Stiftungen zwischen niedrigen Zinsen und steigender Inflation

Mit Blick auf beabsichtigte Nachhaltigkeitseffekte eigenen sich Stiftungen in besonderem Maße, um Gutes zu tun, da sie grundsätzlich „für die Ewigkeit“ bestehen und damit gewährleisten, dass der oder die Stiftungszwecke dauerhaft erfüllt werden können. Nun zeichnet sich aber dringender Handlungsbedarf ab.

Die Beratung vermögender Unternehmerfamilien auch in philanthropischen Fragen gehört zu den Kerndienstleistungen des Family Office Managements. Zahlreiche Familien engagieren sich ehrenamtlich oder haben – einige sogar schon vor Generationen – eine gemeinnützige Körperschaft ins Leben gerufen, um nachhaltig Gutes tun und die Gesellschaft unterstützen zu können. Mit Blick auf beabsichtigte Nachhaltigkeitseffekte eigenen sich Stiftungen in besonderem Maße, da sie grundsätzlich „für die Ewigkeit“ bestehen und damit gewährleisten, dass der oder die Stiftungszwecke dauerhaft erfüllt werden können.

Damit das Stiftungsvermögen über viele Jahre und sogar Jahrzehnte erhalten bleibt, ist in vielen Stiftungssatzung geregelt, dass das Vermögen ungeschmälert und in seiner Kaufkraft erhalten bleiben soll. Eine solche Formulierung zwingt die Stiftung bzw. ihren Vorstand dazu, dem jährlichen Kaufkraftschwund, der sich in der Inflation materialisiert, entgegen zu wirken und entsprechende Rücklagen zu bilden. Was vom Stifter gut gemeint war, kann sich in Zeiten wie diesen zu einem für Stiftungen unangenehmen Korsett entwickeln, da die seit der Subprime-Krise anhaltende Niedrigzinsphase einerseits und eine prognostiziert auf 2 oder 2,5 Prozent ansteigende Inflation andererseits, die bei Stiftungen ohnehin bereits sehr ausgedünnten Stiftungsmittel noch weiter schrumpfen lassen werden.

Den Stiftern kann man diesbezüglich keinen Vorwurf machen: Sie wollten einen generationenübergreifenden Bestand ihrer Stiftung und des von ihnen dotierten Stiftungsvermögens sicherstellen. In früheren Zeiten, in denen ein Großteil des Stiftungsvermögens noch in Staats- oder Unternehmensanleihen investiert war und nur ein geringer Anteil in Aktien oder anderen Anlageklassen, konnten selbst bei konservativer Ausrichtung des Portfolios noch leicht Renditen über 5 Prozent erwirtschaftet werden. Diese Zeiten sind allerdings schon seit einigen Jahren vorbei. Wer gehofft hatte, die Notenbanken würden durch entsprechende Maßnahmen „auf Sicht“ wieder ein attraktives Zinsumfeld entstehen lassen können, dem muss spätestens seit Ausbruch der Covid-19-Pandemie klar sein, dass damit auch in den kommenden Jahren nicht zu rechnen ist. Die Zinsen bleiben niedrigst – anders kann ein Kollaps des gesamten Finanzsystems kaum verhindert werden.

Stiftungen haben deshalb schon vor einigen Jahren höhere Risiken in Kauf nehmen müssen, um überhaupt noch eine attraktive Rendite erwirtschaften zu können. Das Inflationsniveau war in den vergangenen Jahren erfreulich gering gewesen, so dass von dieser Seite bis dato kein Ungemach drohte. Dies könnte sich allerdings sehr schnell ändern, da durch die Maßnahmen zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Auswirkungen der Covid-19-Pandemie erhebliche Geldmengen in den Markt gelangt sind. Ein vergleichsweise schneller Anstieg der Inflationsrate in den kommenden Jahren ist deshalb zu befürchten. Für Stiftungen, die sich dem Kaufkrafterhalt des Stiftungsvermögens verschrieben haben, bedeutet dies, dass immer höhere Teile der Erträge aus der Bewirtschaftung des Stiftungsvermögens zum Ausgleich inflationsbedingter Wertverluste in Anspruch genommen werden müssen. Sinken gleichzeitig die Erträge, ist das Dilemma kaum noch aufzuhalten.

Was ist zu tun?

Stiftungen, die gemäß Satzung zur Erhalt der Kaufkraft des Stiftungsvermögens verpflichtet sind, sollten überlegen, die Satzung in genau diesem Punkt zu ändern und an die beschriebenen Verhältnisse anzupassen. Dies bedeutet, dass das Stiftungsvermögen nicht mehr effektiv sondern nur noch nominal erhalten werden muss und künftig kein Inflationsausgleich mehr stattfindet. Nur über den Weg einer Satzungsänderung kann das beschriebene Dilemma abgewendet werden. Nun kommt allerdings noch ein weiteres hinzu: Der Gesetzgeber hatte schon vor geraumer Zeit eine Neuregelung des Stiftungsrechts angekündigt. Das bis zum heutigen Tag sowohl in Bundesgesetzen (dem BGB) als auch in zahlreichen Landesgesetzen geregelte Stiftungsrecht sollte vereinheitlicht und grundlegen überarbeitet werden. Im Zuge der hierzu gefertigten Entwürfe stellte sich allerdings heraus, dass über eine bloße Vereinheitlichung hinaus auch zahlreiche Elemente unseres bis heute sehr liberalen Stiftungsrechts zugunsten einer aus dem Recht der Aktiengesellschaft „entliehenen“ Prinzip der Formenstrenge geopfert werden sollen. Auch die Möglichkeiten von Satzungsänderungen für bestehende Stiftungen werden in nicht unerheblichem Umfang eingeschränkt. Aus diesem Grund ist dringend zu empfehlen, die zuvor beschriebene Anpassung der Stiftungssatzung mit Blick auf den Kapitalerhalt zeitnah und noch unter Geltung des aktuellen Stiftungsrechts vorzunehmen. Da die Bundesregierung ihr Reformpaket noch in dieser Legislatur durch die parlamentarischen Gremien bringen und in Kraft setzen möchte, ist zügiges Handeln geboten.