Heranführung der NextGen - Warum das „Nicht Sprechen“ über die Firma oder das unternehmerische Vermögen keine Option ist

Ein Plädoyer für die systematische Heranführung der „Next Gen“, angefangen im Teenager- und jungem Erwachsenenalter Von Dr. Dominik von Au.

Dominik von Au

                            

„Die persönliche und fachliche Entwicklung der nächsten Generation stellt die Königsdisziplin guter Family Governance dar!“ Dr. Dominik von Au

Das Familienunternehmen/-vermögen ist weitaus mehr als ein finanzielles Asset. Das Thema ist vielschichtig, emotional aufgeladen, traditionsbehaftet und zunehmend wirtschaftlich hoch-komplex. In vielen Familien ist das Unternehmen in den letzten 30 Jahren sehr stark gewachsen und folglich in seinen Strukturen heute weitaus verzweigter als früher. Gepaart mit den sich drastisch verändernden Wertschöpfungsketten, politischer Instabilität und ökonomischen Verwerfungen der Finanzmärkte ist die Fortführung eines Unternehmens oder eines unternehmerisch geprägten Vermögens für jeden Nachfolger oder Nachfolgerin ein Mammutprojekt. Das gilt auch dann, wenn sie oder er keine Führungs- oder Aufsichtsposition anstrebt, sondern „nur“ in die Gesellschafterrolle nachfolgen wird.

Entsprechend wird die früher oder später anstehende Übergabe des Familienunternehmens an die nächste Generation immer herausfordernder. Auf fachlicher, aber auch auf persönlicher Ebene. Was ein mögliches, zukünftiges großes Erbe an psychologisch, sozialen und gesellschaftlichen Herausforderungen für junge Menschen heutzutage mit sich bringt, ist bitte nicht zu unterschätzen.

Auch aus diesem Grund ist die Nachfolge und Heranführung der nächsten Generation so professionell wie jedes andere bedeutende Projekt in der unternehmerischen Karriere anzugehen. Es ist vielleicht das größte Projekt, welchem all die Zeit, die Energie und das Invest gegeben werden sollte, die notwendig sind, damit die Geschichte weitergeht.

Ich spreche mit vielen Gesellschafterfamilien, die ihre Kinder möglichst lange vom Familienunternehmen/Familienvermögen fernhalten, um ihnen eine unbeeinflusste, freie Entfaltung ihrer Persönlichkeit zu ermöglichen und sie nicht mit dem Druck und der Verantwortung zu belasten. Dieser Weg hat natürlich seine Berechtigung. Dennoch halte ich es in unserer heutigen Zeit mehr denn je für notwendig, nun einen anderen Blick auf die Heranführung der Next Gen zu werfen.

Um Gesellschafter oder Gesellschafterin zu werden, braucht es meist nur eine Unterschrift beim Notar. Um ein „guter“ und zum Wohle des Unternehmens und der Familie handelnder Inhaber zu werden, braucht es jedoch sehr viel mehr. Es ist eine verantwortungsvolle Aufgabe, in die man stetig hineinwachsen muss.  

Hinzu kommt: In den meisten Familien werden die Kinder in der Eigentumsnachfolge heutzutage gleichermaßen bedacht. Sie sind also nicht weiter Alleinerbe, sondern werden (später einmal) zusammen mit ihren Geschwistern oder Cousins/Cousinen oder anderen entfernteren Mitgesellschaftern am Unternehmen beteiligt sein. Ich beobachte in meinen Mandaten, wie Gesellschafterkreise zahlenmäßig von einer Generation auf die andere regelrecht explodieren. Das royale Thronfolgermodell findet immer weniger Akzeptanz, stattdessen werden Kinder bei der Anteilsübertragung gleich behandelt - mit größer werdenden Gesellschafterkreisen als logische Folge.  Und hier spreche ich nicht von den sehr dynastisch geprägten und allseits bekannten Unternehmerfamilien. Der oft zu beobachtende Sprung in der Gesellschafteranzahl von einem Gesellschafter (Alleininhaber/Gründer) zunächst auf zwei oder drei Nachkommen (Geschwister), und dann später auf fünf oder sieben (Cousinen und Cousins) verändert das Familien-, Führungs- und Kontrollsystem fundamental. Erstmals werden voraussichtlich nicht mehr alle Gesellschafter eine Aufgabe in der Führung und auch nicht mehr alle in der Aufsichtsfunktion wahrnehmen können.

Wenn also absehbar ist, dass die eigenen Kinder, Nichten oder Neffen eines Tages mindestens in der Gesellschafterrolle für ein Familienunternehmen verantwortlich sein werden, ist die Frage naheliegend: Wie und wann bereite ich sie bestmöglich darauf vor? Und wie kann ein langfristig angelegter Entwicklungsplan aussehen, um neben der Gesellschafterqualifikation auch „Gremienfähigkeit“ zu erreichen, also sich für eine Beirats- oder Aufsichtsratsrolle im Familienunternehmen zu qualifizieren? Besonders letzteres wird oftmals unterschätzt und deutlich zu spät angegangen. In meinen Gesprächen mit NextGens die „ihre“ Unternehmen nicht selbst operativ führen, sondern die Führungsmannschaft aktiv aus dem Beirat begleiten und kontrollieren, hat sich gezeigt, dass zur professionellen Vorbereitung auf ein solches Amt im Aufsichtsgremium eine langjährige Vorbereitung, die schon im jungen Erwachsenenalter beginnt, unerlässlich ist.

Leider wird in der Praxis die Frage nach der Eignung der „Kinder“ für diese Rollen häufig erst thematisiert, wenn die Senior-Generation 60+ ist und die Nachfolgerinnen und Nachfolger bereits Mitte 30 sind. Meine klare Meinung: Zu spät!  Eine altersgerechte, nach vorne gerichtete Auseinandersetzung mit all den Herausforderungen, die wachsende Gesellschafterkreise und die wachsende Komplexität der Unternehmen mit sich bringen, sollte frühzeitig erfolgen.

Denn eine – möglicherweise negative - Prägung in Bezug auf das Unternehmen (und nicht selten auf die Familie) ist sonst längst erfolgt, ob die Senioren wollen oder nicht.

Ich glaube, dass eine bewusste altersgerechte Heranführung an das Thema Familienunternehmen schon im Teenager- / jungem Erwachsenenalter der bessere Weg ist.

Dazu gehören nach unserem Verständnis zum einen eine systematische alters- und fähigkeitengerechte Kompetenzentwicklung, aber auch die gelebte Transparenz zu Vermögens- und Unternehmensthemen und eine offene Diskussionskultur zu wichtigen Fragen die Familie und das Unternehmen betreffen.

Dabei gilt es, in der richtigen Sprache auf inhaberstrategische Fragen einzugehen und aufzuzeigen, auf was sich NextGens, wenn sie denn Gesellschafter:innen werden (möchten), einlassen. Ziel muss es sein, einen geschützten Raum für sie zu schaffen, in dem sich die jungen Leute mit wichtigen familiären, persönlichen, aber auch strukturellen und strategischen Fragen ohne Druck und durch externe Moderation geführt, auseinandersetzen können. Ein Raum, in dem sie als mündige Personen angesprochen werden.

Heranführung durch einen moderierten Austausch im gesamten Familienkreis zu familiären, persönlichen, strukturellen und strategischen Fragen

Meine langjährige Zusammenarbeit mit Unternehmerfamilien in der Nachfolge und in der Heranführung der (teils noch recht jungen) „Next Gen“ zeigt, dass ein strukturierter Prozess hierbei erfolgskritisch ist.

In enger Abstimmung mit den jeweiligen Familien/Eltern besprechen wir in moderierten Workshops wichtige Kernfragen (natürlich inhaltlich und sprachlich altersgerecht aufbereitet). Fragen, die übrigens oftmals auch im Rahmen des Prozesses zur Erarbeitung einer Familienverfassung beantwortet werden (siehe meinen Artikel zur Familienverfassung: Eigentum verpflichtet - keine Inhaberstrategie ist keine Option!).

Im Folgenden einige beispielhafte Fragestellungen, anhand derer die jungen Leute zunächst meist erst einmal verstehen lernen, wieso diese Themen überhaupt Relevanz für sie haben (werden). Durch das gemeinsame Erarbeiten der Antworten erfolgt die Heranführung in einer angenehmen Atmosphäre dann (fast) ganz von selbst.

  • Warum bleiben wir eigentlich auch „morgen“ noch zusammen? Was ist unser „Klebstoff“, wenn wir oder manche von uns, Berufs- und Lebenswege außerhalb des Unternehmens wählen?
  • Was erwarten wir eigentlich voneinander und welches Werteverständnis teilen wir? Wie interpretieren wir diese Werte?
  • Haben wir ein gemeinsames Verständnis darüber, was wir vom Unternehmen erwarten können und umgekehrt? Wer kann bei uns eigentlich Gesellschafter werden und wie kommen wir in diesen „Status“?
  • Wer gehört denn bei uns sonst noch zur Inhaberfamilie und welche Rechte und Pflichten haben wir dann als Familie oder als Gesellschafter? Organisieren wir uns in Stämmen oder leben wir das „Familienprinzip“ und was bedeutet das eigentlich?
  • Was zeichnet unser Unternehmen eigentlich wirklich aus? Was können wir richtig gut und was sind künftige Herausforderungen der Firma? Haben wir schon ein gemeinsames Verständnis zu wichtigen strategischen Fragestellungen des Unternehmens?
  • Wie wird ein bzw. unser Familienunternehmen denn geführt und/oder gesteuert und wie können wir es „morgen“ prägen? Was sind Gesellschafterversammlungen und was bedeutet Beirat?
  • Welche Führungs- und Kontrollstruktur ist folglich passend für die zukünftige Entwicklung unseres Unternehmens? Und wie erhalten wir die Entscheidungsfähigkeit aufrecht, wenn der Gesellschafterkreis in der nächsten Generation weiter anwächst?
  • Wie organisieren wir uns als Gesellschafterkreis „morgen“ und auch „übermorgen“? Welche Maßnahmen können wir treffen, um den familiären Zusammenhalt langfristig zu sichern?
  • Wie gehen wir damit um, wenn es doch einmal zu einem ernsthaften Konflikt kommt?
  • Haben wir eigentlich, jetzt wo wir vielleicht „bald“ eigene Familien gründen, alle relevanten Dokumente angepasst (Testamente, Patientenverfügungen, Notfallvorsorge, etc.)?

Während die von uns moderierten Fragen oft im Grundsatz ähnlich sind, sind die Schwerpunkte der o.g. Fragen und natürlich auch die Antworten, die Unternehmerfamilien und die Mitglieder der Next Gen finden, immer andere. In jedem Fall unterstützt die altersgerecht aufbereitete Auseinandersetzung mit solchen Fragen die Heranführung der nächsten Generation fundamental.

Systematische Kompetenzentwicklung in drei Phasen

Gemeinsam mit den beteiligten Personen entwerfen wir häufig zudem auch speziell zugeschnittene „NextGen-Education-Programme.“ Diese umfassen in der ersten Phase Bausteine zum altersgerechten Kennenlernen der Besonderheiten von Familienunternehmen, Bausteine zur persönlichen und fachlichen Entwicklung und Bausteine zum verantwortlichen Umgang mit Unternehmen und Vermögen.

Zu den spielerischen Bausteinen im jüngeren Teenager-Alter können z.B. „Werkstatt-Tage“ im eigenen Unternehmen gehören, während derer die nächste Generation, die eigenen Produkte über handwerkliche Aktivitäten kennenlernt. Oft reicht es aus, die jungen Familienmitglieder zu ermutigen, Dinge auszuprobieren, ihren Entdeckergeist zu wecken. Das Interesse, was es denn genau mit dem ganzen Unternehmen auf sich hat, kommt dann oftmals von allein.

Spätestens im fortgeschrittenem Teenager-Alter, wenn gegen Ende der Schullaufbahn die Studienwahl ansteht, sollte das eigene Unternehmen konkret thematisiert werden. In manchen Firmen kann die Studienwahl durchaus weichenstellend für die (spätere) Nachfolgefrage sein.

Wir empfehlen daher frühzeitig Gespräche mit Kindern über die Voraussetzungen für eine mögliche spätere Aufgabe im Familienunternehmen zu führen. Dabei kann eine professionelle Unterstützung von außen sehr hilfreich sein. Ziel sollte auch hier sein, zwar eine möglichst große Wahlfreiheit zu lassen und persönliche Entwicklungsziele natürlich vor unternehmerische Ziele zu stellen. In jedem Fall hilft es aber, gegenseitige Erwartungen und die Frage, unter welchen Umständen und in welchen Funktionen Familienmitglieder im Unternehmen einmal mitwirken können, sehr offen und v.a. auch miteinander zu besprechen.

Während die Heranführung der nächsten Generation bei jüngeren Kindern im Schulalter primär eine Familienangelegenheit ist, sehen wir in unserer täglichen Zusammenarbeit mit nachhaltig erfolgreichen Unternehmerfamilien, dass ältere Teenager und junge Erwachsene extern geleitete altersgerechte („in-house“) Programme wahrnehmen.

Anfang-20-Jährige Familienmitglieder nehmen dann oft schon an thematisch stärker zugeschnittenen Fortbildungsprogrammen z.B. zu den Themen Führung, Strategie, Zahlenwerk etc. teil, um sie so begleitet an mögliche spätere Aufgaben (ganz gleich ob als Gesellschafter, Beiratsmitglied oder Führungsverantwortung) heranzuführen (siehe mehr hier).

Bei jungen Erwachsenen, die bereits im Berufsleben stecken, geht es dann bei den Education Programmen nicht mehr um „Heranführen“, sondern eher um die Erweiterung des Kompetenzprofils und das Aufsetzen eines individuellen Life-Long-Learning-Programms mit Fokus auf der Aufgabe, die die Person im Familienunternehmen wahrnimmt.

Peer-to-Peer-Austausch

In allen Phasen ist zudem auch der Austausch mit anderen Unternehmerkindern in vergleichbaren Situationen im Kreise befreundeter Unternehmerfamilien oder über Next-Generation-Netzwerke sinnvoll. In der Gruppe mit anderen NextGens erfahren sie ehrlicher, dass ihre Situation zwar besonders, aber nicht einzigartig ist. Viele Herausforderungen sind in unterschiedlicher Ausprägung in den meisten Unternehmerfamilien vorhanden. Sich darüber austauschen zu können und die Themen „zu normalisieren“, hilft.

Vor allem hier kann ein langfristig begleitender Mentor oder Coach ein sehr wichtiger Sparringspartner und mitunter auch „Korrektiv“ sein. Das gilt ungeachtet dessen, ob der oder die Nachfolgerin sich gerade innerhalb oder außerhalb des Familienunternehmens auf seine/ihre künftige Rolle vorbereitet.

Coaches und Mentoren

Dieser Mentor kann aus der Familie kommen oder von außerhalb. Wichtig wäre, dass es eine Person ist, die bei der Konzeption eines persönlichen Entwicklungsplans unterstützen kann. Diese Rolle kann ein Mitglied des Beirats, ein auf Unternehmerfamilien spezialisierter Berater/Beraterin oder auch ein versierter und mit den Themen vertrauter Freund der Familie einnehmen – jedoch sollte die Altersspanne zwischen Coach/Mentor und dem/der Nachfolgerin nicht zu groß sein, um eine möglichst hohe Akzeptanz und ein Vertrauensverhältnis erreichen zu können.

Natürlich ist jede Familie und jedes Mitglied der nächsten Generation einzigartig. Jede Familie braucht daher ein zu ihr passendes Next-Gen-Heranführungsprogramm. One size fits all gibt es hier nicht.  Doch klar ist: Das „Nicht Sprechen“ über die Firma oder das unternehmerische Vermögen ist keine Option. Die geplante Heranführung der nächsten Generation durch einen frühzeitigen moderierten Austausch im gesamten Familienkreis zu familiären, persönlichen, strukturellen und strategischen Fragen hilft, dass die Geschichte weitergeht.

Bei Interesse oder Rückfragen hierzu sprechen Sie mich gerne an! Ich freue mich auf den Austausch. Sie erreichen mich persönlich unter D.VONAU@PETERMAY-FBC.COM

 

 

Beispiele für mögliche Bausteine eines Next-Gen-Education-Programms

 

  • Family Business Introduction

2-tägiger Kick-Off-Workshop zur altersadäquaten Heranführung an das Thema Familienunternehmen (Quick-Dive in die eigene Familien- und/oder Firmengeschichte, Storytelling aus der Welt der Unternehmen, Familienunternehmen verstehen lernen mit ihren Stärken, Schwächen und Besonderheiten, Quiz, Nachfolgemodelle kennen lernen, ausgewählten Family Business-Filmsequenzen ansehen, gemeinsame Diskussion zu persönlichen Fähigkeiten und Interessen führen).

Ggfs. ergänzt um sog. „Werkstatt-Tage“  mit dem Fokus auf handwerkliches Arbeiten mit Produkten des Unternehmens im Unternehmen, angeleitet von Familienmitgliedern und/oder Mentoren/Coaches, die spielerisch weiteres Wissen zum Unternehmen vermitteln, mit Follow-up durch die Eltern. 

 

  • Site Visits und Kennenlernen anderer Familienunternehmen und deren NextGen

2-tägiger Besuch bei anderen Familienunternehmen mit faszinierenden Produkten aus unserem engen persönlichen Netzwerk zum Kennenlernen der Unternehmen, der Produktion, der Abläufe, sowie persönlicher/exklusiver Austausch mit der jeweiligen Inhaberfamilie bzw. deren NextGen

 

  • Heranführung an den verantwortungsvollen Umgang mit Vermögen

Workshop zur verantwortungsvollen Heranführung und Umgang mit Vermögen (Einordnung Firmenvermögen vs. Privatvermögen, Einführung in die Kapitalmärkte (Chancen, Risiken, Hypes und Trends) sowie adressieren des Themas „(Miss-)Erfolgsfaktor Mensch - Gier und Angst in der Vermögensanlage“ und Überblick über einzelne Asset-Klassen

 

  • Gemeinnütziges Engagement & Familienphilanthropie

Workshop zur Einführung in die Philanthropie, u.a. Kennenlernen der firmeneigenen Stiftung/des philanthropischen Engagements und angeleitet Diskussion zu verschiedenen Family-Philanthropie-Themen