Vergütungsregelungen für die Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen

Lorenz Zwingmann hat über Jahrzehnte bedeutende Familienunternehmen als Finanzvorstand mitgeprägt und hält aktuell diverse Aufsichts- und Beiratsmandate. Gemeinsam mit Jörg Hueber, Geschäftsführender Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service, erklärt er im Gespräch mit dem INSIGHT, wie Vergütungsfragen bei der Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen geregelt werden können.

Lorenz Zwingmann und Jörg Hueber

 

Lieber Herr Zwingmann, ein Beirat, insbesondere ein Beiratsvorsitzender in Familienunternehmen, bewegt sich auf der Ebene des Familienunternehmens als auch der Inhaberfamilie. Mandatiert durch das Familienunternehmen folgt gleichfalls der Ruf durch Mitglieder der Familie, um sich mit Beziehungen der Gesellschafter untereinander und zum Familienunternehmen zu befassen. Hier gilt es, Interessengegensätze auszubalancieren, die neben hoher Rationalität auch Emotionalität erfordern. Nehmen Sie dabei Veränderungen in der Gewichtung der zeitlichen Inanspruchnahme Ihrer Beirats- und Aufsichtsratstätigkeit wahr?

Lorenz Zwingmann: Grundsätzlich sollte die Aufgabe eines Beirats – je nach Ausgestaltung des Gesellschaftsvertrages - darin bestehen, dem Management als Sparringspartner und Berater zur Seite zu stehen. Gegebenenfalls wird diese Aufgabe dann noch um Kontrollaufgaben erweitert. Inwieweit der Beirat – und hier insbesondere der Beiratsvorsitzende – dann auch noch die Brücke zu den Familiengesellschaftern schlägt oder schlagen muss, hängt meines Erachtens von mehreren Faktoren ab. Sind im Beirat auch Familiengesellschafter vertreten, obliegt es häufig diesen, die Kommunikation in Richtung der Gesellschafter aufrechtzuerhalten. Wenn aber ein Übergang von einer auf die nächste Generation ansteht, kann aber insbesondere der Beiratsvorsitzende eine entscheidende Rolle spielen, um den Übergang erfolgreich zu gestalten. Und insofern würde ich sagen: Die Aufgabe eines Beirats ist über die letzten Jahre vielfältiger und komplexer geworden.

 

Sie haben das Themenfeld der Übergabe von Rollen, Funktionen und Verantwortung und damit auch von Gesellschaftsanteilen in der Familie angesprochen, etwa durch einen bewussten Stabwechsel an die nächste Generation. Die Klarheit der Übergabe und Annahme von Verantwortung hat sich nach unserer Beobachtung über die letzten Jahre verändert mit wachsender Generationenzahl und Vielzahl von Abkömmlingen sind Lebenslinien und berufliche Interessen deutlich vielseitiger geworden. Häufig erfolgt eine Übergabe von Familienunternehmen an die nächste Generation in einer bereits reiferen Lebensphase, das heißt, der Übertragende verfügt oft über ein höheres Lebensalter und die Kinder sind ihre eigenen Lebenswege gegangen und haben sich häufig eine eigene unternehmensexterne Existenz aufgebaut.

Lorenz Zwingmann: Ich erlebe in meiner Beiratstätigkeit hier durchaus komplett unterschiedliche Situationen. Einerseits erfolgt die Übergabe tatsächlich erst in einer späteren Lebensphase oder sogar erst nach dem Tod des Unternehmensgründers oder bei der Eröffnung des Testaments. Vielfach wird allerdings die NextGen ausreichend früh mit den Besonderheiten des Familienunternehmens vertraut gemacht und wächst so peu à peu in die Übernahme der Verantwortung hinein. Erfolgt die Übernahme der Gesellschaftsanteile erst in einer späteren Lebensphase, ohne dass vorher eine unternehmerische Mitwirkung am Unternehmen stattgefunden hat, ist die Wahrscheinlichkeit einer Übernahme durch ein Fremdmanagement oder sogar der Verkauf der Unternehmensanteile aus meiner Sicht wahrscheinlicher.

 

Welche Möglichkeiten gibt es für Familienmitglieder, die Gesellschafter sind, aber es möglicherweise vollständig oder in Teilen nicht mehr sein möchten?

Jörg Hueber: Die Gründe, einen Gesellschafterstatus teilweise oder vollständig zu verändern, können in der Einschätzung liegen, nicht der beste Gesellschafter für das Familienunternehmen zu sein. Vielleicht weil man sich aufgrund persönlicher Interessen nicht hinreichend mit dem Unternehmen befassen möchte und kann. Die Gründe können auch in der persönlichen Vermögensstrukturierung liegen. Oder Beides zusammen. Dann besteht dem Grunde nach die Möglichkeit einer Anteilsübertragung an andere Familienmitglieder oder sonstige bestehende Mitgesellschafter, eines Einzugs durch das Familienunternehmen gegen eine Abfindungsvergütung oder, wenn diese beiden Varianten nicht gewünscht oder darstellbar sind, einer Übertragung von Anteilen an Dritten.

Üblicherweise sind für diese Situationen verbindliche Regelungen im Gesellschaftsvertrag getroffen worden. In Einzelfällen besteht dazu aber keine detaillierte Regelung oder die Regelungen sind möglichst einfach gehalten, was dann aber zu Komplikationen in der praktischen Umsetzung und auch bei ihrer praktischen Akzeptanz in der Realität führen kann.

Vor mehreren Jahren bewusst getroffene Regelungen werden aufgrund von veränderter Realität und Aktualität möglicherweise anders empfunden. Dies beginnt mit dem Betrachtungszeitraum an Geschäftsjahren, die bei der rechnerischen Ermittlung einer Wertfindung Berücksichtigung finden, dem Blickwinkel, ob eine rückwirkende oder planerische Zahlenreihe zugrunde gelegt wird und auf welchen Betrachtungsgegenstand eigentlich geschaut wird: einem Einzelunternehmen, einem Konzern, der Berücksichtigung nicht konsolidierter Gesellschaften, der Berücksichtigung oder Adjustierung von Ergebniseffekten aus Geschäftsvorfällen mit anderen Beteiligungen in Familiensphäre wie im Privatvermögen gehaltener, aber in das Familienunternehmen vermieteter Immobilien oder Lizenzen bis hin zur Bereinigung von außergewöhnlichen Effekten. Künftig erwartete positive Effekte aus Effizienzanpassungen, die in der Historie zu Ergebnisbelastungen geführt haben, benachteiligen die rein rückwärts gerichtete Betrachtung und bevorteilen die rein vorwärts gerichtete Betrachtung. Auch bilanzielle Bewertungswahlrechte haben ergebnisbeeinflussenden Effekt. Und die häufige Anwendung von Bewertungsabschlägen mit der Zielstellung einer Liquiditätsschonung erwerbender Gesellschafter wird oftmals im Vergleich zu einer eher marktorientierten Bewertung nicht akzeptiert.

All diese Themenstellungen führen sehr häufig zu Unruhe im Gesellschafterkreis und es muss vermieden werden, dass diese Diskussionen den Familienfrieden gefährden. Und es ist sicherstellen, dass das Familienunternehmen von Abfindungsdiskussionen auf Gesellschaftereben unbeschadet bleibt. Losgelöst von der technischen und finanziellen Umsetzung eines Anteilswechsels bleiben die betroffenen Personen miteinander verwandt und damit miteinander verbunden.

Lorenz Zwingmann: Herr Hueber, ich kann Ihren Ausführungen nur zustimmen. Das sind meines Erachtens die schwierigsten Situationen in Familienunternehmen, die durchaus auch Komplikationen auf der persönlichen Ebene der Gesellschafter nach sich ziehen können. Für die Gestaltung einer solchen Situation gibt es meiner Meinung nach kein Patentrezept. Idealerweise findet man einen Kompromiss zwischen ausscheidungs- und fortführungswilligen Gesellschaftern, der beiden Seiten ausreichend gerecht wird. Einerseits sollte eine vernünftig hoch bemessene Abfindungszahlung vereinbart sein, die u.U. dann auch in fünf bis zehn Ratenzahlungen über mehrere Jahre ausbezahlt werden. Andererseits sollte diese Abfindungszahlung aber eben auch nicht so hoch bemessen sein, dass aufgrund des damit verbundenen Liquiditätsentzugs die Zukunftsfähigkeit des Familienunternehmens gefährdet wird. Mithin kann man sagen: Es ist ein schmaler Grat, auf dem man sich bewegt. Idealerweise zieht man in so einer Situation dann auch unabhängige Mediatoren hinzu, die zwischen den beiden Polen moderieren und eine Lösung herbeiführen können.

Jörg Hueber: Wir befassen uns täglich mit diesen Themenstellungen der Diskussion, Lösungsfindung und rechnerischen Umsetzung, idealerweise mit zeitlichem Vorlauf vor dem Eintritt entsprechender Situationen und damit mit der Überarbeitung bestehender Regelungen in Gesellschaftsverträgen, wenn diese voraussichtlich zu Unwägbarkeiten führen können. Solange es keine Auseinandersetzung in einer Familie über die jeweils subjektive Wertfindung gibt, ist es natürlich einfacher, hinreichend stabile Regelungen mit der Familie zu diskutieren und gemeinsam verbindlich festzulegen oder anzupassen. Kommt es hingegen zum Eintritt gegensätzlicher Positionen, suchen wir nach Lösungswegen, die häufig eine Kompromisslösung darstellen, da sich veräußernde und aufnehmende Gesellschafter aufeinander zubewegen müssen. Hier können auch weitere flankierende Maßnahmen unterstützen wie nachträglich bewertungserhöhende Kaufpreisbestandteile bei Eintritt vordefinierter Ereignisse, Mehrerlösklauseln für die Teilnahme an Erträgen aus einer späteren Weiterveräußerung und bei Teilveräußerung enge Informations- und Kontrollrechte über die Gewinnentstehung und den Gewinnausweis als Grundlage von Gewinnausschüttungen.  

Bei einem Einzug von Anteilen durch das Familienunternehmen, d.h. bei Erwerb der Anteile via Rückkauf durch das Familienunternehmen über Kapitalherabsetzung und Auszahlung aus Gesellschaftsmitteln, befassen wir uns mit den Fragestellungen der Liquiditätsschonung des Familienunternehmens auf der einen Seite, aber auch die Liquiditätsentnahmefähigkeit durch kritische Auseinandersetzung mit den Planannahmen und Liquiditätsbudgets der Geschäftsführung. Herausfordernd ist diese Aufgabe ohnehin, besonders dann, wenn ein erwerbendes Familienmitglied oder ein veräußerndes Familienmitglied in der Rolle eines im Familienunternehmen kaufmännisch Verantwortlichen die Planung erstellt hat, auf deren Basis eine Abfindungsvergütung errechnet werden soll – ein faktisches Vorteilsinteresse des Jeweiligen ist offensichtlich und am Ende müssen sich beide Seiten einigen.

 

Neben der reinen Bewertungssystematik stellt sich damit die Frage der Finanzierungssystematik und Finanzierungsfähigkeit durch die übernehmenden Gesellschafter oder bei Einzug durch das Familienunternehmen.

Jörg Hueber: Die Facetten der Darstellung einer Finanzierungsfähigkeit sind breit. Sie reichen von zeitlichen Streckungsmöglichkeiten bis hin zu einer Teilvergütung in Vermögenswerten wie Betriebsimmobilien, finanzieller Vermögenswerte wie Aktien, Anleihen oder Fonds oder bei Übertragungen zwischen Familienmitgliedern im Privatvermögen oder Family Office gehaltener Beteiligungen, Bankdepots oder sonstiger Vermögenswerte. Die Finanzierungsfähigkeit des Familienunternehmens lässt sich in Einzelfällen erhöhen durch temporäre Kreditaufnahme oder bei sehr großen Unternehmen durch die Begebung einer Anleihe und (Teil-)Auskehrung der gewonnenen Liquidität an die abzufindenden Gesellschafter. In Einzelfällen auch durch die Veräußerung von als Randaktivitäten angesehenen Unternehmensteilen. Gelegentlich begleiten wir auch die Realteilung von größeren Unternehmen oder Unternehmensgruppen und Aufteilung innerhalb der Inhaberfamilie.

Lorenz Zwingmann: Herr Hueber, Sie sagen es: Die Möglichkeiten sind hier vielfältig. Aus meiner Beiratstätigkeit nehme ich allerdings wahr, dass die Aufnahme von Fremdkapital – in welcher Form auch immer – durch die Familiengesellschaft eher das allerletzte Mittel der Wahl darstellt. In vielen Fällen ist die bisherige Fremdkapitallast des Unternehmens sehr gering und das soll sich auch in Zukunft nicht verändern. Eine weitere Alternative, die mir noch einfällt, sind Teilunternehmensverkäufe, insbesondere dann, wenn man über mehrere Sparten oder Business Units verfügt.

 

Wir haben uns noch nicht mit dem dritten Lösungsweg, einer Anteilsveräußerung an Dritte, befasst. Welche wesentlichen Unterschiede zu einer Übertragung innerhalb des bestehenden Gesellschafterkreises sind zu berücksichtigen?

Lorenz Zwingmann: Grundsätzlich kann man hier zwei unterschiedliche Ausprägungen diskutieren. Zum einen den Teilverkauf von Anteilen an Dritte. Dies muss zwangsläufig einhergehen mit einer veränderten und angepassten Governance-Struktur. So wäre beispielsweise bei Übernahme eines Minderheitenanteils durch einen Dritten zu fixieren, welche Minderheitenrechte damit einhergehen. Zum anderen den Komplettverkauf. Hier kann es sich dann um den Verkauf an einen größeren Konzern, den Verkauf an ein anderes Familienunternehmen oder aber die Übernahme durch ein Private-Equity-Haus handeln. Und last but not least kann theoretisch auch ein Börsengang in Betracht gezogen werden.

Jörg Hueber: Jede individuelle Situation ist anders, aber es entwickeln sich Verhaltensmuster und Handlungsalternativen, die in der Praxis in unterschiedlichen Konstellationen zu ähnlichen Lösungen führen. Auch wenn keine interne Lösung gefunden werden kann oder dies nicht gewünscht ist, ist auch der Facettenreichtum bei der Öffnung des Gesellschafterkreises groß. Auch in Abhängigkeit davon, ob es um die Veräußerung einer Mehrheits- oder Minderheitsbeteiligung geht und welche Kriterien an einen neuen Mitgesellschafter zu stellen sind. Ein strategischer Partner, zumeist also ein Unternehmen der gleichen oder einer benachbarten Branche, ist an Kontrollrechten und Integration in die eigene Wertschöpfung interessiert. Ein Private-Equity-Investor strebt eher kurz- bis mittelfristige Effizienzerhöhung und Wertsteigerung für einen Weiterverkauf an – das ist der legitime Geschäftszweck. Ein Family-Equity-Investor ist eher langfristig orientiert und ist an Vermögensstabilität und stetiger Rendite interessiert und trägt ein der Inhaberfamilie vergleichbares Werteverständnis in sich.

In all den vorstehend andiskutierten Themenstellungen, verbunden mit einer grundsätzlich wachsenden Anzahl an Gesellschaftern in Familienunternehmen mit nachwachsenden Generationen in Mehrkindfamilien, entstehen unterschiedlichen Dynamiken im Gesellschafterkreis, die hinreichende Vorbereitung, Einigkeitsfindung in der Familie sowie ein behutsames und gleichzeitig entschlossenes Lenken nicht zuletzt durch einen Beirat oder Aufsichtsrat nötig machen.

Lieber Herr Zwingmann, lieber Herr Hueber, wir danken Ihnen für dieses Gespräch

 

Jörg Hueber ist Geschäftsführender Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service GmbH & Co. KG und befasst sich mit Themenstellungen der Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen innerhalb der Familie, zu Abfindungsregelungen bei Kündigung, zu Fragestellungen der Öffnung des Gesellschafterkreises sowie mit Beratungsleistungen des Kaufs und Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen für Familienunternehmen und Family Offices.

Lorenz Zwingmann verfügt über langjährige Erfahrungen und Expertise in der Führung und Kontrolle relevanter Familienunternehmen. Dazu gehören Positionen als Finanzvorstand bei Marquard & Bahls AG, Knorr-Bremse AG, Still GmbH oder Philips GmbH sowie Aufsichtsrats- und Beiratspositionen bei Leoni AG, Benteler International AG, Baerlocher GmbH, Johann Bunte GmbH & Co. KG, Karl Mayer GmbH & Co. KG, A. Kayser Automotive Systems GmbH oder Brückner Group GmbH