Lieber Matthias Händle, Ihre Familie hat vor einigen Jahren das familieneigene Handelsunternehmen an eine Beteiligungsgesellschaft veräußert. Was würden Sie anders organisieren, wenn Sie heute vor dieser Entscheidung stehen würden?
Matthias Händle: Die Situation ist heute eine andere. Die wirtschaftlichen Rahmendaten sind – mit und ohne den Einflüssen der COVID-Pandemie – ganz unterschiedlich, in der betreffenden Branche haben sich die Marktverhältnisse verändert und auch das Käuferuniversum ist in der Zwischenzeit noch ein Stück flexibler geworden als damals. Ich darf Ihnen aber sagen, meiner Familie und damit auch mir geht es sehr gut.
Was meinen Sie damit, wenn Sie die Flexibilität des Käuferuniversums ansprechen?
In der Zwischenzeit haben sich die Marktteilnehmer vermehrt, insbesondere auch in der Investorenklasse der Unternehmerfamilien und Family Offices, die sich zunehmend professionalisiert haben und gleichfalls in unternehmerische Direktbeteiligungen investieren. Losgelöst von Anzahl und Gattung der einzelnen Investoren ist auch die Bereitschaft gewachsen, die Beteiligungsstruktur offener zu diskutieren. Standen vor einigen Jahren mehrheitliche Beteiligungen im Vordergrund, um sich strategische Freiheitsgrade und Kontrolle zu sichern, erfolgte eine Rückbeteiligung der veräußernden Familie eher selten. Bisweilen erfolgte dieser eher noch in Form von Verkäuferdarlehen in gewissem Umfang, d.h. der Verkäufer finanzierte seinen eigenen Verkauf durch einen wenn auch kleineren Teil des Liquiditätszuflusses aus dem Verkauf – verbunden mit eher wenigen Kontroll- und Informationsrechten. Das hat sich heute insbesondere durch das Differenzierungsbestreben einzelner Investoren deutlich verändert.
Jörg Hueber: Weiterhin befindet sich die Anzahl investitionswilliger gegenüber veräußerungsbereiten Parteien in der Mehrzahl. Die Flexibilität sowohl hinsichtlich Anteilshöhe als auch das Investieren im Konzert mehrerer Adressen hat zugenommen. Beteiligungsgesellschaften bilden Fonds, in denen sie gemeinsam mit anderen Beteiligungsgesellschaften investieren, um auch größere Transaktionen zu stemmen. Gleichfalls ist die Bereitschaft gewachsen, Minderheitenbeteiligungen einzugehen und gelegentlich wird dabei gar auf Regelungen verzichtet, die bei Nichterreichung finanzieller Kennzahlen in Nachgang des Investitionszeitpunktes disproportionale Stimmrechte oder Liquiditätspräferenzen etwa bei Dividendenzahlungen oder Entnahmen vorsehen.
Lieber Matthias Händle, sehen Sie eine wachsende Bereitschaft in Unternehmerfamilien, den Gesellschafterkreis am Familienunternehmen, welches sich oftmals über Generationen im vollständigen Eigentum der Familie befindet, zu öffnen?
Wir bei PETER MAY versuchen zunächst immer die Inhaberstrategie in den Mittelpunkt zu stellen. Was wollen die einzelnen Gesellschafter und gibt es eine gemeinsame Vision für das Unternehmen und das Familienvermögen. Früher spielte das Vermögen außerhalb des Kernunternehmens oft eine untergeordnete Rolle, dies ist heute oft anders. Die grundsätzliche Fragestellung, die ich sehe ist doch: Ist es für die Sicherung des Familienvermögens richtig, das Vermögen zum Großteil im Familienunternehmen zu halten und damit auch zu binden oder ist auch eine Mehrheitsbeteiligung von 75 Prozent oder 51 Prozent hinreichend? Die weiteren Themen, die uns dann begegnen, sind: Wie lässt sich das Vermögen nachhaltig, sicher und in seiner Rendite ausgewogen diversifizieren und wie ist eine Diversifizierung zu organisieren? Wer könnte überhaupt ein neuer Gesellschafter im Familienunternehmen sein, der dem Leitbild des Unternehmens entspricht und die Werte der Familie teilt? Wie lässt sich ein solcher Investor finden, ohne einen breiten Interessentenkreis anzusprechen?
Dies klingt für viele Unternehmer fast wie Teufelszeug, hat man nicht zum Teil lange dafür gearbeitet, störende Gesellschafter auszukaufen. Somit wird klar, dass der individuelle Situation einer Familie eine wesentliche Rolle spielt, aber nicht zur die Diversifizierung des Unternehmens, sondern auch die des Familienvermögens gilt es immer wieder neu zu justieren.
Jörg Hueber: Ganz wichtig ist doch zu beachten: Die mehrheitliche Eigentümerschaft als wesentliches Bindeglied zwischen Unternehmerfamilie und Familienunternehmen bleibt unberührt bestehen. Und die Stimmrechtsmehrheit zur Ausübung von Kontrollrechten der Familie bleibt bei Veräußerung eines Minderheitenanteils (bei unveränderter Kopplung von Stimmrecht und Eigentum) unberührt.
Welche übergeordneten Beweggründe sehen Sie in Familienunternehmen, den Gesellschafterkreis für Dritte zu öffnen?
Jörg Hueber: Die Beweggründe können divers sein. Ich möchte an dieser Stelle nicht auf Fragestellungen der Interessenheterogenität einzelner Familienangehöriger eingehen, die in der heutigen Zeit sicherlich viel breiter ist als vor 20 oder 30 Jahren. Das ein Abkömmling der Familie die Unternehmensführung übernimmt oder gar Gesellschafter bleiben möchte, ist heute weniger gesetzt als früher. Es gibt auch gar nicht genug tragfähige Funktionen, die alle Abkömmlinge aufnehmen können.
Matthias Händle sprach das gewichtige Argument der Vermögensdiversifizierung an als Bestandteil der Vermögenssicherung. So gibt es eine Vielzahl rein finanzieller Beweggründe, sich von Anteilen am Familienunternehmen zu lösen. Neben der Vermögensallokation sehen wir den Wunsch einzelner Familienangehöriger (Kinder, Ehegatte) zur Verteilung liquiden Vermögens aus Veräußerungserlös zur persönlichen Disposition und Verwirklichung eigener Interessen. Auch die Abfindung ausstiegswilliger Gesellschafter führt gelegentlich zur Weitergabe der Anteile nach außen, wenn sich innerhalb der Familie kein investitionsbereiter Angehöriger findet. Ein weiterer Beweggrund könnte die Finanzierung höherer Steuerzahlungen sein, etwa im Rahmen einer Erbschaft.
Matthias Händle: In den letzten Jahren, in einzelnen Branchen auch heute, führen hohe Bewertungen dazu, dass die Veräußerungsbereitschaft einzelner Familienmitglieder steigt, um sich hohe Bewertungsniveaus zu sichern und einen Teil des Vermögens hinter die so oft zitierte Brandmauer zu bringen. Diese Überlegungen haben gerade durch COVID nochmal an Bedeutung zu genommen.
Jörg Hueber: Ein Liquiditätsereignis kann auch durch geschäftsstrategische Maßnahmen ausgelöst sein, etwa die Finanzierung einer größeren Investition über eine Barkapitalerhöhung oder die Ablösung von Bankdarlehen durch eben diese Maßnahme.
Wie findet sich der passende Investor, wer kann ein geeigneter neuer Investor sein?
Jörg Hueber: Die Beantwortung dieser Frage findet sich im Einzelfall. Ein eher langfristig orientierter Investor findet sich eher im Bereich einer anderen, investitionsbereiten Familie, die dies wiederum im Interesse ihrer eigenen Vermögensallokation angeht. Oder ein externes Single Family Office mit vergleichbarer Motivation. Erwerber könnte auch ein anderes Unternehmen sein, hier stehen dann meistens strategische Überlegungen beider im Vordergrund, die häufig eine geschäftsstrategische Neuausrichtung begründen. Oder man geht eine ‚Ehe auf Zeit‘ mit einer professionellen Beteiligungsgesellschaft ein, die oftmals als Katalysator für Effizienzerhöhung wirkt und damit auch darauf abzielt, den Unternehmenswert als Ganzes – und damit mindestens aus renditeorientierter Sicht – auch zum Vorteil des Mehrheitsgesellschafters zu erhöhen. Mit allen Investorengattungen geht mindestens einher, dass sich die Anforderungen an die Transparenz geschäftsbedingter Prozesse erhöht; das Informationsinteresse des Minderheitsgesellschafters wirkt mit seinen Ausstrahleffekten auch auf die Mehrheitsgesellschafter durch.
Matthias Händle: Das ja durchaus berechtigte Informationsinteresse des neuen Gesellschafters wirkt in der Tat auf den Mehrheitsgesellschafter durch, aber gelegentlich sogar auf Geschäftsführung oder mindestens die Controlling-Abteilung des Familienunternehmens. Professionelle Gesellschafter bringen zumeist spezielles Wissen ein und fördern mit ihrem eigenen Netzwerk die Geschäftsentwicklung des Familienunternehmens. In nicht wenigen Fällen, steigt die Professionalität.
Wir bemühten die Begrifflichkeit einer ‚Ehe auf Zeit‘, was ist darunter zu verstehen?
Jörg Hueber: Gelegentlich erhält ein Mehrheitsgesellschafter bei Erreichen eines Zeitpunktes oder eines Ereignisses ein Rückkaufsrecht an dem veräußerten Minderheitenanteil. Grundsätzlich hat der Minderheitsgesellschafter ein Interesse daran, seinen Anteil auch an einen Dritten zu veräußern, um mindestens seine Verhandlungsposition im Hinblick auf die Unternehmensbewertung zu erhöhen. Aber das ist eine Frage der Vereinbarung und der Ausgestaltung der Bewertung für den Verkaufsmoment. Eine große Herausforderung stellt es mithin dar, bereits heute eine Bewertungsformel zu vereinbaren, die in einem zukünftigen Moment wirken soll, in dem sich das Familienunternehmen als auch die Unternehmensumwelt und das Kapitalmarktniveau einer Bewertung verändert haben. Hier muss man sich Gedanken über eine gute Lösungsformel machen.
Gelegentlich begegnen uns auch für Minderheitenbeteiligungen sogenannte Evergreen-Strukturen, die eine Veräußerung der Minderheitsbeteiligung, die in entsprechenden Fonds gehalten werden, gar nicht vorsehen. Hier steht die dauerhafte Gesellschafterstabilität und nachhaltige Dividendenkontinuität im Vordergrund .Aber auch hier gibt es die Möglichkeit vordefinierter Öffnungsklauseln für einen Rückkauf.
Welche Funktion nimmt die PMFOS in diesen Prozessen, die Sie beschreiben, ein ?
Matthias Händle: Zunächst beleuchten wir gemeinsam mit der Familie die Situation in der Familie und im Familienunternehmen entsprechend der eingangs besprochenen Fragestellungen. Ist es weiterhin zeitgemäß, 100 Prozent am Familienunternehmen zu halten oder lässt sich durch die Veräußerung eines Minderheitenanteils ein Beitrag zu Vermögensdiversifizierung oder zur persönlichen Disposition einzelner Familienangehöriger erzeugen. Wir diskutieren mehr denn je anhand von Fakten und nicht in einer undefinierten Blase. Was ist das Unternehmen wirklich wert? Welche Schritte müssten gegangen werden und was bedeutet das Ganze steuerlich. In jedem Fall kommt man zu einer faktenbasierten Entscheidung. Niemand möchte sich später einmal vor den Spiegel stellen und sich die Frage beantworten müssen, hätte ich damals nicht genauer überlegen müssen. Eine regelmäßige Überprüfung der bestehenden Option, sollte bei aller verständlichen Bindung zum Unternehmen, zu den normalen Aufgaben einer Inhaberfamilie gehören. Nochmals, wir lieben Familienunternehmen und wir tun alles, dass diese auch in Familienhand bleiben, es ist dennoch hilfreich, nein notwendig sicher immer wieder mit allen Optionen auseinander zu setzen. Das ist Teil der strategischen Führung.
Jörg Hueber: Unser Haus unterstützt die Familie dann bei der Auswahl des passenden Neugesellschafters. Meistens finden wir diesen in unserem Netzwerk aus Familien und Family Offices, aber auch auf Familienunternehmen spezialisierte Beteiligungsgesellschaften. Danach bereiten wir finanzielle, steuerliche und rechtliche Informationen strategisch auf und legen diese strukturiert und der gebotenen Sensibilität und Vertraulichkeit entsprechend dar. Sofern eine Investmentbank, M&A-Boutique oder Wirtschaftsprüfungsgesellschaft eingebunden wird, teilen wir die von uns aufbereiteten Informationen und nehmen damit auch die Rolle eines Filters zwischen Familie und externen Beratern wahr. Danach unterstützen wir die Familie bei der Formulierung der Beteiligungsvereinbarung und legen die Strukturen an, die für die Verwaltung eines liquiden Vermögenzugangs erforderlich sind. Nach erfolgreichem Vollzug befassen wir uns dann gemeinsam mit unseren Mandanten mit der Wiederanlage des erzielten Liquiditätszuflusses in die Sphäre der Familie, wenn dies gewünscht ist.
Lieber Herr Hueber, lieber Herr Händle, vielen Dank für das Gespräch.
Kontakt:
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