Die Gründung oder Übertragung eines Family Office in Unternehmerfamilien

Auch ein Family Office benötigt eine Inhaberstrategie. Was bei der Gründung oder Übertragung der Vermögensorganisation zu beachten ist, erklären Madleen Buchar und Jörg Hueber, Geschäftsführende Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service.

Madleen Buchar und Jörg Hueber

 

Viele Unternehmerfamilien haben neben ihrem Familienunternehmen, dem ‚Kernunternehmen‘, im Rahmen ihrer Vermögensdiversifikation oft auch weitere Vermögenswerte aufgebaut. Diese erstrecken sich zumeist über unterschiedliche Vermögensklassen von eher liquiden Vermögenswerten mit kurzfristiger Veräußerbarkeit (Kapitalmarktprodukte, kurzfristige Termineinlagen etc.) oder Sachwerten wie Immobilien oder Unternehmensbeteiligungen mit originär langfristigem Investitionshorizont. Je nach Komplexität werden diese durch Dienstleister wie Vermögensverwalter oder Banken außerhalb der Organisationssphäre der Inhaberfamilie betreut oder durch die Familie selbst bzw. durch ein eigenes, professionelles Family Office geführt.

In unserer täglichen Arbeit mit Unternehmerfamilien befassen wir uns oftmals mit vielschichtigen Vermögensübertragungen. Die Komplexität entsteht nicht allein zwingend aus der Vermögenssituation, sondern liegt gleichfalls in der Konstellation der Inhaberfamilie, sofern es zu einer Vermögensübertragung und Vermögensaufteilung in einer Unternehmerfamilie mit mehreren Mitgliedern und Vermögensberechtigten kommt - sei es durch eine Neuverteilung innerhalb der Familie durch Erbfolge, Nachfolge oder gewollter Vermögensablösung einzelner Familienmitglieder oder auch aus dem Verkauf von Unternehmensbeteiligungen oder des Familienunternehmens durch die Inhaberfamilie an Dritte. Nachdem es insbesondere in den 2000er Jahren zur Gründung einer Reihe von Single Family Offices gekommen ist, beobachten wir zunehmend die Übertragung eines bereits bestehenden Family Office innerhalb der Familie auf die nachfolgende Generation, die oftmals ein völlig anderes Verständnis der Vermögenszweckbestimmung und Anlagekriterien verfolgt.

 

Inhaberstrategie für das Family Office

Bevor die Ausgestaltung der Vermögensorganisation thematisiert wird, ist zunächst Klarheit darüber zu erzielen, wie die Inhaberfamilie sich selbst in Bezug auf ihr Vermögen organisiert. Hier stellen sich Fragen wie (Auszug):

  • Welche Familienmitglieder werden Gesellschafter im Family Office?
  • Organisiert sich die Familie gemeinsam oder werden Teile des Vermögens individuell durch einzelne Familienmitglieder betreut?
  • Welche Familienmitglieder übernehmen eine funktionale Rolle im Family Office (aktive Rolle in der Geschäftsführung bzw. Portfoliomanagement, Gremienfunktion im Aufsichtsrat oder Investment Komitee etc.)? Sind diese bereits fachlich dazu befähigt und welche Zeit möchten und können sie für eine solche Aufgabe in Anspruch nehmen?
  • Welche Informationsrechte erhalten Familienmitglieder, die keine aktive Rolle im Family Office einnehmen?
  • In welcher Form sind Vermögenszugriff und Entnahmemöglichkeiten zu regeln?

Gleichfalls sind insbesondere bei Vermögensübertragungen etwa auf die nachfolgende Inhabergeneration übergeordnete portfolio-strategische Fragen zu thematisieren:

  • Welche Vermögenswerte sollen fortgeführt werden? Wovon möchte sich die nächste Generation eher trennen und in welche Themenfelder neu investieren?
  • In welchen Bereichen ist das subjektiv empfundene Vermögensrisiko zu hoch?
  • In welche Themenfelder möchte – wie oben angesprochen - die ‚nachwachsende‘ Generation investiert sein bzw. durch Vermögensallokation Unterstützung leisten? Unterscheiden sich diese Themenschwerpunkte von der bisherigen Portfoliostruktur? Welche Auswirkungen haben neue Themensetzungen auf die Organisation des Family Offices, die Anforderungen an das Management und die Personalstruktur?

Es empfiehlt sich, diese Fragen im Rahmen einer auf die neue Situation angepassten Inhaberstrategie zu klären, um eine hierauf aufbauende Investmentstrategie zu erarbeiten, welche die Unterstützung aller Beteiligten findet. Eine solche Inhaberstrategie im Family Office ähnelt der für eine Unternehmerfamilie, hat aber wesentliche Unterschiede. Erst danach kann man beurteilen, ob, im ersten Schritt nach einem (Teil-)Verkauf oder sonstigem Anlass einer Vermögensübertragung, die Errichtung eines Gesellschafter-Büros ausreicht oder ob man die eigenständige Struktur eines Single Family Office errichten möchte.

 

Individualität der Ausgangslage

Es gibt kaum miteinander vergleichbare Ausgangslagen in Bezug auf die Diversität und Größe einer Familie, der Diversität und Größe des Vermögens und bisweilen auch der Internationalität von Familie (in Bezug auf Wohnsitze) und des bestehenden Vermögens (regionale Diversifikation). Gleiches gilt für die Zielstellungen der Inhaberstrategie, der Vermögensstrategie und damit der Anlagestrategie. Aus all diesen Facetten leiten sich individuelle Handlungsmuster ab, die bei der Ausgestaltung eines Family Offices oder einer ähnlichen Struktur zu berücksichtigen sind.

Für die Selektion des für eine individuelle Familie sinnvollen Weges gibt es daher in den seltensten Fällen eine uneingeschränkt passende Blaupause. Vielmehr ist es hilfreich, unterschiedliche Ausgestaltungsformen miteinander vergleichbar zu machen und aus Modellen und Erfahrungswerten mit Organisationsformen anderer Familien bzw. Family Offices abzuleiten.

Die nachstehenden Parameter stellen daher an dieser Stelle eine rein deskriptive und auch nur zusammengefasste und nicht vollständige Aufzählung von Einzelkriterien dar, die einerseits die Vielseitigkeit der Themenstellungen und ihrer Interdependenzen aufzeigt, andererseits in Auszügen einen Navigator darstellen solle, um für die individuelle Situationen eine passende Ausgestaltung zu finden.

 

Vermögensallokation und Vermögenscontrolling

Während im Rahmen des Familienunternehmens langjährige Branchenerfahrung und erfolgskritisches Wissen um das eigene Geschäftsmodell, die Wertschöpfung, Produkte und Kernmärkte von essenzieller Bedeutung waren, gewinnt jetzt die branchen- und geschäftsmodellübergreifende Investmentexpertise und das grundsätzliche Vermögensmanagement an Bedeutung. Dazu gehören etwa

  • Vermögensstrukturierung und Bestimmung des Umfangs des verfügbaren Kapitals
  • Kapitalbedarf der Gesellschafter, Entnahmen und Einlagen, Vermögenszuordnung
  • Strategische Asset Allocation (sachliche Bestimmung der Vermögensaufteilung nach Anlageschwerpunkten), individuelles Zielsystem der einzelnen Familienmitglieder und Übereinkunft für die Anlagephilosophie im Family Office
  • Bestimmung von Investitions- und Desinvestitionszeitpunkten
  • Laufende Portfoliosteuerung, Monitoring auf Portfolioebene
  • Vermögensbuchhaltung: Erfassung und Verbuchung von Vermögenstransaktionen
  • Reporting, Analyse, Dokumentation für steuerliche Erfassungen und Jahresabschlussvorbereitung
 
Personal und Organisation für das Family Office

Die Weiterentwicklung einer Unternehmerfamilie zur Investorenfamilie bedarf gleichfalls der Beantwortung einer Reihe organisatorischer Fragestellungen, angefangen von der Einbindung der Familie (siehe vorstehend), der Personalbesetzung bis zur Büroorganisation. Die Anforderungen unterscheiden sich hier in Teilen deutlich von denen im bestehenden oder früheren Kernunternehmen (Auszug):

  • Qualitative Kriterien an die Besetzung der Geschäftsführung und Zugang zu geeigneten Kandidaten
  • Ausgestaltung, Wettbewerbsfähigkeit und damit Üblichkeit der Ausgestaltung der Geschäftsführervergütung
  • Kriterien an die Besetzung des Beirats, Aufsichtsrats sowie dessen Vergütung
  • Individuelle Kriterien an die weitere Personalbesetzung im Family Office (Investment Manager, Administration, fachliche Expertise etwa in den Bereichen Steuern und Recht)
  • Zusammensetzung des Investment Komitees durch familieninterne und / oder externe Personen und fachliche Anforderungen an diese
  • Geschäftssitz des Family Office
  • Beraterauswahl für den laufenden Betrieb

 

Rechtliche Grundlagen (Auswahl)

Nachdem über die inhaltliche und operationale Ausstattung des Family Offices entschieden ist, stellen sich Fragen an die formale Ausgestaltung in rechtlicher und regulatorischer Hinsicht:

  • Wahl der Rechtsform in Abhängigkeit der Größe, der Diversität und Internationalität der Familie sowie des Vermögens
  • Rechtsformabhängige Gestaltung des Gesellschaftsvertrages
  • Publizitätsanforderungen
  • Aufsichtsrechtliche Vorgaben, Regulierung operativer Aufgaben
  • Ausführung von Familienverfassung, Erbverträgen, Eheverträgen, Überwachung der Testamente
  • Allgemeines Vertragsmanagement und Vollmachten

 

Steuerliche Grundsatzfragen (Auswahl)

Ungleich vielschichtiger ist die Behandlung der steuerlichen Bestandsaufnahme und Gestaltung auf Ebene des Family Offices, der Gesellschafter (mit all ihren persönlichen Belangen) und der Vermögensstruktur (Auswahl):

  • Bestimmung der Diversität der Familie für eine übergeordnete steuerliche Einordnung
  • Übergeordnete Bestandsaufnahme steuerlicher Sachverhalte bei Internationalität der Familie
  • Verdeckte Gewinnausschüttungen aus Leistungserbringung des Family Offices für die Familie
  • Einfluss der Rechtsform auf die Besteuerung auf Ebene des Family Office und der Familienmitglieder
  • Ausgewählte Themenbereiche der Einkommensteuer (Erstellung der Steuererklärung, Vor- und Nachteile „Make or buy“ in Abhängigkeit der Vermögenskomplexität, Überwachung steuerlicher Abzugsfähigkeit von Aufwand, Steuerung von Gewinn- und Verlustrealisation aus steuerlicher Sicht, Übersicht über Verlustvorträge und deren Abbau und Nutzung)
  • Steuerliche Auswirkungen aus Auslandswegzug (Wegzugbesteuerung, Auswirkungen auf Erbrecht, Güterrecht)
  • Ausgewählte Themenfelder bei Erbschaft und Schenkung (Steuerliche Begleitung von Erbschaften, Schenkungen, Koordinierung externer Parteien, vorweggenommene Erbfolge, Schonungsvermögen, zeitliche Übertragung, Nutzung von Freibeträgen, Nutzung von sachlichen Steuerbefreiungen etwa für Kunstgegenstände, Autosammlungen, Familienheim etc.), Finanzierung von Erbschaftsteuerlasten und Erbschaftsteuerplanung, investitionsabhängige Belastungsunterschiede und Nutzung von Betriebsvermögensvergünstigungen
  • Asset Allocation: Steuerliche und rechtliche Evaluation geeigneter Holding-Strukturen für einzelne Investmentklassen und Einzelinvestments

 

 
PETER MAY The Family Business People

Jede Familie ist individuell, die Vermögenssituation speziell. Wir begleiten Unternehmerfamilien auf Ihrem Weg zu einer Investorenfamilie als Ratgeber, Coach und Betreuer bis hin zum Koordinator entlang der vorstehenden Themenstellungen, teilen unsere über viele Jahre aufgebauten Erfahrungswerte aus Beobachtungen in vergleichbaren Konstellationen und unterstützen die Familien in der Bestimmung der Relevanz einzelner Fragestellungen, der weiteren Auswahl fachlicher Begleiter und in der Umsetzung ausgewählter Fragestellungen. Auch aus unseren eigenen Rollen als Mitglied in Aufsichtsräten, Beiräten und Investment Komitees innerhalb des PETER MAY Teams können wir unmittelbar und unter Wahrung aller Vertraulichkeit Erfahrungen weitergeben.

 
Ihre Ansprechpartner

Madleen Buchar (M.BUCHAR@PETERMAY-FOS.COM) ist Geschäftsführende Gesellschafterin der PETER MAY Family Office Service GmbH & Co. KG und befasst sich mit Themenstellungen der Vermögensübertragung und Vermögenssortierung für Unternehmerfamilien. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen in der Konzeption von Übertragungsszenarien, der Beteiligungsbewertung und Themenstellungen der Vermögenstransparenz sowie in der fachlichen Begleitung von Beteiligungsübertragungen innerhalb der Inhaberfamilie oder der selektiven Begleitung einer Anteilsveräußerung an Dritte. Vor ihrer Tätigkeit in der PETER MAY Gruppe verantwortete Madleen Buchar komplexe Unternehmensübertragungsprozesse in einer international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an den Standorten Hamburg und Madrid.

Jörg Hueber (J.HUEBER@PETERMAY-FOS.COM) ist Geschäftsführender Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service GmbH & Co. KG und befasst sich mit Themenstellungen der Angemessenheit und Aktualität der Vermögensverteilung in Inhaberfamilien, der Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen innerhalb der Familie, zu Abfindungsregelungen für Gesellschafter bei Kündigung ihrer Gesellschafterrolle, zu Fragestellungen der Öffnung des Gesellschafterkreises sowie mit Beratungsleistungen des Kaufs und Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen für Familienunternehmen, Inhaberfamilien und Family Offices. Vor seiner Tätigkeit in der PETER MAY Gruppe ist Jörg Hueber mehr als 20 Jahre in international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Privatbanken tätig gewesen und hat den M&A-Bereich eines börsennotierten Unternehmens verantwortet.