Familienkapital für Familienunternehmen bei Öffnung des Gesellschafterkreises

In einer zunehmenden Anzahl deutscher Familienunternehmen besteht ein wachsendes Bedürfnis, sich mit Themenbereichen der Ausgewogenheit und Stabilität ihres Familienvermögens zu befassen. Dazu gehören nicht zuletzt auch Fragestellungen einer möglichen Vermögensübertragung innerhalb der Familie oder auch Gedanken einer Öffnung des Gesellschafterkreises an ihren Familienunternehmen für neue Gesellschafter von außen.

Anteilsverkauf

 

Nicht immer wollen alle Inhaber von Familienunternehmen auch wirklich Inhaber sein. Gesellschaftsanteile sind über Nachfolge und aus anderen Gründen einer Anteilsverteilung in einer Familie ‚zugegangen‘. Aber nicht immer fühlen sich alle Inhaber als Gesellschafter an einem Familienunternehmen mit ihrer Rolle umfänglich wohl. Inhaberschaft kann Privilegien mit sich führen wie operatives Gestalten, Verantwortungsübernahme und auch das Vereinnahmen von Gewinnausschüttungen. Inhaberschaft führt aber auch zu einer Verpflichtung, etwa sich operativ einzubinden, mindestens unternehmerisch entscheidungsfähig zu sein, Verantwortung eben auch für schwierige Entscheidungen zu übernehmen, Sorge für Beschäftigung der Belegschaft zu übernehmen und auch Dividendenverzicht, gar Einlagenleistung zu üben, wenn es erforderlich wird.

Vermögensübertragung innerhalb der Familie

Gesellschafter an einem Familienunternehmen zu sein bedeutet Verantwortungsübernahme. Sich in einer Unternehmerfamilie als Individuum nicht (mehr) als Gesellschafter zu sehen bedeutet gleichfalls Verantwortungsübernahme – die Verantwortung für eine Entscheidung zu übernehmen, für sich selbst, eigene (persönliche, berufliche oder auch unternehmerische) Wege außerhalb des Familienunternehmens zu gehen, verbunden mit der Entscheidung, sich selbst zurückzunehmen und eigene Anteile an andere Familienmitglieder zu übertragen, die sich mehr in das Familienunternehmen binden möchten und damit eine Stärkung des Gesellschafterkreises des Familienunternehmens zu ermöglichen.

Die Ursachen einer Anteilsübertragung innerhalb einer Unternehmerfamilie sind vielfältig. Erfolgte beispielsweise eine disproportionale Verteilung von Anteilen auf eine nachfolgende Generation, so kann dies zu geringer (unternehmerischer) Bindung derjenigen Gesellschafter führen, die einen geringeren Anteil am Familienunternehmen besitzen. Bei Gleichverteilung können subjektive Ungerechtigkeiten wahrgenommen werden, wenn einzelne Gesellschafter einen großen operativen Beitrag für das Unternehmen erbringen und andere Gesellschafter eigenen (beruflichen) Interessen außerhalb des Familienunternehmens nachgehen. Ebenso gibt es Situationen, in denen alle Gesellschafter im Unternehmen tätig sind, dies aber mit unterschiedlicher (operativer) Hingabe wahrnehmen und eigentlich andere Interessen haben und ausleben möchten. Häufig erfolgt der Anteilsübergang auf eine Generation in einer Situation, in der sich die Mitglieder ebendieser Generation bereits in einer fortgeschritteneren Lebensphase und demzufolge beruflichen Tätigkeit befinden und damit eigene berufliche Wege gegangen sind und der Prozess der Anteilsübergabe nicht im Vorfeld gründlich vorbereitet worden ist.

Die mögliche Neuverteilung von Anteilen an Familienunternehmen vorangestellt ist die Notwendigkeit eines zumeist intensiven Entscheidungsprozesses innerhalb der Gesellschafterfamilie, welche das Grundgerüst des Familienzusammenhalts berühren können: Wer möchte Gesellschafter sein? Welche Anforderungen stellen sich an einen Gesellschafter? Können Inhaberschaft und Entscheidungs- oder Stimmrecht etwa über Stimmrechtspooling getrennt werden? Wer möchte eine operative Funktion ausführen? Wer möchte und kann (fachlich) Entscheidungen über die Unternehmensstrategie entwickeln und tragen? Wer möchte und wer kann das Familienunternehmen beaufsichtigen? Das Themenspektrum ist breit – es betrifft die Inhaberfamilie als Ganzes, die Inhaber als Individuum und nicht zuletzt das Familienunternehmen, welches einen stabilen und entscheidungsfähigen Gesellschafterkreis benötigt.

Bewertungsfindung

Besteht am Ende eines Entscheidungsprozesses die Lösung in einer familieninternen Anteilsübertragung (etwa zwischen Geschwistern oder Familienzweigen), verbleibt die Frage der Bewertungsfindung und Bewertungsangemessenheit: Lässt sich die ‚familieninterne Wertfindung‘ an Faktoren einer ‚marktorientierten Bewertung‘ auf Basis von Börsenmultiplikatoren koppeln? Welchen Eingang findet die ‚subjektiv‘ empfundene Fairness einer Vermögensaufteilung? Inwieweit ist ein eigener, bereits geleisteter Wertbeitrag für das Familienunternehmen zu bewerten? Inwieweit lassen sich Gefühle und Empfindungen in mathematische Modelle übertragen? Welche ‚exogenen‘ Faktoren sind zu berücksichtigen (steuerliche Bemessung, Finanzierungsfähigkeit)?

Es liegt auf der Hand, die Materie ist vielschichtig. Einfache Marktmechanismen wie EBITDA-Multiplikatoren funktionieren allein schon dann nicht ohne Weiteres, wenn beispielsweise ein EBITDA-Faktor 10 rechnerisch einen Faktor 20 auf das Nachsteuerergebnis bedeutet und somit (vereinfachend und unter Annahme einer Vollausschüttung) über 20 Jahre Dividendenzufluss (sofern dieser stabil bleiben würde) durch einen Gesellschafter finanziert werden sollte. Hohe Bewertungen sind auch dann nicht ohne weiteres möglich, wenn der erwerbende Gesellschafter diese eben durch Dividenden oder andere Formen des Zugangs zu Gesellschaftsmitteln (Darlehen durch das Familienunternehmen) finanziert und damit dem Familienunternehmen für Investitionen notwendige Liquidität entzieht oder sich das Familienunternehmen verschuldet und die Ausgleichszahlungen innerhalb der Gesellschafterfamilie vorfinanziert. 

Die Öffnung des Gesellschafterkreises

Die größte Sorge, die Eigentümer mit der Aufnahme neuer Gesellschafter verbinden, ist die Sorge um den Verlust der über Generationen aufgebauten Werte, materieller wie auch immaterieller. Die meisten Familienunternehmen verfügen über eine besondere auf Wertschätzung und Respekt aufbauende Unternehmenskultur, in der Langfristigkeit und Nachhaltigkeit oft vor dem Primat der Gewinnmaximierung stehen. Der Gedanke, dass diese Kultur in nur kurzer Zeit von einem neuen Eigentümer zerstört werden könnte, ist vielen Unternehmerfamilien unerträglich. Wie ein Verkaufsprozess aussieht und vor allem, wie es nach dem Verkauf für das Unternehmen weitergeht, hängt sehr vom Typus des Käufers ab.

Grundsätzlich kommen als Käufer ‚traditionell‘ direkte Mitbewerber, Unternehmen aus einer angrenzenden Industrie oder auch in-/ausländische Private Equity Fonds in Betracht. Je nach Käufertypus ergeben sich unterschiedliche Vor- und Nachteile, die idealerweise mit der Gesellschafterfamilie vor Prozessbeginn gemeinsam erörtert und ausgelotet werden.

Hier gilt es, die unterschiedlichen und oft divergierenden Ziele der Gesellschafterfamilie auszutarieren und auf einen Nenner zu bringen. In einem möglichen Anteilsübertragungsprozess ist sicherzustellen, die Interessen aktueller und künftiger Gesellschafter im Blick zu behalten – beginnend bereits weit vor dem Verkauf über die Umsetzung hinweg bis hin zur Neuausrichtung danach. Bereits im Vorfeld sind die folgenden Fragen durch die Inhaberfamilie zu beantworten:

  • Wie kommen wir im Gesellschafterkreis im Vorfeld eines (Teil-)Verkaufs zum Ausgleich möglicherweise unterschiedlicher Interessen? Wie gehen wir mit unterschiedlichen Ansichten zwischen den Gesellschaftern oder Generationen um?
  • Welche Investorengattung passt am besten zur Inhaberfamilie und zum Familienunternehmen? Wie finden wir den richtigen Käufer, der die Zukunft unseres Familienunternehmens sichert, und welchen Anspruch an diesen formulieren wir im Gesellschafterkreis?

Family Equity Investoren

Seit Anfang 2022 ist die Kapitalbereitstellung durch Banken als auch Private Equity Gesellschaften, die überwiegend mit geliehenem Eigen- und Fremdkapital auf Zeit arbeiten, restriktiver geworden. Auf der anderen Seite hat sich seit etwa 10 Jahren die Organisation von Familienkapital (Family Equity) stark professionalisiert, die Bereitstellung von Investitionskapital über unternehmerische Direktbeteiligungen nimmt einen wachsenden Anteil in der Vermögensallokation größerer Stiftungen und Family Offices ein.

Family Equity, d.h. die Bereitstellung von Investitionskapital durch Family Offices, Familienstiftungen und Investorenkonsortien vermögender Unternehmerfamilien gewinnt zunehmend an Bedeutung. Die Akkumulation von Familienkapital außerhalb der eigenen Familienunternehmen, auch aus der Kapitalanlage von Veräußerungserlösen aus eigenen (vormaligen) Familienunternehmen, hat eine bisweilen signifikante Größenordnung eingenommen – die eigenen Kapazitäten, Strukturen und Personalressourcen für ein aktives Beteiligungsmanagement haben sich zunehmend institutionalisiert.

Lag die Motivation zur Gründung eines Family Offices vor 15 bis 20 Jahren noch in der Schaffung eines eher konservativen Vermögensgegengewichtes zum unternehmerischen Wagnis im Familien(kern-)unternehmen, so haben die Implikationen von globalen wirtschaftlichen und politischen Unsicherheiten dazu geführt, auch das unternehmerische Wagnis zu diversifizieren, in dem neben den Kernunternehmen weitere unternehmerische Beteiligungen eingegangen werden. Auch der Generationswechsel in Familien mit mehreren Abkömmlingen führt dazu, dass diese sich thematisch unterschiedlich unternehmerisch einsetzen wollen und diese Beteiligungen innerhalb von Family Office Strukturen bündeln. Und so ist in Deutschland mittlerweile eine mindestens dreistellige Anzahl an (teilweise sehr großen) Family Offices entstanden, die sich über Direktbeteiligungen allein oder über situative Investorenpools unternehmerischen einbringen. 

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Die Beteiligungskriterien von Family-Equity-Investoren sind in der Breite heterogener als in anderen Investorenklassen: Family-Equity-Investoren können eine aktivere oder eine begleitende Gesellschafterrolle einnehmen. Dies liegt in der eigenen Risikoneigung, dem eigenen fachlichen Kenntnisprofil, dem Vorhalten von Personalressourcen für ein Beteiligungsmanagement, dem zeitlichen (zumeist sehr langfristigen) Anlagehorizont und den individuellen Vorgaben von Kapitalerhalt und Mindestverzinsung begründet, wie auch in den Ansprüchen an Governance (Mitsprache, Aufsicht), der Gestaltung von Exit-Regelungen (sofern keine Evergreen-Struktur angezielt) und dem Fokus auf Minderheits- oder Mehrheitsbeteiligungen.

Teilweise beziehen sich Vorgaben auf Mindest- und Höchstbeteiligungsquoten, die sich (auch) über ein Design einer Beteiligungsstruktur (Beteiligung an Konzernmuttergesellschaft, Beteiligung auf Ebene von Geschäftsbereichen, Beteiligungen auf Ebene eines Investitionsvehikels neben dem Familienunternehmen) organisieren lassen. Diese ‚Flexibilität‘ in der Organisation des Transaktionsvehikels wird oftmals auch den Wünschen der kapitalsuchenden Familienunternehmern gerecht, die bei Öffnung einer Sparte ihres Familienunternehmens für die Aufnahme eines neuen Gesellschafters weiterhin zu 100 Prozent Eigentümer an der Muttergesellschaft bleiben. Üblich sind auch Rückkaufsoptionen für die Inhaberfamilie, indem der Rückerwerb über einen vereinbarten Zeitraum über kumulierte Dividenden refinanziert wird. Zudem sind die Entscheidungswege kurz und schnell, neben der Geschäftsführung des Family Offices bzw. ihres Investment Komitees obliegt der (zumeist einen) Prinzipalfamilie die Entscheidungshoheit – wobei häufig teilweise oder überwiegend Personen- oder mindestens ‚Familiengleichheit‘ zwischen diesen Instanzen besteht.

Kapitalerhöhung durch (fremdes) Eigenkapital

Die Investitionsbedarfe vieler Familienunternehmen haben sich insbesondere angetrieben durch exogene Faktoren in vielfältiger Weise erhöht: Risikominimierung von Liefer- und Produktionsketten durch die Errichtung internationaler Standorte, digitale Transformationen, grüne Energien, höhere Finanzierungsflexibilität für gestiegene Vorratshaltung führen zu einem wachsenden Finanzierungsbedarf, den die Familienunternehmen nicht immer aus eigenen Mitteln darstellen können und wollen. Und auch die Bereitschaft und finanzielle Fähigkeit der Kapitalbereitstellung aus dem Privatvermögen der Gesellschafter hat bisweilen Grenzen.

Gleichzeitig besteht zum Teil Zurückhaltung in der Vergabe von Darlehen durch kreditgebende Banken, um diese strategischen Maßnahmen finanzieren zu können, verbundenen mit stark gestiegenen Kapitalkosten und restriktiveren Covenants. Zurückhaltung in der Bankenfinanzierung wirkt mittelbar auch auf die Investitionsbereitschaft bzw. Bewertungen von Finanzinvestoren. Und auch an dieser Stelle tritt mit einer (temporären oder dauerhaften) Aufnahme von Family Equity eine Beteiligungsvariante hinzu, die den Anforderungen kapitalsuchenden Familienunternehmen nach Stetigkeit und Verlässlichkeit entspricht.

Die kapitalaufnehmenden Familienunternehmen sind dabei keineswegs ‚in liquider Not‘. Im Hinblick auf ihre bilanzielle Stabilität zahlt es sich aus, über Jahre und Jahrzehnte für eine starke Eigenkapitalquote gesorgt zu haben. Nicht selten erhält der Familienunternehmer eine Vergütung durch Tätigkeit für das Unternehmen und nicht durch Entnahmen aus dem Unternehmen aus einer puren Gesellschafterrolle heraus – teilweise ist dies in Gesellschaftsverträgen oder einer Familienverfassung determiniert, die Thesaurierungsquote dementsprechend oft hoch. Zudem haben viele Unternehmerfamilien begonnen, im Sinne der Enkelfähigkeit ihres Familienvermögens Investitionskapital neben dem Familienkernunternehmen anzusammeln, um das Gesamtvermögen durch Diversifikation in unterschiedliche Assetklassen zu sichern – auch etwa als Family-Equity-Investitionskapital für andere Familienunternehmen. Das in diesen Anlagen außerhalb des Familienunternehmens investierte Kapital soll nun nicht oder nicht übermäßig in das Familienunternehmen zurückgerufen werden  - dies würde auch dem vorgenannten Diversifikationsgedanken entgegenlaufen.

Fazit

Mit Family Equity hat sich eine Beteiligungs- und damit Finanzierungsmöglichkeit für kapitalsuchende Familienunternehmen entwickelt, die weiter an Bedeutung gewinnt. Die Anzahl der Transaktionen, über die öffentlich berichtet wird, nimmt gleichfalls zu, wobei der übergroße Teil der Beteiligungswechsel außerhalb der allgemeinen Berichterstattung erfolgt.

Family Equity Investoren sind Investoren aus der Welt der Familienunternehmen, die eben gerade das Werteverständnis eines Familienunternehmers in sich tragen, weil sie selbst zu dieser Gruppe gehören. Diese grundlegende Charaktereigenschaft eines auf Langfristigkeit, Vertraulichkeit, Vertrautheit, Integrität, Nachhaltigkeit und Ausgleich ausgelegten Unternehmerverständnisses gewinnt allein deswegen an Relevanz in der Fragestellung, wer ein geeigneter Partner innerhalb des Gesellschafterkreises eines sich öffnenden Familienunternehmens sein kann.

Über die Autoren

Jörg Hueber ist geschäftsführender Gesellschafter in der PETER MAY Gruppe und befasst sich mit Fragestellungen und Umsetzung der Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen an Family Offices, familiennahen Beteiligungsgesellschaften und Stiftungen. Die PETER MAY Gruppe verfügt aufgrund ihrer jahrzehntelangen vertrauensvollen Zusammenarbeit mit Unternehmerfamilien über einen einzigartigen Zugang zu Investoren aus der Welt der Familienunternehmen. Vor seinem Eintritt in die PETER MAY Gruppe ist Jörg Hueber in internationalen Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (EY, KPMG), Investmentbanken (UniCredit, Berenberg) und als Head of M&A eines börsennotierten Unternehmens (HHLA) tätig gewesen.

Silke Krüger ist unabhängige Expertin für Eigenkapitaltransaktionen innerhalb der PETER MAY Gruppe und verfügt über vertrauensvolle Zugänge zu zahlreichen deutschen und internationalen Family Equity Investoren. Nach 15 Jahren erfolgreicher Tätigkeit für Berenberg mit Leitungsfunktionen und Verantwortungsbereichen innerhalb des Wealth Managements und des Investment Bankings in Hamburg, Frankfurt, London und New York, wechselte Silke Krüger in die Position des Managing Directors als Head of Large & Mid Cap Corporate Advisory Deutschland und Österreich sowie als Mitglied des Executive Commitees Corporate und Institutional Banking zur größten kontinentaleuropäischen Bank BNP Paribas S.A.. Hier etablierte Silke Krüger u.a. die strategische Investment Banking Beratung für Familienunternehmen, Family Offices und börsennotierte Unternehmen in dem Kernwachstumsmarkt der Bank in Europa.

 

Dieser Beitrag wurde veröffentlicht in: LebensWerk // Ausgabe 04/23