- Der tiefergehende Sinn schlägt Ziel und Zweck: Familienunternehmen müssen ihren höheren Anspruch formulieren und vertreten, um für die Zukunft gewappnet zu sein.
- Der Fokus liegt auf der Wesentlichkeit: Es geht um das dienliche Miteinander in den Dimensionen Soziales, Ökologie und Führung zum Wohle aller.
- Relevantes tun und darüber sprechen: Engagierte Vorweggeher kommen raus ins Licht, kommunizieren ihren Beitrag und ziehen andere mit.
Wirklich starke und widerstandsfähige Familienunternehmen haben es: dieses gewisse Etwas, das motivierend, einend und richtungsweisend für alle Beteiligten ist; das weit übers bloße Umsatz-und-Gewinn-Machen hinausgeht; das sich für alle gut anfühlt. Und wirklich profilierte Führungskräfte brauchen es auch. Aber was ist dieses Etwas genau? Wie kreiert man es? Wie stellt man sicher, dass alle es fortwährend und überall leben und für andere erlebbar machen? Wenn das gelingt, ist es die maßgebliche Grundlage für die planbar beste Zukunft einer Firma. Diese Basis gibt Kraft, Halt und Sicherheit – in einer Zeit, in der das Unwägbare das neue Normal ist.
In diesem Zusammenhang reden viele schnell von „Purpose“. Und wissen oftmals nichts Genaueres darüber, was das eigentlich ist und wofür es genau gut ist. Der Purpose wird gemeinhin gleichgesetzt mit dem „Zweck“ und dem „Ziel“ eines Unternehmens oder eines Menschen. Jedoch ist das nur auf den ersten Blick fortschriftlich und wegweisend für „neues Unternehmertum“. Auf den zweiten Blick leiten die Begrifflichkeiten sogar fehl: Sie sind für die heutige Zeit zu rational konnotiert, nicht ergreifend genug, machen nicht wirklich betroffen. Sie verleiten dazu, weiterhin vorwiegend in Umsatz und materiellem Gewinn zu denken und zu handeln, garniert mit allgemein gehaltenen, unverbindlichen Floskeln rund um „Nachhaltigkeit“, „Diversität“ und „Werte“.
Vorausgehende Unternehmen müssen ihren Beitrag zum mehrwertigen Miteinander leisten
Wir treten dafür an, klar zu benennen und zu vermitteln, worum es jetzt wirklich geht. Und bieten die Inspiration und die Werkzeuge für eine Bewegung, die das gewisse Etwas erreichbar und gestaltbar machen: Es geht um das für alle mehrwertige Miteinander in den Dimensionen Soziales (fair, verantwortungsvoll, solidarisch den Menschen gegenüber) und Ökologisches (rücksichtsvoll und nachhaltig der Natur gegenüber). Und es geht speziell um die Rolle und die Aufgaben jedes Unternehmens dabei, diesen erstrebenswerten Zustand zu erreichen. Dafür müssen sie ihren dienenden Anspruch formulieren und vertreten, als Teil ihrer DNA. Damit das gelingt, müssen die bewährten und weiterhin wichtigen Bausteine – ihre Inhaberstrategie und Familienverfassung sowie die Werte- und Markenbildung – erweitert angewandt werden; und zwar so, dass sie einzahlen auf das, was diese große gemeinsame Aufgabe für das Unternehmen und die Verantwortlichen fassbar macht.
Es handelt sich um den „Gesellschaftsbeitrag“. Davon brauchen wir alle mehr.
Vor diesem Hintergrund sind unsere Diskussionen mit Familienunternehmerinnen und -unternehmern facettenreich und beispielhaft. Inhaltsgeladene Gespräche darüber, was ihren Beitrag und den ihrer Unternehmen dazu ausmacht, dass es der Gesellschaft besser geht. Ihr Engagement an sich ist oftmals nicht neu. Es sind vielmehr die Breite und der Tiefgang ihrer Aktivitäten, die nicht bloß eine Tendenz zeigen, sondern die neue Richtung weisen. Wir begegnen zum Beispiel mit reichlich Kapital und Manpower ausgestatteten Familienstiftungen, verantwortlich vorangetriebenen Ausbildungs- und Bildungsinitiativen sowie dienlichen Aktivitäten an ausländischen Standorten, die über die dortigen gesetzlichen Vorschriften weit hinausgehen. Bei all dem wird, entsprechend der immer noch verbreiteten Hidden-Champion-Haltung, zumeist mehr getan als darüber gesprochen.
Grundsätzlich ist diese Zurückhaltung gut. Allerdings führt sie auch dazu, dass besonders die einschlägig bekannten Mäzene die Aufmerksamkeit bekommen: Reinhold Würths Engagement für die Kunst mit Museen in neun Ländern, Michael Ottos profilierte Aktivitäten für den Umweltschutz, Klaus-Michael Kühnes gesellschaftspolitische Förderung von Logistik-, Medizin- und Kulturprojekten, Hasso Plattners Potsdamer Institut für Digital Engineering … Die leiseren Engagements, jedes für sich ebenso berichtenswert, gehen da im Allgemeinen Grundrauschen schnell unter. Auch dadurch, dass viele ältere Unternehmenslenker ihr bereits jahrzehntelang gesellschaftsbeitragendes Engagement weiterhin als „eingebaut“ betrachten, als nicht der großen Rede wert.
Frage immer erst wofür: Sinnvolles, wesentliches Handeln schlägt den bloßen Zweck
Wir sagen, dass die Unternehmen sich jetzt öffnen und ihre führende Rolle sicht- und hörbar spielen müssen, statt sich leise zurückzuhalten. Wie sonst soll wesentliches sinnstiftendes Führen in der öffentlichen Wahrnehmung den Raum und Rang einnehmen, den es verdient? Wie soll den Aktivitäten der Vorweggeherinnen die immer größere Gesellschaftsbeitrags-Bewegung entspringen, die es jetzt braucht? Und auch das: Wie sonst soll solches Engagement nicht nur nebenbei auf Marken- und Imagebildung, Anziehungskraft und Begehrlichkeit im immer härteren Kampf um die guten Kunden und die besten Köpfe einzahlen? Sich für die Belange der vielen einzusetzen muss nicht altruistisch sein, sondern darf und soll auch Früchte tragen für Person und Organisation.
Was ein Unternehmen morgen auszeichnet, ihm seine WESENtlichkeit verschafft, muss alle Beteiligten betreffen, sie motivieren, ihre Leidenschaft entfachen, sie begeistern. Und zwar dafür, ihren Beitrag zu leisten zu dem ergreifend formulierten „großen Ganzen“. Damit es gelebt und erlebbar wird – wahr und vor allem spürbar. Für alle im Unternehmen genauso wie für diejenigen da draußen, die den Anbieter wahrnehmen, seine Produkte nutzen und die Dienstleistungen in Anspruch nehmen, darüber reden und ihn weiterempfehlen. Das sind die Stakeholder, die vielen Anspruchsgruppen mit ihren Erwartungen und Interessen. So technisch-kühl sollte man sie allerdings nicht länger bezeichnen. In einer Zeit, in der alles mit allem verwoben ist, sind mehr oder weniger alle von allem betroffen: Es geht um die Gesellschaft.
Die wesentlichen Leitfragen bei der Formulierung des Gesellschaftsbeitrags:
- Was tut das Unternehmen ganz geplant dafür, dass es den Menschen – den Mitarbeitenden genauso wie allen da draußen – besser geht?
- Genauso wichtig: Was tut es im Umkehrschluss ganz bewusst nicht, weil das kontraproduktiv, schädigend, wir-bezogen statt dienend wäre?
- Am wichtigsten: Was würde der Gesellschaft fehlen, wenn es die Firma morgen nicht mehr gäbe?
In dieser Welt voller Schaumschläger ist erst groß denken, dann groß handeln essenziell
Dieselben Fragen stellen sich der agilen Führungspersönlichkeit von morgen. Sie müssen zuerst inhaltsgeladen und schlüssig beantwortet werden, um dann die Ergebnisse allen Beteiligten leidenschaftlich und motivierend zu vermitteln und schließlich den Gesellschaftsbeitrag des Unternehmens durch gemeinsames Handeln immer spürbarer und nachvollziehbarer werden zu lassen. So hat die Firma endlich nicht mehr nur ein Ziel und einen Zweck, sondern zusätzlich das, was höher steht, tiefer wirkt, ihr wahre Bedeutsamkeit verschafft: das, was Sinn macht.
Das ist groß gedacht. So muss es sein, damit genauso groß umgesetzt werden kann. Für Klein-Klein ist nämlich nicht länger Platz in einer immer schnelllebigeren Welt, in der Relevanz lebenswichtig ist: Mitarbeitende und potenzielle neue Kollegen, Kunden und Empfehlerinnen entscheiden darüber, was damit überhaupt gemeint ist und ob solche Bedeutsamkeit wirklich vermittelt wird. Auf Netzwerk-Veranstaltungen fordern Vortragsrednerinnen ihre Zuhörer gerne dazu auf, „eine Delle ins Universum zu hauen“. Das war die Motivation von Steve Jobs bei der Einführung des iPhones 2007. Jetzt besteht für jeden zeitgenössisch unternehmerisch Denkenden die Chance dazu, nicht nur über dessen so früh wie konsequent gesellschaftsbeitragenden Way of doing Business zu reden, sondern selbst, auf ganz eigene Art ins Tun zu kommen.
Die eigene Delle ins Universum hauen, die die Menschen als so an- wie aufregend, anspornend wie sinnstiftend empfinden. Um Zweck und Ziel darf es dabei nicht als Erstes gehen – es geht vielmehr um das, was den Sinn stiftet, das Höhere, Dienende, Relevantere. Das tut not in einer Zeit, in der sehr viele Menschen alles haben, zumindest Materielles, und das Wachstum im herkömmlichen Verständnis an Grenzen stößt. Die Notwendigkeit des sinn- und werte-vollen sowie nachhaltigen Wirtschaftens ist im Bewusstsein vieler Entscheider und Vorweggeherinnen angekommen. Der Gesellschaftsbeitrag umfasst die erfolgskritische Entwicklung über die zahlengetriebene Umsatz- und Profitorientierung hinaus hin zu einem holistischen Gewinnstreben.
Der Faktor „Gewinn“ bekommt eine zweite, ebenso wichtige Dimension wie die monetäre
Es ergibt sich die erweiterte Definition von „Gewinn“: Er wird sich als möglichst großer Mehrwert für alle manifestieren, das Anregende, Bereichernde, Zufriedenstellende betreffend. Als immaterieller kollektiver Profit im Einklang mit dem nötigen materiellen Gewinn, den es weiterhin braucht, um all das leisten zu können. Wer diese Symbiose schafft, geht mit der Zeit und hat wahrlich Zukunft. Dabei ist der institutionalisierte Gesellschaftsbeitrag kein Sprint, sondern ein Marathon: erst kräftig aufgesetzt, dann konsequent umgesetzt. Dafür gilt es zu klären, was ihn als Werte- und Werttreiber genau auszeichnet und wie man ihn entwickelt und ausrollt; und wie er so die weitere Relevanz des Unternehmens sicherstellt. Als wichtigstes Resultat haben davon alle etwas. Alle in der Firma genauso wie alle in der Gesellschaft – und die Unternehmer ebenfalls: Win-Win-Win!
Das Verankern des Gesellschaftsbeitrags in der DNA gelingt, wenn das Projekt weder opportunistisch noch aktionistisch betrieben wird. Die Verlockungen dazu mögen groß erscheinen, schließlich sind kurzfristige Aufmerksamkeits- und Mitnahmeeffekte willkommen und gibt es im Management immer genügend anderes zu tun. Von Geschäftsführern hören wir immer wieder Aussagen wie diese: „Wir beschäftigen uns zurzeit dermaßen viel mit CSR, ESG und Nachhaltigkeit, dass wir gar nicht mehr zum Arbeiten kommen.“ Was zum wissenden Mitlachen verleitet, hat oftmals den ernsten Hintergrund, dass in dieser Hinsicht zunächst einmal vieles nach- und aufzuholen ist. Es gibt auch hier Vorreiter, die gefühlt oder tatsächlich schon viel weiter sind. Recht so, das spornt an. Diejenigen, die ihre Wesentlichkeit bereits herausgeschält haben und sie leben und erlebbar machen, haben den Vorsprung, den man selbst gerne hätte …
Der wertvolle Gesellschaftsbeitrag braucht Strategie, Konsequenz und Kontinuität
Auch wenn die Zeit für den strategisch verankerten Gesellschaftsbeitrag mehr als reif ist: Es geht nicht über Nacht, es geht nicht von oben verordnet, er geht nicht von außen übergestülpt. Es geht vielmehr zuerst mit klarem Commitment und dann mit planvollem Herangehen; mit eindeutigen Aufgaben, Zuständigkeiten und Terminen. Und damit, dass wirklich alles auf den Prüfstand kommt und es keine von vornherein sakrosankten No-go-Areas gibt. Genauso wenig wie „New Work“ die altbekannte Arbeit, bloß mit Internetanschluss, Sneakers und Hipster-Bärten und den beschreibbaren Wänden im spacig-kunterbunten „Digital Lab“ ist, ist sinnorientiertes Wirtschaften bloß die ostentativ coole „Wir packen’s an!“-Attitüde mit Mitarbeitenden-Manifest im Intranet, Spendenschecks auf der Weihnachtsfeier und E-Bikes für alle. Es braucht vielmehr die strategische Verortung des Prozesses in der Inhaber-, Unternehmens- und Markenstrategie. Auch hier gilt: Einmal angefangen darf es nicht mehr aufhören mit dem Messen und Überprüfen, Nachhalten und Noch-besser-Machen. So entsteht, was es braucht: Impact, also erstens Wucht und zweitens Wirkung.
Mehr zum Buch:
Die Autoren Dr. Dominik von Au und Jon Christoph Berndt im Interview. Einen Auszug aus dem Buch finden Sie hier.
Das Buch erhalten Sie beim Buchladen Ihres Vertrauens oder online, zum Beispiel bei Thalia oder Amazon. Die digitale Version ist erhältlich als eBook oder PDF-Datei.