher Fachspezifikation verlagern. Die Aufgaben im ‚laufenden Betrieb‘ des Family Office übernimmt üblicherweise ‚internes‘ Personal, häufig angestellte Geschäftsführer einschließlich eines fachlich ausgebildeten Teams und Mitgliedern der Familie, die im Family Office mitwirken wollen. Bei der Auswahl und Bestimmung geeigneter Geschäftsführer sind wir durch unser Netzwerk zu Familien als auch Personalberatern und weiteren Partnern unseres Hauses gern behilflich. Die Auswahl, Besetzung und Aus- und Fortbildung etwa von Beiräten und Aufsichtsräten kann direkt durch unser Beratungsangebot der PETER MAY Board Services eingebunden werden. Aus unserer praktischen Beobachtung heraus verfügen wir über weitreichende Erfahrungen im Hinblick auf das Aufgabenspektrum eines Family Officers, den Anforderungen, die damit verbunden sind wie auch den üblichen Vergütungs- und Incentivierungsformen eines Geschäftsführers.

Christian Bochmann: Die richtigen Personalbesetzungen sind – nicht anders als im Familienunternehmen – natürlich das A und O. Gerade bei Neuerrichtungen von Family Offices ist es extrem wichtig, Personen zu finden, welche die Philosophie der Familie verstehen und teilen und in der Lage sind, die Strukturen in entsprechender Weise mit Leben zu füllen.

 

Welche weiteren Themenfelder sind bei der Errichtung eines Family Offices zu berücksichtigen?

Jörg Hueber: Das Family Office ist eine eigene Rechtseinheit mit formalen Voraussetzungen als auch Anforderungen an eine funktionsfähige Infrastruktur. Ersetzt das Family Office das Familienunternehmen nach einem Unternehmensverkauf, sind operative Strukturen wie Büro, IT, Buchhaltung etc. zu organisieren. Wenn das Family Office in Parallelität zu einem bestehenden Familienunternehmen geführt wird, können diese Funktionen auch durch Personal im Familienunternehmen ausgeführt werden bis hin zum Management durch den kaufmännischen Geschäftsführer des Familienunternehmen, falls eine Vermengung von Unternehmensbetrieb und privatem Vermögen der Familie überhaupt gewünscht wäre. Besonderheiten ergeben sich hinsichtlich der Informationstechnologie, das Vermögensreporting und Vermögenscontrolling ist angesichts der Vermögensdiversifikation in unterschiedliche Assetklassen wie Aktien, Fonds, Immobilien, land- und forstwirtschaftliche Betriebe, Private Equity, Direktbeteiligungen etc. deutlich komplexer und in spezialisierten Softwarelösungen abzubilden. Aber auch hier geben wir gerne unsere Erfahrungswerte weiter wie auch zu den üblichen Kosten eines Family Offices, natürlich wiederum in Abhängigkeit der Vermögensgröße, Vermögensbreite und des Umfanges der Personalkapazitäten.

Christian Bochmann: Neben den finanziellen, rechtlichen und steuerlichen Aspekten verdient bei der Entscheidung für ein Family Office auch die Übertragung und Übersetzung der Familienunternehmens-DNA in die Family-Office-Welt größte Aufmerksamkeit. Unabhängig davon, ob das Family Office das Familienunternehmen nach einem vollständigen Exit ersetzt oder ob es das Familienunternehmen ergänzt: Zu einer Erfolgsgeschichte wird es dann werden, wenn es gelingt, die mit dem Familienunternehmen verbundenen Kräfte fruchtbar zu machen. Das fängt bei der Verwurzelung in bestimmten Branchen und entsprechenden Kenntnissen an. Es geht aber auch um die sinnstiftende Verklammerungsfunktion gemeinsamer wirtschaftlicher Aktivität für die Unternehmerfamilie.

 

Lieber Herr Dr. Bochmann, lieber Herr Hueber, haben Sie Dank für das Gespräch