Wie geht man mit der Situation um, dass sich ein Familienmitglied selbst für eine bestimmte Aufgabe im Familienunternehmen befähigt hält, andere Familienmitglieder davon aber nicht überzeugt sind? Diese (zugespitzte) Frage veranschaulicht die Notwendigkeit für jede Unternehmerfamilie, darüber zu entscheiden, wie weit die Mitwirkung der Familie im Unternehmen gehen soll und nach welchen Regeln sich diese bestimmt. Dabei ist zu unterscheiden zwischen der Mitwirkung in der Unternehmensleitung und der Mitarbeit im Unternehmen auf einer niedrigeren Hierarchiestufe.
Mitarbeit ja oder nein?
Die erste Weichenstellung betrifft die Frage, ob eine operative Mitwirkung von Familienmitgliedern überhaupt zugelassen wird oder sich die Familie darauf beschränkt, ihren Einfluss über Aufsichts- und Kontrollorgane auszuüben. Hinsichtlich der Besetzung der Unternehmensleitung lassen sich einerseits gute Gründe für eine Mitwirkung von Familienmitgliedern anführen: So hat ein Familienmitglied häufig eine hohe intrinsische Motivation, die Wahrnehmung der Familieninteressen ist eher gesichert und das Familienmitglied kann die Kultur des Familienunternehmens nach innen und außen aktiv prägen. Häufig genießt ein Familienmitglied bei Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten und anderen Stakeholdern einen besonderen Vertrauensvorschuss („Inhaberbonus“). Die Mitwirkung stärkt zudem die Bindung der Familie an das Unternehmen.
Andererseits können vor allem in Familienunternehmen mit einem großen Gesellschafterkreis gute Argumente gegen eine operative Mitwirkung sprechen: Namentlich werden Interessenkonflikte zwischen geschäftsführenden und nicht geschäftsführenden Gesellschaftern durch eine strikte Trennung zwischen Leitungs- und Gesellschafterebene vermieden, wie auch Meinungsverschiedenheiten darüber, wer aus der Familie in der Unternehmensleitung tätig wird. Ein Führungsanspruch qua Familienzugehörigkeit und unabhängig von der Kompetenz scheidet dann aus. Zudem kann es zu besonders schwerwiegenden Konflikten führen, wenn ein Familienmitglied gegen seinen Willen aus der Geschäftsführung ausscheidet – zumal, wenn das betroffene Familienmitglied weiterhin Gesellschafter des Unternehmens bleibt. Nicht ohne Grund existiert daher beispielsweise bei der Familie Haniel die Regel, dass kein Familienmitglied im Unternehmen tätig werden darf. Auch bedeutende Familienunternehmen wie Freudenberg, Henkel, Merck, Vaillant oder die Otto Group setzen (zumindest derzeit) auf rein familienexternes Management. Freilich zeigen Beispiele wie B. Braun, Deichmann, Fielmann, Miele oder Viessmann, dass eine Besetzung der Geschäftsleitung mit Familienmitgliedern auch bei großen Familienunternehmen erfolgreich funktionieren kann. Bei der Familie Brenninkmeijer ist die Mitwirkung in den Führungspositionen der verschiedenen Unternehmungen (u. a. C&A) sogar Voraussetzung für die Aufnahme von Familienmitgliedern in den Inhaberkreis.
Wenn ja, wie?
Sofern Familienmitglieder in der Unternehmensleitung grundsätzlich zugelassen sind, stellt sich die Frage nach dem Wie. Darf dem Familienmitglied auch (nur) ein bestimmtes Ressort zugewiesen werden oder kommt ausschließlich die Rolle des Vorsitzenden der Unternehmensleitung in Betracht? Soll es ein Anforderungsprofil für Familienmitglieder geben? Zwar in der Praxis nicht immer darstellbar, aber dennoch wünschenswert ist eine mehrjährige Erfahrung in verantwortlicher Position in einem vergleichbaren Unternehmen. Weiter ist es ratsam, den potenziellen Nachfolger aus der Familie einem Vergleich mit auf dem Markt verfügbaren familienexternen Managern zu unterziehen. In der Praxis teilweise anzutreffende Entsenderechte einzelner Familienstämme, welche Gesellschafter qua Stammeszugehörigkeit zur Geschäftsführertätigkeit berechtigen, stehen dazu im Widerspruch. Starre Festlegungen zur Mitarbeit von Familienmitgliedern in der Unternehmensleitung wie z. B. bestimmte akademische Anforderungen stoßen ebenfalls schnell an Grenzen, wenn es darum geht, über die Eignung eines Kandidaten im Einzelfall zu befinden. Man denke etwa an den digitalaffinen Gründer, der sein Studium zugunsten einer erfolgreichen Unternehmung abgebrochen hat, im Familienunternehmen aber wichtige Akzente setzen könnte. Andersherum mag nicht jeder Kandidat, der die formalen Voraussetzungen erfüllt, über die persönliche Eignung verfügen. Sofern ein Anforderungsprofil fixiert wird, sollte daher der notwendige Spielraum für die Nachfolgeentscheidung gewahrt bleiben. Ein vermittelnder Gestaltungsansatz kann darin liegen, nähere Regelungen nur über das Auswahlverfahren der Familienmitglieder zu treffen. Auf diese Weise wird der Entscheidungsprozess zwar strukturiert, es bleibt aber weiterhin möglich, für den Einzelfall sachgerechte Entscheidungen herbeizufuhren. Bewährt hat sich etwa vorzusehen, dass Einschätzungen Dritter (familienfremde Beiratsmitglieder, Personalberater im Rahmen eines Assessment Centers) eingeholt werden müssen, um so die Entscheidungen zu objektivieren.
Eine weiteres, nicht minder heikles Thema ist die Mitarbeit im Familienunternehmen unterhalb des Managements. Die Praxis ist auch hier vielfältig. So ist die Mitarbeit diverser Familienmitglieder auf unterschiedlichsten Ebenen des Unternehmens ebenso zu beobachten wie die Beschränkung auf zeitlich begrenzte Praktika von (jüngeren) Familienmitgliedern bis hin zu einem kategorischen Ausschluss einer Mitarbeit. Zweifelsohne bietet die Mitarbeit von Familienmitgliedern die Chance, dass die Familie die besondere Kultur des Familienunternehmens aktiv prägt und umgekehrt die Familie an das Unternehmen bindet. Zudem erlangt der Gesellschafter über die Mitarbeit wertvolles Wissen über sein Unternehmen. Zur Wahrheit gehört jedoch auch, dass ein im Familienunternehmen mitarbeitender Gesellschafter auch bei Geschick im Umgang von seinen Kollegen und formal Vorgesetzen selten ehrliches Feedback erhalten wird; denn den Hut des Gesellschafters wird er in deren Wahrnehmung niemals ganz ablegen können. Besonders delikat ist die Situation, wenn es zum (ausgesprochenen oder unausgesprochenen) Konflikt mit dem Vorgesetzen kommt. Zusätzliches Streitpotential birgt die Vergütung des Familienmitglieds. Wenn diese dem Marktvergleich nicht standhält, kann es sich um verdeckte Ausschüttungen handeln. Nicht ohne Grund entscheiden sich daher viele Unternehmerfamilien dafür, die Mitarbeit von Familienmitgliedern unterhalb des Managements allenfalls für einen befristeten Zeitraum und in Vorbereitung auf eine Position in der Unternehmensleitung zuzulassen. Letzteres kann sowohl für eine Erprobung als auch für die persönliche Vernetzung des Nachfolgers im Unternehmen durchaus empfehlenswert sein.
Wo regelt man die Mitarbeit?
Ist es einer Unternehmerfamilie nun gelungen, einen Konsens über Fragen der Mitwirkung im Unternehmen zu erzielen, ist weiterhin zu beantworten, wo diesbezügliche Regelungen niedergelegt werden. Für Regelungen zur Besetzung der Gesellschaftsorgane ist regelmäßig der Gesellschaftsvertrag der richtige Regelungsort. Dort sind die Zuständigkeiten und das Verfahren für die Besetzung der Organe vorzusehen. Auch persönliche Eignungsvoraussetzungen für eine Organbestellung können im Gesellschaftsvertrag statuiert werden. Sofern das Familienunternehmen als Kapitalgesellschaft strukturiert ist, kann die Registerpublizität des Gesellschaftsvertrags dafürsprechen, sensible Eignungsvoraussetzungen in einer gesonderten Gesellschaftervereinbarung niederzulegen. Zudem können Regelungen in der Familienverfassung getroffen werden, die häufig auch den inhaberstrategischen Ausgangspunkt abbildet. Da die Familienverfassung meist rechtlich unverbindlich ausgestaltet ist, sollte allerdings auf gesellschaftsrechtliche Regeln zu diesen elementaren Governance-Fragen nicht verzichtet werden.
Weniger eindeutig ist der passende Regelungsort für das Thema der Mitarbeit im Unternehmen unterhalb des Managements. Der Gesellschaftsvertrag erscheint dafür eher nicht geeignet, denn die Personalauswahl und Anstellung von Mitarbeitern ist in erster Linie eine operative Geschäftsführungsaufgabe. Sollen Familienmitglieder gar nicht oder nur unter bestimmten Voraussetzungen im Unternehmen mitarbeiten, können entsprechende Vorgaben besser beispielsweise in einer von der Gesellschafterversammlung oder einem Beirat erlassenen Geschäftsordnung für die Geschäftsführung festgeschrieben und auf diese Weise verbindlich in der Corporate Governance verankert werden. Grundlage für die Mitarbeit sollte stets ein Anstellungsvertrag mit dem Familienmitglied sein, der auch die Vergütung regelt. Ist die Tätigkeit nur vorübergehend oder auf gelegentliche Mitwirkung angelegt, kann auch ein Beratervertrag in Betracht kommen.
Den Ausgangspunkt bilden indes häufig wiederum Festlegungen in der Familienverfassung als Strategiedokument der Familie. Dies können zum einen Zustimmungserfordernisse auf Familienebene für die Mitarbeit im Unternehmen sein, die eine zumindest moralische Bindungskraft entfalten. Zum anderen sollten Verfahrensfragen geregelt werden. Ist beispielsweise vorgesehen, dass sich Familienmitglieder regulär beim Unternehmen bewerben dürfen und die Familiengesellschafter der Einstellung zusätzlich zustimmen müssen, sollte die vorherige Ankündigung einer Bewerbung gegenüber der Unternehmerfamilie verpflichtend sein. Andernfalls droht, dass sich ein von den übrigen Gesellschaftern nicht für befähigt gehaltenes Familienmitglied vorab das Plazet auf der Unternehmensebene holt; denn welcher Angestellte wird „seinem Gesellschafter“ schon eine Absage erteilen.
Die familienstrategische Auseinandersetzung mit diesen Fragen zur Mitarbeit von Familienmitgliedern kann zwar sich im Nachhinein als fehlerhaft erweisende Personalentscheidungen nicht vermeiden, sie begünstigt jedoch einen strukturierten und vor allem transparenten Entscheidungsprozess (Fair Process). Dies erhöht nicht nur die Wahrscheinlichkeit „richtiger“ Entscheidungen, sondern verringert vor allem das Risiko von Konflikten aufgrund des für Familienunternehmen neuralgischen Themas der Mitarbeit von Familienmitgliedern. Kurzum: Die Klärung der Erwartungen der Familienmitglieder zum Thema Mitarbeit und klare Regeln leisten einen wichtigen Beitrag, die Zukunftsfähigkeit des Familienunternehmens zu sichern und sollten daher Bestandteil einer jeden Inhaberstrategie sein.
Dieser Beitrag ist in abgeänderter Form zuerst erschienen in der Zeitschrift Recht der Familienunternehmen (RFamU), 05/2024, Verlag C. H. Beck
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