Anteilsübertragung in der Familie – wie findet sich ein fairer Bewertungsausgleich?

Wenn Gesellschafter aus dem Familienunternehmen ausscheiden wollen, sind für eine Anteilsübertragung innerhalb der Familie verschiedene Aspekte zu beachten.

Anteilsübertragung

 

Nicht immer wollen alle Inhaber von Familienunternehmen Inhaber sein. Gesellschaftsanteile sind über Nachfolge und anderen Beweggründen einer Anteilsverteilung in einer Familie ‚zugegangen‘. Aber nicht immer fühlen sich, aktuell oder zeitversetzt, alle Inhaber als Gesellschafter an einem Familienunternehmen mit ihrer Rolle umfänglich wohl. Inhaberschaft kann Privilegien mit sich führen wie operatives Gestalten, Verantwortungsübernahme und auch das Vereinnahmen von Gewinnausschüttungen. Inhaberschaft führt aber auch zu einer Verpflichtung, etwa sich operativ einzubinden, mindestens unternehmerisch entscheidungsfähig zu sein, Verantwortung eben auch für schwierige Entscheidungen zu übernehmen und auch Dividendenverzicht, gar Einlagenleistung zu üben, wenn es erforderlich wird.

Die Ursachen einer Anteilsübertragung innerhalb einer Unternehmerfamilie sind vielfältig. Erfolgte beispielsweise eine disproportionale Verteilung von Anteilen auf eine nachfolgende Generation, kann dies zu geringer (unternehmerischer) Bindung derjenigen Gesellschafter führen, die einen geringeren Anteil am Familienunternehmen besitzen. Bei Gleichverteilung können subjektive Ungerechtigkeiten wahrgenommen werden, wenn einzelne Gesellschafter einen großen operativen Beitrag für das Unternehmen erbringen und andere Gesellschafter eigenen (beruflichen) Interessen außerhalb des Familienunternehmens nachgehen. Ebenso gibt es Situationen, in denen alle Gesellschafter im Unternehmen tätig sind, dies aber mit unterschiedlicher (operativer) Hingabe wahrnehmen und eigentlich andere Neigungen haben und ausleben möchten. Häufig erfolgt der Anteilsübergang auf eine nachfolgende Generation in einer Situation, in der sich die Mitglieder ebendieser nachfolgenden Generation bereits in einer fortgeschritteneren Lebensphase und beruflichen Tätigkeit befinden und der Prozess der Anteilsübergabe nicht im Vorfeld gründlich vorbereitet worden ist.

Die mögliche Neuverteilung von Anteilen an Familienunternehmen (oder gar dem breiteren Familienvermögen) vorangestellt ist die Notwendigkeit einer zumeist intensiven inhaberstrategischen Auseinandersetzung, welche das Grundgerüst des Familienzusammenhalts berühren können. Wer möchte Gesellschafter sein? Welche Anforderungen stellen sich an einen Gesellschafter? Können Inhaberschaft und Entscheidungs- oder Stimmrecht etwa über Stimmrechtspooling getrennt werden? Wer möchte eine operative Funktion ausführen? Wer möchte und kann (fachlich) Entscheidungen über die Unternehmensstrategie entwickeln und tragen? Wer möchte und wer kann das Familienunternehmen beaufsichtigen? Das Themenspektrum ist breit – es betrifft die Inhaberfamilie als Ganzes, die Inhaber als Individuum und nicht zuletzt das Familienunternehmen, welches einen stabilen und entscheidungsfähigen Gesellschafterkreis benötigt.

Besteht am Ende des inhaberstrategischen Diskurses die Lösung in einer familieninternen Anteilsübertragung (etwa zwischen Geschwistern, Familienzweigen), verbleibt die Frage der Bewertungsfindung und Bewertungsangemessenheit. Lässt sich die ‚familieninterne Wertfindung‘ an Faktoren einer ‚marktorientierten Bewertung‘ auf Basis von Börsenmultiplikatoren koppeln? Welchen Eingang findet die ‚subjektiv‘ empfundene Fairness einer Vermögensaufteilung? Inwieweit ist ein eigener, bereits geleisteter Wertbeitrag für das Familienunternehmen zu bewerten? Inwieweit lassen sich Gefühle, Empfindungen in mathematische Modelle übertragen? Welche ‚exogenen‘ Faktoren sind zu berücksichtigen (steuerliche Bemessung, Finanzierungsfähigkeit)?

Es liegt auf der Hand, die Materie ist vielschichtig. Einfache Marktmechanismen wie EBITDA-Multiplikatoren funktionieren allein schon dann nicht ohne Weiteres, wenn beispielsweise ein EBITDA-Faktor 10 rechnerisch einen Faktor 20 auf das Nachsteuerergebnis bedeutet und somit (vereinfachend) über 20 Jahre Dividendenzufluss (sofern dieser stabil bleiben würde) durch einen Gesellschafter finanziert werden sollte. Hohe Bewertungen sind auch dann nicht ohne Weiteres möglich, wenn der erwerbende Gesellschafter diese eben durch Dividenden oder andere Formen des Zugangs zu Gesellschaftsmitteln (Darlehen durch das Familienunternehmen) finanziert und damit dem Familienunternehmen für Investitionen notwendige Liquidität entzieht oder sich das Familienunternehmen verschuldet und die Ausgleichszahlungen innerhalb der Gesellschafterfamilie vorfinanziert. 

In den allermeisten Fällen sind die Regelungen für eine Anteilsübertragung innerhalb des Gesellschafterkreises in einem Gesellschaftsvertrag abgebildet. Sie sind oftmals vor vielen Jahren getroffen worden und möglicherweise durch eine Veränderung der Gesellschafterzahl oder eine Vermögensveränderung nicht mehr aktuell und angemessen.

Bewertungsformeln für eine Abfindungsvergütung sind häufig einfach definiert, um diese möglichst verständlich zu halten. Aber diese dokumentierte Verständlichkeit führt in der praktischen Anwendung häufig zu Unverständnis. Vereinbarte Bewertungsabschläge, welche die Finanzierbarkeit eines Erwerbenden unterstützen, haben sich von einer Bewertung entfernt, die ein Dritter zahlen würde (siehe oben). Die Diskrepanz daraus kann zu hoher Unzufriedenheit des veräußerungswilligen Gesellschafters führen und den gesamten Übertragungsprozess verkomplizieren, selbst wenn darüber grundsätzliche Einigkeit besteht.

Konfliktträchtig für die Gespräche ist oft unter anderem, dass

  • Kennzahlen, die sich für die Wertfindung auf die vergangenen Geschäftsjahre beziehen, nicht das erwartete Wachstum und Innovationspotenzial berücksichtigen.
  • Kennzahlen, die auf der Ertragskraft beruhen, die tatsächliche Liquiditätsgenerierung und Ausschüttungsfähigkeit vernachlässigen.
  • sich häufig neben dem Familienunternehmen zusätzliche Vermögensstrukturen entwickelt haben, die in Leistungsbeziehungen mit dem Familienunternehmen stehen (etwa im Privatvermögen gehaltene Immobilien, Rechte, weitere Unternehmensbeteiligungen, Teilkonzerne) und die durch Leistungs- oder Finanzierungstransfers die Ertragskraft und Liquiditätssituation des Familienunternehmens beeinflussen.

Wenn auch Regelungen in Gesellschaftsverträgen oftmals bewusst einfach und unzweideutig formuliert sind, kann es in seltenen Fällen auch empfehlenswert sein, neue oder aktualisierte Lösungswege ‚in Eigenregie‘ zu suchen. Da es in dieser Situation häufig an der individuell notwendigen Distanz der betroffenen Personen fehlt, um Entscheidungs- und Lösungswege aufzuzeigen und mit hinreichender emotionaler Neutralität umzusetzen, ist es oftmals erforderlich, eine objektive Sichtweise von außen in die Diskussion einzubringen. In den vergangenen Jahrzehnten haben wir gemeinsam über 1.000 Beratungsprojekte mit und für Familienunternehmer und Unternehmerfamilien durchgeführt.

Gerne unterstützen wir bei einer Einschätzung!

PETER MAY The Family Business People


Ihre Ansprechpartner:innen

Jörg Hueber (J.HUEBER@PETERMAY-FOS.COM) ist Geschäftsführender Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service GmbH & Co. KG und befasst sich mit Themenstellungen der Angemessenheit und Aktualität der Vermögensverteilung in Inhaberfamilien, der Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen innerhalb der Familie, zu Abfindungsregelungen für Gesellschafter bei Kündigung ihrer Gesellschafterrolle, zu Fragestellungen der Öffnung des Gesellschafterkreises sowie mit Beratungsleistungen des Kaufs und Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen für Familienunternehmen, Inhaberfamilien und Family Offices. Vor seiner Tätigkeit in der PETER MAY Gruppe ist Jörg Hueber mehr als 20 Jahre in international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Privatbanken tätig gewesen und hat den M&A-Bereich eines börsennotierten Unternehmens verantwortet.

Isabel Wessel (I.WESSEL@PETERMAY-FOS.COM) ist Geschäftsführende Gesellschafterin der PETER MAY Family Office Service GmbH & Co. KG und befasst sich mit Themenstellungen der Vermögensübertragung und Vermögenssortierung insbesondere für Familienangehörige aus der Next Gen. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen in der Konzeption von Übertragungsszenarien, der Beteiligungsbewertung und Themenstellungen der Vermögenstransparenz sowie in der fachlichen Begleitung von Beteiligungsübertragungen innerhalb der Inhaberfamilie oder der selektiven Begleitung einer Anteilsveräußerung an Dritte. Vor ihrer Tätigkeit in der PETER MAY Gruppe verantwortete Isabel Wessel komplexe Unternehmensübertragungsprozesse in einer international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an den Standorten Hamburg und New York. 

Madleen Buchar (M.BUCHAR@PETERMAY-FOS.COM) ist Geschäftsführende Gesellschafterin der PETER MAY Family Office Service GmbH & Co. KG und befasst sich mit Themenstellungen der Vermögensübertragung und Vermögenssortierung für Unternehmerfamilien. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen in der Konzeption von Übertragungsszenarien, der Beteiligungsbewertung und Themenstellungen der Vermögenstransparenz sowie in der fachlichen Begleitung von Beteiligungsübertragungen innerhalb der Inhaberfamilie oder der selektiven Begleitung einer Anteilsveräußerung an Dritte. Vor ihrer Tätigkeit in der PETER MAY Gruppe verantwortete Madleen Buchar komplexe Unternehmensübertragungsprozesse in einer international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an den Standorten Hamburg und Madrid.