Für die Nachfolge gibt es viele Gestaltungmöglichkeiten

Prof. Dr. Peter May und Isabel Wessel – Gründungsmitglied der PETER MAY Family Office Service – im Gespräch über Nachfolgeregelungen in Familienunternehmen und die Neudefinition des Unternehmerbegriffs.

Peter May und Isabel Wessel

 

Isabel Wessel: Familienunternehmen definieren sich über ein generationsübergreifendes Unternehmerverständnis; eine erfolgreiche Nachfolgeregelung ist somit eine der Grundsäulen für ein erfolgreiches Familienunternehmen. Bei Familien mit einer Ein-Kind-Nachfolge scheint die Nachfolgeregelung vorgezeichnet. Jedoch kann es vorkommen, dass der potenzielle Nachfolger nicht den Willen oder gelegentlich auch nicht das nötige Wissen mitbringt, um das Familienunternehmen zu führen. Macht es für Dich und Deine Beratungstätigkeiten einen Unterschied, ob es an Willen oder an Qualifikation mangelt, die Nachfolge anzutreten?

Peter May: Beide Fälle, d.h. der fehlende Wille und die fehlende Qualifikation, müssen wir im Ergebnis gleichbehandeln. Bei den Vorgängergenerationen gab es die Frage nach dem ausdrücklichen Wunsch zur Nachfolge nicht, der designierte Nachfolger hatte keinen Anspruch auf Selbstverwirklichung. Häufig sind diese Nachfolger doch gescheitert, da sie keine guten Unternehmer geworden sind. Oder aber sie haben es hervorragend gemacht, waren aber ein Leben lang unglücklich mit ihrer Rolle. Heute ist dieser Folgeanspruch mit der Autorität der klassischen bürgerlichen Familie und patriarchischen Denkstrukturen nicht mehr präsent. Wenn heute jemand die Nachfolge nicht antreten will, dann sollte man das ernst nehmen. Zum nicht können: Im Grundgesetz steht, dass Eigentum und Erbrecht gewährleistet werden. Aber Eigentum verpflichtet und dazu gehört auch, dass wir Unternehmen nur in die Hände geben, die qualifiziert genug sind, das Unternehmen zu führen. Daher gehört für mich zur Unternehmerverpflichtung in der Nachfolge immer auch, die Frage zu stellen, ob wir einen Nachfolger oder eine Nachfolgerin haben, der wir die Verantwortung auch wirklich übertragen können.

Isabel Wessel: Wobei wir immer häufiger feststellen, dass die Rolle des Gesellschafters nicht zwingend an die Geschäftsführung geknüpft ist. Es gibt die Dreiteilung Gesellschafter, Geschäftsführer und (aktiver) Aufsichtsrat, die individuell je nach Kompetenz und Verlangen kombiniert werden können. Dies ermöglicht mehr Freiheitsgrade in einer Bestimmung des Rollenverständnisses.

Peter May: Ich glaube es ist ganz entscheidend zu vermitteln, dass Nachfolge nicht nur eine Schwarz-Weiß-Entscheidung ist, sondern dass es viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Ganz konkret denke ich an einen jungen Mann, der designierter Nachfolger war und auf Wunsch des Vaters Geschäftsführer des Familienunternehmens werden sollte, obwohl ihm diese Rolle nicht lag. Wir haben für ihn eine aktive Rolle im Aufsichtsrat entwickelt. Eine Entscheidung, die auch von seinen Eltern getragen wurde, die zwei Seelen in der Brust haben: das eigene Kind glücklich zu sehen, aber gleichzeitig auch den Erfolg des eigenen Unternehmens zu sichern.

Isabel Wessel: Wahrscheinlich findet man aber dennoch nicht immer eine Lösung, bei der eine Nachfolge erfolgreich innerhalb der Familie geregelt werden kann. Ist manchmal der Verkauf oder Teilverkauf des Unternehmens doch die bessere Entscheidung?

Peter May: Es ist mir wichtig zu betonen, dass es kein Selbstzweck ist, ein Familienunternehmen zu besitzen. Jedes Familienunternehmen hat den Anspruch den Best Owner zu haben; so wie jede Inhaberfamilie den Anspruch haben darf, das beste Asset zu besitzen. Und wenn eine Familie sich entscheidet, das Unternehmen zu verkaufen, dann ist dies ja nicht das Ende des Familienunternehmens. Die Familie hat nur die Art ihrer unternehmerischen Tätigkeit von einer Unternehmerfamilie zu einer Investorenfamilie gewandelt. So kommen wir von einer Unternehmensbetrachtung zu einer gesamten Vermögensbewirtschaftung, in der es manchmal auch zeitgemäß ist, einen Teil oder das gesamte Unternehmen zu verkaufen.

Isabel Wessel: Damit sehen wir im Grunde genommen eine Neudefinition des Unternehmerbegriffs. Es geht vielmehr darum, den unternehmerischen Geist an die nächste Generation weiterzugeben, als an einer 100-prozentigen Beteiligung am Unternehmen festzuhalten. Halte ich nur 51 Prozent an dem Familienunternehmen, kann ich mit dem Erlös aus dem Verkauf in andere Bereiche, in Immobilien, Aktien, Venture Capital oder ähnliches investieren. Dies schafft die Flexibilität, die der Nachfolgegeneration mehr Möglichkeiten und Freiheiten einräumt, sich zu entwickeln.

Peter May: Diese Form der Diversifikation stützt die Grundidee des Familienunternehmens: den Vermögenserhalt über Generationen. Wir leben gerade in einer Zeit, in der die Veränderungsgeschwindigkeit dramatisch zugenommen hat. Als Familienunternehmen muss ich eine Antwort finden, wie Risiken besser verteilt und Investitionen getätigt werden können. Das ist für mich die neue Form des Unternehmertums im 21. Jahrhundert, der Wandel vom Monounternehmen der Nachkriegswiederaufbaujahre zur Gesamtvermögensbewirtschaftung eines diversifizierten Portfolios in den Zeiten des Umbruchs des 21. Jahrhunderts.

Isabel Wessel: Nimmst du in Deiner Arbeit wahr, dass viele Unternehmen schon für diesen Schritt bereit sind? Oder haben die meisten Unternehmen Angst, einen externen Investor aufzunehmen?

Peter May: Ich glaube, das ist eine Generationenfrage. Die Generation der Väter tut sich damit schwer, Abschied von der traditionellen Unternehmerrolle zu nehmen. Sie haben das Unternehmen aufgebaut und sind durch ein Wertesystem geprägt, in dem das Abschiednehmen von der klassischen Unternehmerrolle als Niederlage empfunden wurde. Die jungen Unternehmerinnen und Unternehmer haben eine andere Denkweise, da sie vielfach an Business Schools in angelsächsischen Ländern studiert haben und dort sozialisiert wurden. Familien müssen nun lernen, diesen Konflikt zwischen den neuen und traditionellen Denkweisen auszuhalten. Das wird langfristig zu Veränderungen führen.

Isabel Wessel: Die Frage nach dem richtigen Investor scheint aber generationsübergreifend eine wichtige Frage zu sein, die sich häufig nicht nur durch Geld beantworten lässt. Vielmehr sehen wir, dass der kulturelle Fit und das Vertrauen in ein gemeinsames Wertesystem, sowohl auf Ebene des Unternehmens als auch auf Ebene des Gesellschafters beispielsweise in Hinblick auf die freiwillige Wahrnehmung sozialer und ökologischer Verantwortung, eine wichtigere Komponente darstellt.

Peter May: Man sieht deutlich, dass Family Equity bei Familien in den letzten Jahren sehr an Beliebtheit gewonnen hat. Hinter Family Equity stehen Familien als Investoren, die die gleichen Denkweisen, eine ähnliche Kultur, sowie oft einen längerfristigen Investitionshorizont haben als Private-Equity-Unternehmen. Familienunternehmer zu sein befreit allerdings nicht von Professionalität. Ich darf ein anderes Wertesystem haben und kann andere Entscheidungen treffen, darf aber nicht hinter den Kapitalmarktprofis zurückbleiben. Bernhard Simon, Aufsichtsratsvorsitzender von DACHSER, hat zum Beispiel sehr früh schon gesagt, dass man jederzeit kapitalmarktfähig sein muss, aber nicht vom Kapitalmarkt abhängig sein darf.

Isabel Wessel: Wir als PMFOS möchten Familien dabei unterstützen, sich professioneller aufzustellen und Transparenz zu schaffen. Dies sowohl auf Ebene des Familienunternehmens durch die Darstellung der Wertbeiträge ihres Geschäftsmodells, d.h. der Profitabilität von Einzelunternehmen, Teilkonzernen, Segmenten oder auch Produkten, als auch auf Ebene der Unternehmerfamilie, um mit einzelnen Familienmitgliedern die wirtschaftliche Vorteilhaftigkeit ihrer Vermögensallokation transparent und faktenbasiert zu diskutieren und Handlungsoptionen aufzuzeigen, die auch den vorhin erwähnten übergeordneten Fragestellungen einer Vermögensverwendung gerecht werden.

Peter May: Das ist ja auch der Grund, warum wir uns mit der PMFOS um die Beratungsleistungen zur finanziellen Organisation von Unternehmerfamilien, Familienunternehmen und Family Offices erweitert haben. Zusammen können wir Familien in ihrer wirtschaftlichen Entscheidung vollumfänglich beraten.