
Eine wachsende Zahl vermögender Gesellschafterfamilien deutscher Familienunternehmen hat über die vergangenen Jahre Beteiligungsstrukturen neben ihren Familien(Kern-)unternehmen errichtet, professionalisiert und etabliert, um ihre unternehmerischen Aktivitäten zu diversifizieren und zusätzliche wirtschaftliche Chancen neben ihrem ‚Stammgeschäft‘ wahrzunehmen. Hat man sich zunächst vorrangig über Fondsstrukturen mit der Vermögensklasse unternehmerischer Direktbeteiligungen befasst, wurden daraus gewonnene Erfahrungen in eigenverantwortliche Strukturen übertragen, in dem man sich selektiv in Investorenkonsortien organisiert und schließlich auch eigenständig als Lead Investor an anderen Unternehmen beteiligt.
In europäischen Nachbarländern wie Belgien, den Niederlanden, Luxemburg oder Frankreich setzte diese Entwicklung bereits mehrere Jahre / Jahrzehnte im Voraus ein, indem große Familienvermögen in eigenständige Beteiligungsstrukturen eingebracht worden sind, sei es für die Wiederanlage von Liquiditätszuflüssen aus Unternehmens(teil-)verkauf oder der sukzessiven Übertragung von Liquidität, etwa durch Dividendenflüsse, in diese Einheiten. Doch sind viele dieser großen Beteiligungsstrukturen weitere Schritte gegangen, haben sich für andere Familien geöffnet, gemeinsame Einheiten gebildet und sich auch via Börsengang einen breiteren Investorenkreis erschlossen.
Nunmehr beobachten wir bei PETER MAY, dass sich internationale Family Equity Investoren verstärkt dem deutschen Markt zuwenden, Mittel in diese Region für Beteiligungen an deutschen Familienunternehmen allokieren und sich professionelle Strukturen mit lokalen Büros und deutschsprachigen Teams errichten. Um diese Entwicklung näher aufzugreifen, habe ich mich mit Christian Mogge, Investment Partner und verantwortlicher Geschäftsführer von GBL (Groupe Bruxelles Lambert) für die Region Deutschland / Schweiz / Österreich, austauschen dürfen.
Jörg Hueber: Lieber Christian, würdest Du zunächst Euer Haus vorstellen, dessen Ursprünge und Gründerfamilie(n) und deren Motivation, GBL zu errichten, die Weiterentwicklung der Inhaberstruktur und - allgemein und übergeordnet - dabei die Rolle der Gründerfamilie(n) in den Entscheidungsstrukturen und operativer Einbindung beschreiben?
Christian Mogge: GBL ist durch verschiedene Phasen in seiner über hundertjährigen Geschichte gegangen. In den 1980-er Jahren haben die kanadische Desmarais-Familie und die belgische Frere Familie gemeinsam Anteile an GBL erworben, um mit der Gesellschaft Investitionen in Europa zu tätigen. Beide Familien waren mit verschiedenen unternehmerischen Aktivitäten wohlhabend geworden. Albert Frere hat sein Vermögen vor allem in der belgischen Stahl-Industrie der Nachkriegszeit aufgebaut. Paul Desmarais war in Kanada im Energie-Sektor aktiv, bevor er sein Unternehmen zu einer diversifizierten Holding mit großen Aktivitäten im Finanzbereich und anderen Industrien ausbaute.
Heute halten die beiden Familien ca. 33% der Aktien an GBL, kontrollieren die Gesellschaft aber gemeinsam, da die Aktien besondere Stimmrechte haben. Beide Familien kontrollieren auch gemeinsam den Aufsichtsrat, der aus Familienmitgliedern und unabhängigen Aufsichtsräten besteht. Der Aufsichtsratsvorsitz liegt traditionell bei einer der beiden Familien. Bis vor kurzem war dies Paul Desmarais Jr, seit Mai 2025 ist Ian Gallienne, Albert Frere’s Schwiegersohn, Aufsichtsratsvorsitzender. Im belgischen Recht hat der Aufsichtsrat eine deutlich stärkere Stellung als in Deutschland, sodass alle relevanten Entscheidungen direkt von den Gesellschafter-Familien getroffen werden.
Jörg Hueber: Wo ist GBL auf Basis dieser historischen Wurzeln im Moment engagiert?
Christian Mogge: Historisch war GBL primär als Ankeraktionär von gelisteten Unternehmen aktiv. Wir haben eine Bilanzsumme (Wert aller unserer Beteiligungen) von in etwa EUR 15 Milliarden, das immer noch in etwa zu über der Hälfte aus Investitionen in am Kapitalmarkt gelistete Unternehmen besteht, zu einem Viertel aus direkten Investitionen in private Unternehmen und zu einem kleineren Teil aus Investitionen in andere Private Equity und Venture Capital Fonds.
Im Bereich der öffentlich gelisteten Unternehmen sind wir Ankeraktionär bei SGS, Pernod Ricard, Adidas, Umicore und Imeris. In vier von diesen fünf Unternehmen sind wir mit einer Minderheit investiert, sind aber über unsere Repräsentanz in den jeweiligen Aufsichtsräten aktiv an der Unternehmensgestaltung beteiligt.
Unser Portfolio von privaten Unternehmen besteht heute aus drei Unternehmen, an denen wir die Mehrheit halten. In Deutschland ist hier insbesondere der Fahrrad-Hersteller Canyon ein wichtiges Investment für uns, welches wir gemeinsam mit dem Gründer halten. Darüber hinaus gehören die Augenklinik-Kette Sanoptis und die Radiologie-Kette Affidea zu unserem Portfolio. Außerdem halten wir mehrere Investitionen, an denen wir Minderheiten gemeinsam mit den Gründern oder anderen Investoren halten.
Jörg Hueber: Was sind Eure Ziele für die Weiterentwicklung Eures Portfolios und wie möchtet Ihr in den kommenden Jahren investieren?
Christian Mogge: Wir verfolgen die Strategie, den Anteil von privaten Mehrheits-Investitionen an unserem Portfolio zu erhöhen und haben dafür im Moment in etwa EUR 5 Milliarden Kapital zur Verfügung, die wir in den nächsten Jahren in Europa investieren möchten. Wir suchen nach interessanten Beteiligungsmöglichkeiten mit einem Fokus auf langfristigem, nachhaltigem Wachstum. Wir möchten in vier Industrien aktiv sein: Gesundheitswesen, Dienstleistungen, Konsumgütern und spezialisierten Industrie-Unternehmen.
Jörg Hueber: Wie seht Ihr Euch differenziert im Vergleich zu anderen Investoren, die am Markt tätig sind?
Christian Mogge: Wir sind hier (anders als ein Private Equity Fond) nicht an kurzfristige Unternehmensziele gebunden und müssen uns keinen typischen Fond-Zwängen unterwerfen. Wir können aufgrund des permanent zur Verfügung stehenden Kapitals jederzeit weitere Wachstumsinvestitionen in unsere Unternehmen tätigen und haben auch keinen Verkaufsdruck wie es Private Equity Fonds haben.
Wir haben über die letzten Jahre ein Team aufgebaut, das diese Transaktionen durchführen und die Beteiligungen langfristig führen kann. Um dies zu unterstreichen, ist kürzlich Johannes Huth, der vorher lange KKR in Europa geleitet hat, als unsere neuer CEO zu uns gekommen. Hier setzen wir auf partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Mitgesellschaftern und Management-Teams, die die Unternehmen führen und können auf einen starken Track Record in Partnerschaften mit Gründern und Eigentümerfamilien zurückschauen.
Ich bin davon überzeugt, dass wir dadurch insbesondere in Partnerschaften mit Unternehmer-Familien aktiv, aber langfristiger agieren können als viele andere.
Jörg Hueber: Das aktuelle Beteiligungsportfolio weist eine Reihe von Minderheitsbeteiligungen an namhaften und teilweise auch börsennotierten Gesellschaften auf – wir haben diese eben erwähnt. In welcher Form gelingt es GBL hier, eigene Interessen, insbesondere auch im Einklang mit den eigenen Vorstellungen an operativem Wertbeitrag (Value Creation) und Renditeanforderungen, verfolgen und durchsetzen zu können?
Christian Mogge: Wir arbeiten bei unseren Minderheitsbeteiligungen aktiv in den Aufsichtsgremien (Aufsichtsrat oder Beirat) und nehmen dadurch – soweit sinnvoll - Einfluss auf die wichtigsten Unternehmensentscheidungen. Wir setzen hier großes Augenmerk auf die gute, kooperative Zusammenarbeit mit unseren Mitgesellschaftern und versuchen langfristig orientierte, konsensuelle Entscheidungen zwischen allen Beteiligten herbeizuführen. Anders würde es auch nicht funktionieren.
Jörg Hueber: Wir beobachten bei PETER MAY seit etwa 5 Jahren eine wachsende Zahl an Unternehmerfamilien, die gleichzeitig zu Investorenfamilien neben ihrem (Kern-)Familienunternehmen werden und sich in Investorenkonsortien zusammenschließen. Zunehmend positionieren sich diese Familien mit einer professionellen Organisation aus Investment-Teams und dem Vorhalten einer eigenen Infrastruktur. Andere Investorenfamilien schließen sich diesen Investoren situativ für einzelne gemeinsame Investments an. Würdest Du GBL in einer entsprechenden Rolle eines Konsortialführers sehen?
Christian Mogge: Ja, wir sehen uns als Konsortialführer und sind in der Lage, mit unserem Team Investitionen zu führen. Gleichzeitig haben wir großes Interesse mit anderen Unternehmerfamilien gemeinsam zu arbeiten und tun dies in verschiedenen Fällen bereits. Wir können uns unterschiedliche Formen von Zusammenarbeiten vorstellen, möchten aber nicht als passiver Minderheitsinvestor agieren. Wir stehen auch in konstantem Austausch mit anderen Unternehmerfamilien und ich bin überzeugt davon, dass dieser Austausch für alle Beteiligten vorteilhaft ist.
Jörg Hueber: Welche grundsätzlichen Herausforderungen siehst Du dabei in der Herstellung von Entscheidungsfähigkeit und abgestimmter Governance, zumal ja bereits die Inhaberstruktur der GBL, mindestens von außen betrachtet, durch zwei große Inhaberfamilien in Nachfolgegeneration der Gründer geprägt ist und durch die Kapitalmarktnotiz durch Regulatorik und Aktionärsvereinbarungen weitere Komplexität erhält?
Christian Mogge: Die Kernpunkte bei der Zusammenführung verschiedener Investoren sind meines Erachtens eine klare gemeinsame Strategie, Governance und Einigkeit über die wichtigsten Personalentscheidungen. Diese Themen sollten früh offen erörtert werden um zum gemeinsamen Erfolg zu kommen.
Unsere eigene Governance ist einfacher als sie vielleicht von außen aussieht. Unsere Ankeraktionäre führen das Unternehmen seit Jahrzehnten partnerschaftlich über die Zusammenarbeit im Aufsichtsrat, den sie gemeinsam kontrollieren. Auch über die Ankeraktionäre hinaus ist unsere Aktionärsbasis sehr stabil. Unsere Börsennotiz und die daraus resultierende Komplexität ist dabei für unsere Beteiligungen nur wenig spürbar, hat aber den Vorteil, falls notwendig, weiteres Kapital über die Börse aufnehmen zu können.
Jörg Hueber: Die Zahl der Family Equity Investoren mit professionellen Strukturen und hohen Beteiligungsvermögen hat sich deutlich erhöht. Nachdem viele Familien Unternehmensbeteiligungen insbesondere im Zeitraum 2000 bis 2020 eher indirekt über Fondsstrukturen oder mit kleiner Beteiligungsquote über öffentliche Kapitalmärkte gehalten haben, geht insbesondere die sogenannte NowGen der vermögenden Unternehmerfamilien dazu über, eigene Strukturen aufzubauen und unternehmerische Direktinvestitionen in Eigenregie zu tätigen. Gleichzeitig errichten internationale Family Equity Investoren eigene Büros in Deutschland oder bauen bestehende Teams aus. Wie beobachtest Du diese Entwicklung und Eure Positionierung, zumal auch andere Investorentypen, etwa Staatsfonds und Stiftungen, ihr Engagement in unternehmerischen Direktbeteiligungen insbesondere an Familienunternehmen forcieren?
Christian Mogge: Ich teile Deine Beobachtung grundsätzlich. Die Landschaft der Investoren entwickelt sich fortlaufend weiter - aber auch die Landschaft der möglichen privaten Investitionen entwickelt sich fortlaufend weiter. Berührungsängste, die eigene Kapitalstruktur zu öffnen, sind über die Jahre klar zurückgegangen und es haben sich interessanten Alternativen für einen teilweisen Unternehmensverkauf ergeben.
Wir sehen uns als aktiven, langfristig orientierten Investor mit europäischen Wurzeln und Werten. Wir haben ein Team, das langjährige Erfahrung in der Führung von Investitionen hat. Gleichzeitig sind wir unternehmerisch geprägt und frei von jeder Art politischen Einflusses. Ich glaube daher, dass wir anders denken und agieren als Staatsfonds oder Stiftungen.
Jörg Hueber: Bei der Fülle an Herausforderungen, die sich deutschen Familienunternehmen stellen, von geo-politischen und geo-wirtschaftlichen Unsicherheiten bis zu den unvollkommenen Rahmenbedingungen des Wirtschaftsstandortes Deutschland: Aus welchen Gründen orientiert sich GBL nun verstärkt als langfristigem Kapitalpartner für Unternehmerfamilien und Familienunternehmen in Deutschland?
Christian Mogge: Ich glaube fest an den Standort Deutschland und die Stärke unserer Volkswirtschaft innerhalb Europas, auch wenn wir gegenwärtig in einigen Bereichen vor erheblichen Herausforderungen stehen. Was wir wirklich brauchen, ist eine spürbare Reduzierung der Regulierungsdichte und eine konsequente Fokussierung auf echte Wertschöpfung – es ist an der Zeit, die Ärmel hochzukrempeln, anstatt uns in Klagen zu verlieren.
Ich empfinde es als bedauerlich, dass unser Wirtschaftsumfeld derzeit oft schlechter dargestellt wird, als es tatsächlich ist, denn im Kern verfügen wir über hervorragende Unternehmen mit langfristig orientierten Werten. Nicht umsonst sind deutsche Unternehmen in zahlreichen Marktsegmenten weltweit führend und setzen internationale Maßstäbe. Um diesen Erfolgsweg fortzusetzen und unsere Position nachhaltig zu stärken, müssen wir jetzt gezielt zusätzliches Kapital mobilisieren, das unsere weitere Entwicklung vorantreibt und uns für die Zukunft wettbewerbsfähig hält.
Jörg Hueber: Ich möchte (wenn auch etwas unhöflich am Ende, aber in der Chronologie unseres Gespräches hoffentlich passend) kurz auf Dich als Person eingehen. Nachdem Du annähernd zwei Dekaden als Investor nachhaltige Erfahrungen im Private Equity Umfeld machen konntest, bist Du es gewohnt, verantwortungsvoll und umsichtig mit den Erwartungen an Rendite, Vermögensmehrung und Vermögenssicherung als auch hohen Eigenkapitalbeiträgen Deiner Investoren zu agieren. In Deiner vorherigen Rolle ist Dir vorwiegend institutionelles Beteiligungskapital mit hoher Anforderung an die eigene Wertschöpfungskompetenz in kurzer Zeit anvertraut worden. Nun ist Dir Verantwortung über langfristig ausgerichtetes Beteiligungskapital von Investorenfamilien übertragen worden. Worin sieht Du die wesentlichen Unterschiede in Deinem Aufgabenfeld?
Christian Mogge: Ich habe in der Tat fast zwei Jahrzehnte für einen großen Private Equity Fond gearbeitet. Jetzt versuche ich diese Erfahrung in einem Family Equity Umfeld einzusetzen und damit die Brücke zwischen beiden Welten zu schlagen. Was mich an meiner Tätigkeit besonders reizt, ist die Kombination aus dem Denken und Handeln als Investor für potenzielle neue Transaktionen kombiniert mit der langfristigen Verantwortung die identifizierten Werte auch zu realisieren.
Auf eine gewisse Art und Weise verschwimmen Grenzen zwischen der Arbeit mit institutionellen und privatem Familienkapital. Auf beiden Seiten besteht die Erwartung und die Anforderung attraktive Renditen zu erwirtschaften und Unternehmen nachhaltig zu entwickeln wobei der Weg dieses Ziel zu erreichen sicherlich nicht immer der Gleiche ist. In beiden Bereichen ist es notwendig, auf der Ebene der Investoren die richtigen Strukturen und das richtige Talent zusammenzuführen, um eine nachhaltige Rendite zu erwirtschaften.
Jörg Hueber: Lieber Christian, vielen Dank für unser Gespräch.
Ihre Ansprechpartner
Christian Mogge verantwortet bei Groupe Bruxelles Lambert (GBL) die Investitionsaktivitäten in Deutschland und beschäftigt sich primär damit, interessante Investitionsopportunitäten und Partnerschaften zu finden und zu entwickeln. Bevor er kürzlich zu GBL gestoßen ist, hat er fast 20 Jahre seiner Karriere bei einem großen Private Equity Fond (BC Partners) gearbeitet. Zu Beginn seiner Karriere hat er einige Jahre als Unternehmensberater bei BCG gearbeitet. Kontakt cmogge@gbl.com
Jörg Hueber (J.HUEBER@PETERMAY-FOS.COM) beschäftigt sich mit Themenstellungen der Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen innerhalb der Familie, zu Abfindungsregelungen für Gesellschafter, zu Fragestellungen der Öffnung des Gesellschafterkreises und mit Beratungsleistungen des Kaufs und Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen für Familienunternehmen, Inhaberfamilien und Family Offices. Vor seiner Tätigkeit in der PETER MAY-Gruppe ist Jörg Hueber mehr als 20 Jahre in international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften (EY, KPMG) und Investmentbanken (UniCredit, Berenberg) tätig gewesen und hat den M&A-Bereich eines börsennotierten Unternehmens (HHLA) verantwortet. Jörg Hueber ist Beirat in Familienunternehmen und Sparringspartner für vielzählige Unternehmerfamilien und Familienunternehmen und führt und koordiniert das Familieninvestoren-Netzwerk in der PETER MAY Gruppe.
PETER MAY The Family Business People
Colonnaden 3, 20354 Hamburg