Die Bereitstellung von Familienkapital für unternehmerische Beteiligungen

Die Erfahrungen aus der Aufnahme familienfremder Gesellschafter in das eigene Familienunternehmen überträgt die Inhaberfamilie nun als Investorenfamilie in ihre eigene Beteiligungsstrategie, indem sie sich neben ihrem Familien(kern-)unternehmen an weiteren Unternehmen beteiligt und ihr Vermögen unternehmerisch diversifiziert. Über diese Entwicklung und damit verbundene Erfahrungswerte haben sich Moritz Koch, Vorsitzender des Verwaltungsrats der KAEFER SE & Co. KG und Jörg Hueber, Geschäftsführender Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service ausgetauscht.

Die Bereitstellung von Familienkapital für unternehmerische Beteiligungen

 

Die Öffnung des Gesellschafterkreises für neue Investoren ermöglichte dem Familienunternehmen KAEFER SE & Co. KG die Generierung zusätzlichen Investitionskapitals über eine Kapitalerhöhung, um die eigene Marktpositionierung zu stärken. Gleichfalls hat die Inhaberfamilie die Möglichkeit genutzt, Beteiligungskapital aus einer Teilveräußerung von Anteilen dafür einzusetzen, das eigene unternehmerische Wagnis zu diversifizieren und in unternehmerische Themengebiete außerhalb des Familien(kern-)unternehmens über die neu gegründete Familienholding VAERING zu realisieren. Neben die Unternehmerfamilie ist damit ‚in Personalunion‘ zugleich eine Investorenfamilie getreten. 

 

Jörg Hueber: Lieber Moritz Koch, unser Gespräch schließt sich unserem ersten Gesprächsbeitrag aus 2022 an, welches wir an dieser Stelle fortsetzen, um die Entwicklung Ihrer Familienholding zu begleiten (Anm.: Quelle am Ende dieses Beitrages). Wir möchten kurz noch einmal die Beweggründe für die Öffnung des Gesellschafterkreises an Ihrem Familienunternehmen zusammenfassen sowie die Kriterien, die Sie als Inhaberfamilie an die neuen Gesellschafter gestellt haben, aufnehmen. In einem zweiten Teil beleuchten wir dann, wie Sie diese Erfahrungen in Ihre eigene Beteiligungstätigkeit über Ihr neu eingerichtetes Family Office übertragen, über welches Sie und Ihre Familie unternehmerische Direktbeteiligungen neben dem Familien(Kern-)unternehmen eingehen.

In 2021 entschied sich Ihre Familie, den Gesellschafterkreis Ihres 1918 gegründeten Familienunternehmens KAEFER Isoliertechnik, einem global agierenden Anbieter technischer Industriedienstleistungen mit 30.000 Mitarbeitenden und etwa EUR 2 Mrd Umsatz, für außenstehende Gesellschafter zu öffnen. Über eine Kombination aus Teilverkauf der Familie und Kapitalerhöhung sind mit dem Familienunternehmen SMS Group aus Düsseldorf sowie dem schwedischen Private Equity Investor Altor mit jeweils 25% zwei familienfremde Investoren in den Gesellschafterkreis eingetreten, womit die Inhaberfamilie ihren Anteil als auch Stimmrechte auf 50% verringerte.

Der durch den Teilverkauf generierte Verkaufserlös wurde unter dem Dach einer neu gegründeten Familienholding VAERING zu wesentlichen Teilen in das ebenfalls neu gegründete Family Office für Zwecke der Vermögensdiversifikation übertragen, wobei wiederum der mehrheitliche Teil dieses Vermögens in unternehmerische Beteiligungen thematisch und wirtschaftlich unabhängig vom (Kern-)Familienunternehmen investiert werden soll bzw. investiert wird.

Lassen Sie mich aufgrund der ‚Seltenheit‘ der gewählten Gesellschafterkonstellation eines 50/25/25 und der Zusammensetzung aus Inhaberfamilie (mit mehreren Gesellschaftern), Finanzinvestor und (strategisch motivierten) Familieninvestor mit einer eher technischen und detailbezogenen Fragestellung beginnen, die sich aus Sicht von Entscheidungs- und Kontrollrechten, Abhängigkeiten und konsensualen Erwartungen im Gesellschafterkreis ‚aufdrängen‘: Erfolgte eine proportional zu den Anteilsverhältnissen neu sortierte und gleichberechtigte Aufteilung der Stimmrechte? Verfügt die Inhaberfamilie für ausgewählte Geschäftsvorfälle oder Situationen über ein Mehrstimmrecht und wie werden denkbare Pattsituationen vermieden, insbesondere wenn es um für das Familienunternehmen essentielle und zeitkritische Entscheidungen geht? Und wie ist die Stimmrechtsbündelung in ihrer auf mehrere Familienzweige verteilten Anteile und Stimmen sichergestellt?

Moritz Koch: Wir haben den Gesellschafterkreis unseres Familienunternehmens mit zwei Zielen geöffnet: Zum einen wollten wir die Kapitalbasis von KAEFER stärken, um so die Basis für weiteres organisches und anorganisches Wachstum zu schaffen. Und zum zweiten wollten wir unser unternehmerisches Familienvermögen diversifizieren. All das organisieren wir aus unserer Familienholding heraus, um eine einheitliche Stimmbildung und Repräsentanz der Familie sowohl gegenüber KAEFER als auch unseren neuen Beteiligungen der VAERING zu gewährleisten.

Die Entscheidung bei der Öffnung des Gesellschafterkreises fiel auf SMS und Altor, weil wir so sowohl industrielles Know-how als auch zusätzliches, relativ langfristig orientiertes Finanzkapital mit industrieller Prägung und Fokus auf Dekarbonisierung und ESG kombinieren konnten.

Die 50/50 Gesellschafterverhältnisse finden sich bei KAEFER im Verwaltungsrat, den ich als Vorsitzender leite, wieder. Wir haben den Verwaltungsrat zu den allergrößten Teilen mit extern berufenen Experten besetzt. Es geht um die inhaltliche Arbeit zum Wohle der Firma. Die Zusammenarbeit läuft sehr gut. Wir haben bereits wesentliche Veränderungen und Weiterentwicklungen gemeinsam auf den Weg gebracht. Die ersten Ergebnisse können sich sehen lassen.

Sollte es zu einer Pattsituation kommen, die wegen der Besetzung unwahrscheinlich ist, muss die Geschäftsführung für eine Zeit auch ohne das Votum des Verwaltungsrats handlungsfähig sein. Dafür haben wir im Sinne des Unternehmens, seiner Mitarbeiter und seiner Gesellschafter gesorgt. 

Jörg Hueber: Welche wesentlichen qualitativen Kriterien hat Ihre Familie an die Entscheidungsfindung über die ‚richtigen‘ Investoren gestellt? Haben Sie gemeinsam ‚Holy Cows‘ definiert, die unbedingt von einem Investor eingehalten werden müssen? Gab es Erwartungshaltungen über das individuelle Rollenverständnis der einzelnen Familienmitglieder, die die Investoren einzuhalten haben, etwa in der Besetzung von Gremien, funktionalen Rollen oder Karrierewege für die NextGen?

Moritz Koch: Bei uns gibt es keine heiligen Kühe. Als Unternehmerfamilie sind wir es gewohnt, uns permanent den Herausforderungen der internationalen Märkte zu stellen, uns selbst anzupassen und Veränderungen zu managen. Dabei müssen wir gleichermaßen flexibel, zukunftsorientiert und zielgerichtet arbeiten.

Uns war lediglich wichtig, dass wir trotz der Öffnung des Gesellschafterkreises bei KAEFER den Charakter des Familienunternehmens nicht verlieren. Dieser ist wichtig für die Mitarbeiterbindung. Es macht einen Unterschied, wenn man als Mitarbeiter weiß, dass die Unternehmens-Prioritäten nicht nur durch die kühlen Rationalen der Kapitalmärkte und ihrer Stellvertreter geprägt sind, sondern dass wir auch großen Wert auf die Sicherheit und das Wohlergehen unserer Mitarbeiter legen.

Zudem war uns als Familie wichtig, dass wir auch langfristig eine Plattform haben, die uns allein gehört und auf der wir unabhängig von Dritten entscheiden können. Zu diesem Zweck haben wir die Holdinggesellschaft gegründet, von der aus wir unsere gesamten unternehmerischen Aktivitäten der Unternehmerfamilie steuern. Die Gründung der gemeinsamen Holding war eine wichtige Voraussetzung, um den Investorenprozess abzuschließen und mit dem frei gewordenen Kapital in das Beteiligungsgeschäft einsteigen zu können. Der Vorlauf der Planung und Abstimmung hierzu hat durchaus einiges an Zeit und Kraft gekostet.

Die Lösung vom operativen Geschäft, die bereits unsere Eltern in den 90er Jahren begonnen hatten, haben wir durch diesen Schritt nochmals auf ein weiteres Level gehoben. Unsere Gesellschafter agieren heute unabhängig und selbstbestimmt. Sie gehen ihren individuellen Lebens- und Karrierepfaden nach. Aber sie haben auch eine gemeinsame Basis, auf welche wir alle zusammenkommen und unsere unternehmerischen Zukunftspläne schmieden können. Die Wahrnehmung der daraus resultierenden Aufgaben delegieren wir dann an die von uns berufenen Stellvertreter. Diese rekrutieren wir entweder aus der Familie oder extern.

Jörg Hueber: Nehmen Sie eine Veränderung in der emotionalen Beziehung Ihrer Familie gegenüber ihrem Familienunternehmen durch die Aufnahme familienfremder Gesellschafter wahr?

Moritz Koch: Zunächst blicken wir gemeinsam mit ein wenig Stolz darauf zurück, was wir gemeinsam geschaffen haben. Wir haben unser Familienunternehmen signifikant gestärkt. Die Früchte davon können wir bereits heute sehen und blicken der weiteren Entwicklung mit freudiger Erwartung entgegen.

Zudem haben wir mit der Familienholding die Möglichkeit geschaffen, in neue Zukunftsmärkte zu investieren, die vor allem von der nachhaltigen Transformation unserer heutigen Wirtschaft geprägt sind. Auch das macht uns viel Freude, auch wenn wir Respekt vor dem Neuland haben, das wir hier betreten.

Emotional hat sich unser Innenverhältnis etwas entspannt. Die engen Fesseln des Familienunternehmens, in das wir v.a. in der dritten Generation „hineingeboren“ wurden, sind gefallen. Wir haben diese durch neue Regeln, die den Rahmen für unsere künftigen gemeinsamen Aktivitäten bilden, ersetzt.

Wichtig war auch, dass wir bei den ganzen Neuerungen, die wir angestoßen haben, die Orientierung nicht verlieren. Hierbei war die Etablierung und Wahl eines Familiensprechers wichtig, der im Auftrag der Familie die diversen Projekte und Aktivitäten steuert und überwacht und der Familie gegenüber regelmäßig Auskunft über den Fortschritt gibt. Diese Aufgabe ist mir zugefallen. Ich nehme diese im Dienste der Unternehmerfamilie gerne wahr, auch wenn ich mich am Anfang noch nicht genau wusste, auf was ich mich da einlasse.

Jörg Hueber: Aus welchem Blickwinkel beobachtet Ihre Vorgängergeneration, Ihr Vater und Ihr Onkel, auf die Entwicklung der letzten beiden Jahre?

Moritz Koch: Den Prozess haben wir aus der dritten Generation heraus angetrieben. Entscheiden mussten wir am Ende alle gemeinsam. Das ging nur, weil wir uns als Familie den Herausforderungen gestellt und die zukünftigen Perspektiven über die Traditionen der Vergangenheit gestellt haben.

Dass es heute unserem Familienunternehmen so gut geht, erleichtert uns allen vielleicht noch etwas den retrospektiven Blick auf die mitunter nicht ganz leichten Entscheidungen, die zu treffen waren.

Jörg Hueber: Wir haben uns eben über die Erwartungen Ihrer Familie an Ihre Investoren bzw. Ihre neuen Gesellschafter unterhalten und dabei auch die Erwartungen Ihrer Investoren an Ihre Inhaberfamilien aufgenommen. Mit der Gründung von VAERING ist aus Ihrer unternehmerisch geprägten Familie nun auch eine Investorenfamilie geworden.

Moritz Koch: Das ist richtig. Unser Blick hat sich geweitet. Und wir sind um einige Erfahrungen reicher.

Heute sind wir in der Lage, unser unternehmerisches Know-how als Investorenfamilie zu nutzen, um auch anderen Unternehmen und ihren Gesellschaftern im Bereich Wachstum und Nachfolge zu helfen. Dass der Schritt zur Öffnung des Gesellschafterkreises dabei kein einfacher ist, wissen wir aus eigener Erfahrung und können entsprechend mit den Vorbehalten und Sorgen unserer Gesprächspartner gut umgehen. Diese Kompetenz aber auch die Kultur im Umgang damit stärken uns.

Jörg Hueber: Um dies noch besser einordnen zu können, sprechen wir noch kurz über die Investitionsstrategie von VAERING.

Moritz Koch: Wir haben unsere Investitionsstrategie schon vor Gründung unserer Beteiligungsholding VAERING definiert. Das war vielleicht etwas unüblich aber für uns unerlässlich. Niemand aus der Familie wollte nämlich die „Katze im Sack“ kaufen. Und natürlich entwickelt sich unsere einmal definierte Strategie immer weiter, in letzter Zeit vor allem beeinflusst durch unsere zunehmende Praxiserfahrung und unser operatives Investment-Team, dass wir inzwischen in der Familienholding aufgebaut haben.

Unsere Investitionsstrategie basiert im Kern auf einem unternehmerischen Ansatz, den wir über Direktbeteiligungen bei mittelständischen Unternehmen umsetzen. Dabei sind wir zunächst über Co-Investments gemeinsam mit anderen Unternehmerfamilien gestartet. So konnten wir auch mit einem kleinen Team zügig starten, Erfahrungen sammeln, unser Netzwerk und unseren Horizont erweitern.

Inzwischen haben wir begonnen, eigene Beteiligungen zu strukturieren und umzusetzen. Das ist uns möglich geworden, weil wir inzwischen ein durchaus leistungsfähiges, eigenes Beteiligungsteam aufgebaut haben, in dem wir die notwendigen analytischen und transaktionalen Kompetenzen und Kapazitäten bündeln.

Für das Jahr 2024 haben wir uns vorgenommen, weitere Beteiligungen einzugehen und selbst als sog. „Leadinvestor“ zu agieren, um auch andere Unternehmerfamilien zu Co-Investments einladen zu können. So hoffen wir, gezielt weiteres Know-how verbunden mit zusätzlichem Kapital gewinnen zu können, um die Beteiligungsunternehmen optimal auf ihrem Entwicklungspfad zu unterstützen.

Jörg Hueber: Ich möchte gleich auf die Investitionsstrategie zurückkommen, aber noch einen Aspekt einschieben, weil dies für die Realisierung der Strategie wichtig ist: Welche Eindrücke nehmen Sie auf, wenn Sie sich mit einer Inhaberfamilie über einen möglichen Einstieg mit VAERING als neuen Gesellschafter austauschen? Denken wir an die Kategorien der Teilung von Entscheidungshoheit, der Teilung von Kontrolle und Stimmrechten, der Sicherstellung der eigenen Mitarbeit, Freiheitsgraden für die Entwicklung der NextGen etc.?

Moritz Koch: Bei den Unternehmen, die wir uns anschauen, geht es typischerweise entweder um Wachstum oder um Nachfolge. Dabei unterscheiden sich die Eindrücke in diesen Fällen doch recht deutlich.

Wenn wir über Wachstumsunternehmen sprechen, dann ist den Beteiligten in der Regel klar, dass zusätzliches Eigenkapital von einem neuen Mitgesellschafter gebraucht wird, um die Wachstumschancen des Unternehmens nutzen zu können. Und dass das geplante Wachstum ohne dieses zusätzliche Eigenkapital nicht realisierbar wäre. Es geht also um die Wahrnehmung einer Chance, bei der man die Risiken durch negative Einflüsse seitens des neuen Mitgesellschafters begrenzen möchte. Entsprechend legen die Beteiligten viel Wert darauf, die Einstiegsmotive des neuen Mitgesellschafters kennenzulernen und gleichzeitig sicherzustellen, dass sie trotzdem im Zweifel „das Sagen“ behalten. Hier müssen Lösungen gefunden werden, die eine effektive Zusammenarbeit sicherstellen und berücksichtigen, dass wir mehr als Kapital einzubringen haben. Wir streben immer eine Partnerschaft auf Augenhöhe an.

Bei Nachfolgesituationen sieht das etwas anders aus. Der bisherige Haupteigentümer hat seine Verantwortung erkannt, rechtzeitig die Fortführung des Unternehmens unabhängig von seiner Person zu organisieren. Und er ist auch zu entsprechenden Schritten bereit. Dafür braucht er einen externen, langfristig orientierten Partner, dem er zutraut, sein Unternehmen in guter Weise fortzuführen. Er ist gedanklich bereit, den Staffelstab zu übergeben, würde aber meist gerne noch eine Weile operativ in der Führung bleiben. Hier ist es wichtig, ein möglichst konkretes Modell der Übergabe zu definieren, welches eine gute Zusammenarbeit ermöglicht und gleichzeitig sicherstellt, dass die Verantwortung planmäßig und im gegenseitigen Einvernehmen übergeht.

Die Belange der NextGen spielten bei den Fällen, die wir uns bisher angesehen haben, weniger eine Rolle. Meist waren die Mitglieder der nächsten Generation am Unternehmen nicht besonders interessiert, oder es gab andere Gründe.

Bei fast allen Fällen, die wir uns bisher angesehen haben, war unsere Beobachtung, dass meist von einem „Family Office“ erwartet wird, dass es in vielen sog. Assetklassen investiert und Direktbeteiligungen nur eine Nebenaktivität sind. Das ist bei uns ganz anders. Wir sehen uns daher auch nicht als Family Office sondern als unternehmerischer Partner, der sich voll auf Direktbeteiligungen konzentriert und sich entsprechend aktiv um seine Beteiligungsunternehmen kümmert. Dabei bringen wir gerne alles ein, was wir im Gepäck haben. Neben dem Kapital ist das vor allem unsere Kompetenz als Unternehmerfamilie, die sich in vielen Facetten von Wachstum und Vertrieb über Führungs- und Organisationsfragen bis in die Bereiche Governance und Finanzierung äußern kann. Und nicht zuletzt die Kultur langfristiger Orientierung und guter, unternehmersicher Zusammenarbeit mit Respekt vor den Menschen, die uns antreibt.

All dies muss in Unternehmergesprächen erörtert und im Ergebnis auch in den Regeln der Zusammenarbeit, die typischerweise in einer neuen Satzung, einer Gesellschaftervereinbarung und einer Beiratsordnung münden, festgehalten werden. Dazu addieren wir in der Regel eine sog. „Strategic Roadmap“, in der wir die gemeinsame Sicht auf die strategischen Entwicklungsperspektiven und die konkreten Maßnahmen zu deren Realisierung festhalten. Wenn man das gemeinsam schafft, ist ein guter Grundstein für die Zusammenarbeit gelegt.

Jörg Hueber: Aus der Perspektive eines Mehrheitsgesellschafters erwirbt man üblicherweise eine Entscheidungs- und Kontrollmehrheit und kann seine eigenen Vorstellungen als Eigentümer dominanter verfolgen als es einem Gesellschafter mit Minderheitsanteil (üblicherweise) möglich ist. Aus der Rolle eines Minderheitsgesellschafters investiert man in zwei Dimensionen: (a) die Bereitstellung von Investitionskapital in die Sphäre eines Unternehmens und (b) die Bereitstellung von Vertrauenskapital in den Mehrheitsgesellschafter, dass dieser aus einer ‚stärkeren‘ Gesellschafterrolle mit Mehrheitsstimmrecht und Kontrollmehrheit über das Investitionskapital des Minderheitsgesellschafters ‚wacht‘, als sei es sein eigenes. Eine unternehmerische Partnerschaft als Investor beinhaltet gleichfalls, Unternehmertum in einem gemeinsamen Gesellschafterkreis auch gemeinsam zu verstehen, durch Konsultation der Meinung des Anderen und der Ausgestaltung einer ‚Roadmap‘ einschließlich klarer Vereinbarungen zur Governance und der Ausformulierung von Mitentscheidungsrechten und eines Zustimmungskataloges. Was sind die Erwartungen, die Sie als VAERING an die Gesellschafter eines Unternehmens haben, an denen Sie sich beteiligen?

Moritz Koch: Heute beteiligen wir uns mit VAERING in der Regel in der Rolle eines Minderheitsgesellschafters. Mit unserem wachsenden Team werden wir aber sukzessive auch andere Rollen wahrnehmen können, die auch die Verantwortung des Mehrheitsgesellschafters mit einschließen.

Als Minderheitsgesellschafter wollen wir uns an einem erfolgreichen Unternehmen beteiligen und es noch erfolgreicher machen. Das bedeutet, dass wir auf die Kompetenz des Mehrheitsgesellschafters aber auch auf eine gute Zusammenarbeit vertrauen. Diese Zusammenarbeit muss institutionalisiert werden, damit sie geordnet funktionieren kann. In der Regel bietet sich dafür ein stark positionierter Beirat an. Wichtig ist, dass es kein Herrschaftswissen und kein Alleinentscheidungsrecht gibt. Auch darf es keine Sondervereinbarungen, Sonderdividenden oder sonstige Bevorzugungen geben. Andernfalls kann man kaum von einer Partnerschaft auf Augenhöhe sprechen. Von dieser sprechen wir aber immer, auch wenn wir „nur“ der Minderheitsgesellschafter sind.

Operativ ist dieses Verständnis durch entsprechend passende Regeln zur Berichterstattung und zur Beschlussfassung umzusetzen. Diese orientieren sich an der gängigen Praxis, die sich für alle professionell geführten Unternehmen, die mehrere Gesellschafter haben, etabliert hat. Insofern fordern wir nichts Besonderes, sondern „nur“ den marktgängigen Standard. Diesen aber konsequent.

Jörg Hueber: Sie sprechen einen sehr wichtigen Punkt an: Wichtig ist, dass sich ein öffnender Gesellschafterkreis spiegelbildliche Fragen stellt: Bei der Einräumung von Informations-, Kontroll- und Zustimmungs- und Entscheidungsrechten sollte sich ein öffnender Gesellschafterkreis den gleichen Maßstäben stellen, die er anlegen würde, wenn er selbst Investor wäre. Gleiches gilt für das Wertempfinden über das eigene Familienunternehmen, welches nicht selten das Ergebnis einer unternehmerischen Lebensleistung und emotionaler Wertbemessung der Familie ist: Im Hinblick auf eine objektive Bewertungsfindung ist ein Grundverständnis sicherzustellen, dass sich das zu bewertende Unternehmen aus Investorensicht im Wettbewerb zu anderen Beteiligungsmöglichkeiten wird messen lassen müssen.

Moritz Koch: Wichtig sind ein fairer Umfang im Gesellschafterkreis miteinander und ein gleichgerichtetes Grundverständnis über den Geschäftszweck und der Strategie eines gemeinsamen Unternehmens. Bei der ursprünglichen Definition unserer Investitionsstrategie war uns vor allem wichtig, dass wir uns auf Direktbeteiligungen bei Unternehmen konzentrieren, die im Kontext Nachhaltigkeit aktiv sind. Wir sehen darin einen langfristigen Beitrag nicht für unser Familienvermögen, sondern auch dafür, unseren Kindern und Kindeskindern ein vernünftiges Leben auf einem gesunden Planeten zu ermöglichen. Ausgehend von unserer unternehmerischen Erfahrung und Vorstellungskraft haben wir damals bereits einige konkretere Zielbranchen und auch einige Ausschlusskriterien definiert. Und wir wollten uns auf reife, bereits profitable Unternehmen konzentrieren.

Inzwischen haben wir bereits sechs Beteiligungen umgesetzt und haben auf diese Weise einiges an Praxiserfahrungen gesammelt. So haben wir zusätzlich für uns das Segment der Wachstumsunternehmen entdeckt, die aktuell (noch) nicht profitabel sind, die Profitabilität aber in absehbarer Zeit erreichen werden. Hier müssen wir allerdings anders herangehen als bei bereits etablierten, profitablen Unternehmen.

Zudem haben wir konkretisiert, dass wir einen Nachhaltigkeitsbeitrag vor allem dann sehen, wenn unser Beteiligungsunternehmen durch seine Geschäftsaktivität aktiv dazu beiträgt, dass die Menschheit weniger CO2 oder andere Klimagase emittiert oder Plastikmüll vermieden wird. Durch diese Festlegung hat sich unser Fokus auf bestimmte Zielbranchen nochmals geschärft. Heute fokussieren wir uns auf neue Energien, Dekarbonisierung von Industrie und Verkehr, Circular Economy, Nachhaltigkeit am Gebäude und ESG-Services.

Mit unserem inzwischen etablierten Team aus zwei Geschäftsführern und drei Investmentmanagern bzw. -analysten haben wir zudem eine Reihe von operativen Entscheidungsregeln etabliert, die uns helfen, aus der Vielzahl von Anfragen und Investmentideen effektiv diejenigen auszuwählen, die am besten zu unserem Kompetenzprofil und den Entscheidungspräferenzen unserer Unternehmerfamilie passen. Und wir haben einige Grundsätze definiert, die wir in der Governance bei den Beteiligungsunternehmen umgesetzt sehen wollen. Hierzu gehört – wie schon angesprochen – die Etablierung eines starken Beirats.

Unsere Investitionskriterien sind auch für Dritte gut nachvollziehbar. Dies mag einer der Gründe sein, warum wir inzwischen auch aus anderen Häusern den Wunsch verspüren, gemeinsam mit uns zu investieren und so die Unternehmen, bei denen wir investieren, noch stärker zu machen. Denn nur wenn unsere Unternehmen, die im Bereich Nachhaltigkeit aktiv sind, sehr stark und für künftiges Wachstum ausreichend finanziert sind, werden sie uns allen helfen, effektiv CO2 und andere Klimagase zu reduzieren und Plastikmüll in den Meeren und in unserer Nahrung zu vermeiden.

Jörg Hueber: Die Investitionskriterien unterschiedlicher Familieninvestoren sind hinsichtlich Beteiligungsanlass, absoluter Beteiligungshöhe, Beteiligungsanteil (Mehrheit, Minderheit), Beteiligungszeitraum, Renditeerwartung, Entsendung in Aufsichtsgremien etc. sehr heterogen. Eine hohe Zahl dieser Investoren verfügt nicht immer über hinreichend personelle & fachliche Kapazitäten, eigenständig Unternehmensbeteiligungen zu organisieren und sind an der Zusammenarbeit mit anderen Family Equity Investoren interessiert.

Gleichfalls nehmen wir aus unserer Arbeit mit Inhaberfamilien relevanter Familienunternehmen zunehmend Pläne über größere Investitionsvorhaben in die digitale und grüne Transformation oder dem De-Risking von Produktionskapazitäten durch die Errichtung weiterer eigener Standorte in anderen Regionen wahr. Dabei begegnen uns gleichfalls die angesprochenen Anlässe von Generationswechseln und dem Wunsch eines (Teil-)Verkaufes von Anteilen. Die Bereitstellung von externen Familienkapital (Family Equity) bietet hier eine mittlerweile etablierte Finanzierungsoption und es ist gut, wenn Häuser wie VAERING vorangehen, Familienkapital zu bündeln – auch gemeinsam mit anderen Investorenfamilien - , um Investitionsvorhaben in Familienunternehmen als langfristiger und wertebasierter Kapitalpartner zu ermöglichen.

 

PETER MAY Family Equity Netzwerk

PETER MAY verbindet Inhaber von Familienunternehmen mit Inhabern von familieneigenem Beteiligungskapital (sogenanntes Family Equity durch Family Offices, Beteiligungsholdings, Stiftungen) und bringt Beteiligungskapital-nachfragende Familien und Beteiligungskapital-anbietende Familien zusammen. Von Unternehmerfamilie an Unternehmerfamilie.

Aus unserer inhaberstrategischen und unternehmensstrategischen Arbeit mit Inhaberfamilien begegnen uns Situationen mit unterschiedlichen kapitalseitigen Aspekten der Wachstumsfinanzierung für ihre Familienunternehmen bis zur Ablösung einer bestehenden Finanzierung oder der Ablösung bzw. Abfindung bestehender Gesellschafter.

Zugleich verfügen wir über einen persönlichen Zugang zu mehr als 200 Family Offices, Stiftungen und Familienholdings, die im Rahmen ihrer Vermögensallokation Beteiligungen an anderen Familienunternehmen eingehen oder ein Interesse daran zeigen. Aus unserer engen Zusammenarbeit mit den Inhaberfamilien und Geschäftsführern dieser Investoren haben wir Kenntnis über ihre wesentlichen Grundprinzipien und Beteiligungskriterien (thematische Präferenzen, Beteiligungshöhe in € Mio, relative Beteiligungshöhe in %, Renditeerwartungen, Erwartung an operative Einbindung vis-a-vis reinem Kapitalanlageinteresse, Beteiligungszeitraum, Ausgestaltung der Governance etc.) und können damit zielführende Vorüberlegungen treffen, um mögliche Partner füreinander zu finden.

 

Über VAERING VAERING - Kultur, Kompetenz und Kapital

Beitrag aus 2022 Die Familienholding als neues Bindeglied der Familie – PETER MAY The Family Business People (petermay-fbc.com)

 
Über die Gesprächspartner
 

Moritz Koch ist der Sprecher der Unternehmerfamilie, die hinter dem Industriedienstleister KAEFER aus Bremen steht. KAEFER ist mit 2,1 Mrd. Euro Umsatz (2022) und mehr als 30.000 Mitarbeitern einer der international führenden Spieler auf diesem Gebiet. Moritz Koch ist Vorsitzender des Verwaltungsrats und hat in der jüngeren Vergangenheit aus dieser Position heraus eine unternehmerische Partnerschaft mit SMS und Altor geschlossen. Moritz Koch ist auch Geschäftsführer der neuen Familienholding VAERING, die sich die Diversifizierung des Familienvermögens zum Ziel gesetzt hat. Schließlich ist er noch an einer digitalen Strategieberatung beteiligt, die sich auf die Digitalisierung der Geschäftsmodelle von mittelständischen Unternehmen spezialisiert hat.

Jörg Hueber (J.HUEBER@PETERMAY-FOS.COM) ist Geschäftsführender Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service GmbH & Co. KG und befasst sich mit Themenstellungen der Angemessenheit und Aktualität der Vermögensverteilung in Inhaberfamilien, der Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen innerhalb der Familie, zu Abfindungsregelungen für Gesellschafter bei Kündigung ihrer Gesellschafterrolle, zu Fragestellungen der Öffnung des Gesellschafterkreises sowie mit Beratungsleistungen des Kaufs und Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen für Familienunternehmen, Inhaberfamilien und Family Offices. Vor seiner Tätigkeit in der PETER MAY Gruppe ist Jörg Hueber mehr als 20 Jahre in international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Privatbanken tätig gewesen und hat den M&A-Bereich eines börsennotierten Unternehmens verantwortet.