Übertragung von Beteiligungsvermögen – aber an wen?

Wenn die grundsätzliche Entscheidung zur Übertragung von Anteilen gefallen ist, stellen sich Inhaberfamilien weitere Fragen. Isabel Wessel und Jörg Hueber, Geschäftsführende Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service, erklären, was es bei der Auswahl der neuen Gesellschafter zu beachten gilt.

 

Wer ist ein geeigneter Gesellschafter? Hat sich eine Familie grundsätzlich dazu entschlossen, Anteile am Familienunternehmen zu veräußern, gilt es neben der Bestimmung des Transaktionsgegenstandes sowie einer Bewertung dessen auch zu überlegen, wer als geeigneter neuer Gesellschafter überhaupt in Frage kommt oder ob es Alternativen zur Erreichung eines Liquiditätsereignisses gibt.

  1. Übertragung in der Familie: Eine Übertragung in der Familie, ob als Schenkung, Vererbung oder entgeltlicher Übertragung etwa zwischen Geschwistern oder zwischen Familienstämmen, ist die weithin geläufigste Gestaltungsvariante einer Anteilsübertragung. Auch wenn die Transaktionsparteien somit vorgegeben sind, gilt es noch zu klären, auf welche Familienmitglieder die Anteile zu verteilen sind und was ein finanzierbares Bewertungsniveau ist, welches auch für den Übertragenden eine akzeptable Vergütung ermöglicht. Dieser Übertragungsmöglichkeit vorangestellt ist häufig ein intensiver, teilweise von Wendungen begleiteter und emotional anspruchsvoller Prozess, der eine bewusste und einheitliche Entscheidung innerhalb der Familie zur Vorgabe hat.

  2. Übertragung an einen strategischen Investoren: Ist eine Übertragung innerhalb der Inhaberfamilie nicht gewünscht, gewollt oder darstellbar, bietet die teilweise, mehrheitliche oder auch vollständige Veräußerung des Familienunternehmens an einen strategischen Partner eine Übertragungsoption. Ein strategischer Partner, zumeist ein Unternehmen der gleichen Branche, bietet operationale und wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten und kann für das Familienunternehmen ein stabileres, gesünderes Umfeld bieten als unter alleiniger Fortführung. Für die Familie bedeutet die gemeinsame Weiterentwicklung mit einem strategischen Investor allerdings auch die Teilung oder gar (bewusste) Abgabe von Entscheidungs- und Kontrollrechten.

  3. Übertragung an einen Finanzinvestoren: Finanzinvestoren ermöglichen, soweit dem Anspruch ihres Geschäftsmodells folgend, durch die fachliche Kompetenz der handelnden Personen, ihrer Netzwerke und Finanzierungskraft eine beschleunigte Weiterentwicklung des Familienunternehmens. Der Fokus von Finanzinvestoren liegt deutlich auf der operationalen Wertsteigerung, auf einer stärkeren Positionierung in Faktormärkten und zumeist auf einer stringenteren finanziellen Führung. Für die Inhaberfamilie führt eine teilweise oder vollständige Veräußerung ihrer Beteiligungsanteile zur Abgabe von Entscheidungs- und Kontrollrechten. Zudem steht häufig ihr Werteverständnis im Gegensatz zum geschäftsmodellinhärenten kurzfristigen Anlagefokus eines Finanzinvestoren. Ein teilweiser Verbleib in der Inhaberschaft ermöglich der Familie die Partizipation an erwarteten Wertsteigerungen und – sofern gewollt – gleichfalls auch die Möglichkeit einer Rückübertragung nach einigen Jahren, was aus Gründen der Verkaufspreismaximierung über einen Auktionsprozess eher die Ausnahme bedeutet.

  4. Übertragung an einen Family-Equity-Investoren: Family-Equity-Investoren umfasst die Anlageklasse unternehmerisch investierender Familien als Investoren außerhalb des eigenen Familienunternehmens aus Gründen der Vermögensdiversifizierung, Verbreiterung der Interessengebiete und auch operativer Einbringung in vergleichbare Strukturen. Dies geschieht einerseits aus privater Eigenorganisation, über professionalisierte Strukturen über ein eigenes Family Office, über Investorenpools oder über Beteiligungsgesellschaften, die sich ausschließlich aus Unternehmerfamilien organisieren und finanzieren. Das Werteverständnis dieser Investoren ist denen der veräußerungsbereiten Inhaberfamilie gleich oder ähnlich, der Investitionshorizont eher langfristig ausgelegt, das Beteiligungsinteresse trägt das Merkmal von Vermögensstabilität und nachhaltiger Ertragssicherung in sich, gepaart aber, je nach steigendem Professionalitätsgrad, auch mit dem Anspruch, zu der wirtschaftlichen Entwicklung des Familienunternehmens beizutragen. Die veräußernde Inhaberfamilie verbleibt hier zumeist Mitgesellschafter, behält – wenn von allen Parteien gewünscht –die Geschäftsführung und je nach Ausgestaltung der Governance auch Kontrollrechte bei. Das Familienunternehmen verbleibt hier zumeist eigenständig, die Möglichkeiten operationaler Wertbeiträge, die sich aus der Einbindung in eine größere Organisation wie eines strategischen Investors ergeben können, stehen bei einer Übertragung an Family Equity Investoren zumeist nicht im unmittelbaren Vordergrund, lassen sich aber in neuer Inhaberschaft entwickeln.

  5. Der Gang an die Börse: Die Anforderungen an eine Börsenreife sind hoch, die administrativen Grundanforderungen kompliziert, aber mit Hilfe fachlicher Expertise etwa professioneller Kapitalmarktbegleiter, Investmentbanken darstellbar. Aus dem privaten Familienunternehmen wird eine Publikumsgesellschaft. Der Wandel der Inhaberschaft mit ideellem Herrschaftswissen der Inhaberfamilie, ihres Prinzipals hin zu breiter Informationstransparenz und Publizität bedeutet eine diametrale Bewusstseinsänderung der Inhaberschaft, dies es bewusst zu treffen gilt.

  6. Der Verkauf an das eigene Unternehmen: Steht vorrangig das Kriterium der Vermögensdiversifikation oder ein anderer Bedarf der Liquiditätsgenerierung im Vordergrund (etwa für die Finanzierung einer höheren Steuerzahlung) und soll das Familienunternehmen in unveränderter Inhaberschaft der Familie verbleiben, besteht die Gestaltungsoption eines Einzugs von Kapitalanteilen via Herabsetzung des Eigenkapitals und Ausschüttung von Liquidität an die Familie. Die Finanzierbarkeit der Kapitalherabsetzung steht in Korrespondenz mit den Anforderungen der wirtschaftlichen Weiterentwicklung des Familienunternehmens unter Berücksichtigung hinreichender Finanzierbarkeit der operativen Geschäftstätigkeit, geplanter Investitionen und anderer strategischer Maßnahmen und bedarf damit einer robusten Auseinandersetzung mit der Unternehmensplanung der kaufmännischen Geschäftsführung. Insbesondere wenn diese Funktion in Personalunion mit dem ‚veräußernden‘ Gesellschafter steht, empfiehlt sich ein fachliches Sparring mit einem neutralen Dritten.

  7. Keine Übertragung, aber temporär kreditfinanzierte Dividendenzahlung: Eine Alternative der Auskehrung von Liquidität aus Gesellschaftsmittel besteht in der Rekapitalisierung einmaliger Dividendenzahlungen durch die Aufnahme von Fremdkapital. Je nach Höhe und Ausgestaltung etwaiger Covenants verbleiben Eigentum und Entscheidungsrechte alleinig bei der Inhaberfamilie. In Korrespondenz der finanziellen Stabilität des Familienunternehmen kann eine kurzfristige Amortisation der Fremdfinanzierung über einen absehbaren Zeitraum möglich bleiben. Neben der Möglichkeit einer Bankenfinanzierung bestehen diverse technische Finanzierungsoptionen wie die Aufnahme von anderen Familieninvestoren bereitgestellten Private Debt oder Mezzanine Kapitals.


Welche dieser Varianten bietet einer Inhaberfamilie eine Lösungsmöglichkeit ihrer individuellen Bedürfnisse und Anforderungen? Wie fügen sich diese Optionen ein in die Erwartungen an Mitbestimmung und Kontrolle bei einem möglichen Teilverkauf? Welche Rolle nimmt die Inhaberfamilie nach Vollzug einer Kapitaltransaktion ein, zieht sie sich ein wenig zurück oder übernimmt sie gar eine stärkere Einbindung in einer neuen, größeren Einheit? Befasst sie sich gleichfalls mit der Organisation und Verwaltung des Verkaufserlöses etwa in der Errichtung und Führung eines eigenen Family Offices? Und welche dieser Varianten ist die beste Lösungsoption für den Fortbestand des Familienunternehmens sowohl in kurzfristiger wie langfristiger Perspektive? Wie passen die unterschiedlichen Anforderungsdimensionen ineinander? Und wirken die vorstehenden Handlungsoptionen nur individuell oder auch kombiniert? Dazu vier kurze Beispiele:

Beispiel A: Mit der Zielstellung der Vermögensdiversifizierung entscheidet sich die Inhaberfamilie eines Unternehmens der Schiffszuliefererbranche zum Teilverkauf eines Minderheitenanteils ihres Familienunternehmens. Im Austausch mit einer mandatierten Investmentbank und potenziellen Investoren entwickelt sich die Bereitschaft für eine mehrheitliche Anteilsveräußerung. Im Zeitverlauf verändert sich die Zielrichtung, Im Austausch mit mehreren potenziellen Investoren (Finanzinvestoren, strategischen Investoren, Family Equity Investoren) reift keine abschließende Entscheidung zum Anteilsverkauf. Die Bereitschaft zur Aufnahme professioneller inhaberstrategischer Beratung reifte erst spät. Der Wunsch einer Vermögensdiversifizierung wurde über eine bankenfinanzierte Sonderausschüttung finanziert und realisiert. Die Inhaberfamilie bleibt Eigentümer ihres erfolgreichen Familienunternehmens.

Beispiel B: Die Inhaberfamilie eines namhaften Unternehmens der Investitionsgüterindustrie mit weltweiten Aktivitäten entscheidet sich zur Neuorganisation ihrer Gesamtvermögensstrategie und Errichtung einer eigenen Family Office Struktur als unternehmerische zweite Säule neben dem Familienunternehmen. Die Finanzierung entsprechender Direktinvestitionen in Private Equity Fonds, Venture Capital Beteiligungen und Direktbeteiligungen an anderen Familienunternehmen erfolgt über eine syndizierte Bankenfinanzierung. Der Zins- und Kapitaldienst soll idealerweise entsprechend der Asset Allocation aus den Erträgen des Family Offices refinanziert werden. In einer zweiten Tranche erfolgt die Veräußerung jeweils einer Minderheitsbeteiligung am Familienunternehmen an ein Investorenkonsortium aus Private Equity und Family Equity Investoren.

Beispiel C: Nach dem Ableben des Unternehmensgründers und alleinigen geschäftsführenden Gesellschafter eines namhaften Dienstleistungsunternehmens mit etwa 300 Mio. Euro Umsatzerlösen entscheiden sich Ehefrau und Kinder nach etwa zweijähriger Dauer eines inhaberstrategischen Entscheidungsprozesses zur mehrheitlichen Anteilsveräußerung über einen strukturierten Verkaufsprozess durch eine international führende Investmentbank. In der Familie ist das Bewusstsein gereift, selbst nicht der beste Gesellschafter für das Familienunternehmen zu sein und sich thematisch in anderen Themenfeldern als Gesellschafter zu positionieren. Die Familie entscheidet sich für den Verkauf an einen Finanzinvestoren, der dem Familienunternehmen hinreichend finanzielle Spielräume für das weitere Wachstum ermöglicht. Der mindestens mittelfristige Fortbestand des Familienunternehmens in seiner bewährten Positionierung ist der Familie sehr wichtig; ein Verkauf an einen strategischen Investoren mit erwartbarer Integration in dessen Strukturen stellte keine tragfähige Handlungsalternative dar. Die Familie ist in unterschiedlichen Rollen im eigenen Family Office eingebunden, es bildet den neuen unternehmerischen Bezugspunkt der Familie, in der jedes Familienmitglied eigene gestalterische Kompetenzen einbringen kann.

Beispiel D: Der Alleininhaber eines Familienunternehmens im Bereich der Gesundheitsvorsorge entschied sich für den Verkauf des Unternehmens über einen strukturierten Verkaufsprozess. Die erwachsenen Kinder haben sich eigene beruflichen Existenzen aufgebaut und möchten das Familienunternehmen weder in Inhaberschaft noch operativer Einbindung fortführen. Völlig entgegengesetzt der ursprünglichen Absicht wurde der Verkaufsprozess eingestellt und eine Übertragung der Anteile auf zwei der drei Kinder unter Abfindung des dritten Kindes vollzogen. Das Familienunternehmen bleibt ein Familienunternehmen und wird unter familienfremder Geschäftsleitung fortgeführt. Die Geschwister haben nun professionelle Beratung gesucht, um ihren Status und die Frage der perspektivischen Rolle als Inhaber des Familienunternehmens zu aktualisieren.

Die einleitende Kategorisierung möglicher Kapitalmaßnahmen ist plakativ und vereinfacht dargestellt und lässt sich in verschiedene Ausprägungen argumentativ erweitern. Die aufgeführten Beispiele spiegeln Entscheidungsfragen in strukturell realen Situationen wider, sie stehen beispielhaft für eine hohe Anzahl vergleichbarer Konstellationen in vielen Inhaberfamilien. Lösungswege lassen sich gelegentlich in mindestens rationaler Weise ‚in Eigenregie‘ finden, doch fehlt es häufig an der individuell notwendigen Distanz der betroffenen Personen, Entscheidungs- und Lösungswege aufzuzeigen und mit hinreichender emotionaler Neutralität umzusetzen. Vor dem Hintergrund der vielen Entscheidungszweige und Gestaltungsoptionen empfiehlt sich eine gründliche, fachlich fundierte, faktenbasierte und distanzierte Bestandsaufnahme sowie die Einbindung professioneller Berater von außen.


Ihre Ansprechpartner

Jörg Hueber ist Geschäftsführender Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service GmbH & Co. KG und befasst sich mit Themenstellungen der Angemessenheit und Aktualität der Vermögensverteilung in Inhaberfamilien, der Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen innerhalb der Familie, zu Abfindungsregelungen für Gesellschafter bei Kündigung ihrer Gesellschafterrolle, zu Fragestellungen der Öffnung des Gesellschafterkreises sowie mit Beratungsleistungen des Kaufs und Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen für Familienunternehmen, Inhaberfamilien und Family Offices. Vor seiner Tätigkeit in der PETER MAY Gruppe ist Jörg Hueber mehr als 20 Jahre in international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Privatbanken tätig gewesen und hat den M&A Bereich eines börsennotierten Unternehmens verantwortet.

Isabel Wessel ist Geschäftsführende Gesellschafterin der PETER MAY Family Office Service GmbH & Co. KG und befasst sich mit Themenstellungen der Vermögensübertragung und Vermögenssortierung insbesondere für Familienangehörige der NextGen. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen in der Konzeption von Übertragungsszenarien, der Beteiligungsbewertung und Themenstellungen der Vermögenstransparenz sowie in der fachlichen Begleitung von Beteiligungsübertragungen innerhalb der Inhaberfamilie oder der selektiven Begleitung einer Anteilsveräußerung an Dritte. Vor ihrer Tätigkeit in der PETER MAY Gruppe verantwortete Isabel Wessel komplexe Unternehmensübertragungsprozesse in einer international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an den Standorten Hamburg und New York.