Der Gesellschafterausschuss als Instrument der Governance in wachsenden Gesellschafterkreisen

Wenn mit dem Generationenübergang die Zahl der Gesellschafterinnen und Gesellschafter erheblich steigt, wird die Zusammenarbeit und die gemeinschaftliche Willensbildung zur Herausforderung. Wie ein Gesellschafterausschuss in dieser Situation zum Instrument guter Governance wird, erklärt unser Partner Dr. Arno Lehmann-Tolkmitt.

Arno Lehmann-Tolkmitt


Wenn Unternehmensanteile an zahlreiche Nachkommen übertragen werden, zersplittern die Beteiligungen in jedem Generationsübergang weiter. Je nach Kinderzahl wächst der Kreis der Gesellschafter sogar sprunghaft an. Schnell drängt sich dann die Frage auf, wie viele Inhaber das Familienunternehmen verträgt, wie man alle involviert bekommt und wie der Einfluss der Familie sichergestellt werden kann.

 

Die Ausgangssituation

Je größer ein Gesellschafterkreis wird, desto schwieriger ist es, alle Gesellschafter direkt einzubinden und sicherzustellen, dass sie ihre Rolle verantwortungsvoll wahrnehmen. Die Lebenswege gehen zunehmend auseinander, die Bindung zum Unternehmen und zueinander lässt nach. Nicht jeder kann und will sich soweit engagieren, wie es nötig wäre. Oft braucht es dazu mehrere Tage Zeit im Jahr, um an Versammlungen, Treffen und Fortbildungen teilzunehmen. Bei der Frage von Terminfindungen wird sichtbar, wie viel committment es von jedem Einzelnen bedarf. Aus Sicht des Unternehmens wird es organisatorisch immer aufwendiger, alle zusammenzubekommen. In der Praxis beobachten wir diese Entwicklung typischerweise ab einer Zahl von 15 bis 20 Gesellschaftern (häufig in 3. oder fortgesetzter Generation).

In fortgesetzter Generationsnachfolge ist der Gesellschafterausschuss ein bewährtes Instrument professioneller Governance. Die meisten reiferen Unternehmerfamilien verfügen über einen Gesellschafterausschuss als zusätzliches Organ, um den beschriebenen Herausforderungen gerecht zu werden. Wie bei allen Governance-Überlegungen gilt es, sich rechtzeitig mit der zukünftig nötigen Struktur auseinanderzusetzen und einmal durchzuspielen, welche Konsequenzen eine solche Entwicklung hat.

Ein 4-Stufen-Modell für Gremien hilft, sich strukturiert mit dem Gesellschafter-Ausschuss zu befassen.

 

1. Stufe: Nutzen

Aus Sicht des Unternehmens geht es darum, auch in einem größeren Kreis handlungsfähig zu bleiben. Neben den Führungs- und Kontrollgremien (Geschäftsführung und Beirat/Aufsichtsrat) kann ein Ausschuss die neue unternehmerische Zentrale der Inhaber sein. Und aus Sicht der Inhaber, um die Vertretung Ihrer Interessen sicherzustellen, die Ausübung eines dominanten Einflusses, den sie als Gesamtheit immer weniger aufbringen können. Hier entsteht die Willensbildung, hier werden die Interessen der Gesellschafter gebündelt und die grundlegenden Aufgaben der Gesellschafter professionell wahrgenommen. Und andersherum: Das Gremium kann Fragen aus der Sphäre des Unternehmens für die Inhaber beantworten. Die inhaberstrategischen Leitplanken der Gesellschafter können in einem kleineren Gremium angewandt werden. Kurzum: Der Nutzen eines Gesellschafterausschuss wird in beiden Richtungen sichtbar: „Dafür stehen wir als Inhaber.“ & „Das ist die Meinung der Gesellschafter zu einer konkreten Fragestellung.“

 

2. Stufe: Aufgabe

Wie andere Gremien im Familienunternehmen, muss der Gesellschafterausschuss stimmig in das System der Governance eingebunden werden. Während ein Beirat oder Aufsichtsrat eher eine operative Nähe zu den Führungsgremien wahrnimmt und ein Familienrat mehr auf die dynamischen Aspekte der Inhaberfamilie ausgerichtet ist, übernimmt der Gesellschafterausschuss solche Kompetenzen, die grundsätzlich bei der Gesellschafterversammlung im Ganzen liegen. Seine Aufgabe ist es, als Vertretungs-Gremium eines großen Kreises effizient und professionell Gesellschafterrechte und -pflichten wahrzunehmen.

Im Vorfeld einer Sitzung sollten seine Mitglieder den Kontakt zu den anderen Gesellschaftern suchen, um Fragestellungen und Themenwünsche aufzunehmen. Inhaltlich wird er dann mit allen Fragen befasst, für die eine Entscheidung der Gesellschafter vorgesehen ist. Im Nachgang von Sitzungen ist es seine Aufgabe, diese Entscheidungen wieder in den Inhaberkreis zu kommunizieren und sicherzustellen, dass alle Gesellschafter die Vorgänge nachvollziehen können. Der einzelne Gesellschafter überträgt also die Ausübung bestimmter Kompetenzen an den Ausschuss.

Grundsätzlich können dem Gesellschafterausschuss weitgehende Rechte der Gesellschafter übertragen werden. Eine Grenze besteht im Hinblick auf den sogenannten Kernbereich der Gesellschafterrechte, also ganz grundlegende Fragen, wie etwas Kapitalmaßnahmen.

Davon abgesehen gilt es, die Kompetenzen des Gremiums je nach Governance-Konstellation auszurichten. Typisch sind Beratungs- und Überwachungsaufgaben und Zustimmungskataloge für bestimmte Geschäfte (hier kann zwischen einem etwaigen Beiratsgremium und dem Gesellschafterausschuss stimmig aufgeteilt werden). Darüber hinaus kann auch die Personalkompetenz über die führenden Köpfe auf den Gesellschafterausschuss übertragen werden, ebenso wie bestimmte Vermögenrechte. Häufig wird auch ein mehrstufiger Zustimmungsprozess installiert, wobei dem Ausschuss ein Vorschlagsrecht oder Votum übertragen wird, die finale Entscheidung dann aber formal in der Gesellschafterversammlung getroffen wird.

 

3. Stufe: Konstellation

Wie bei anderen Gremien stellt sich die Frage der richtigen Ausgestaltung im konkreten Einzelfall. Zunächst ist die Zahl der Mitglieder festzulegen. Sie sollte sich an einem abgewogenen Verhältnis zur Gesamtzahl der Gesellschafter orientieren und die Arbeitsfähigkeit des Gremiums im Blick halten. Typischerweise bilden sich Ausschüsse zunächst etwa im Verhältnis von einem Viertel oder einem Fünftel der Gesellschafterzahl.

Es gilt festzulegen, wie die Mitglieder in den Ausschuss gelangen. Hier sind Wahl- und Entsendungslogiken denkbar. Wie für andere Gremien sollten Stammesparitäten weitgehend vermieden, aber nicht völlig außer Acht gelassen werden, damit die Repräsentanz- und Informationsfunktion auch für alle Gesellschafter funktioniert. Mögliche Wahlverfahren reichen von einfachen Pro-Kopf-Abstimmungen bis hin zu sehr differenzierten Verfahren, die den jeweiligen Kapitalanteil berücksichtigen aber auch Minderheitenschutz sicherstellen sollen. Hier gilt es eine ausgewogene, aber auch praktikable Lösung zu suchen.

Dann wird das Gremium seine Arbeitsweise etablieren müssen, ggf. einen Vorsitzenden bestimmen und Zuständigkeiten festlegen. Neben Sitzungsturnus und Agenda ist es zentral zu regeln, welche Informationen das Gremium erhält und wie der Kommunikationsfluss in Richtung der Gesellschafter geregelt wird.

 

4. Stufe: Evaluation

Der Gesellschafterausschuss sollte immer wieder kritisch überprüft werden. In der Praxis wird bei der Einführung häufig ein Phasen-Modell angelegt. Um sich dem Gremium zu nähern, installieren Familien häufig einen Probe-Ausschuss über einen gewissen Zeitraum, um Zutrauen zu bekommen. Erst wenn er sich bewährt hat, kann er in einem zweiten Schritt „scharf geschaltet“ werden und die vorher definierten Rechte übertragen bekommen. Dazu ist dann auch eine entsprechende Änderung im Gesellschaftsvertrag notwendig.

Auch in der Folge sollte überprüft werden, ob sich die ursprünglichen Erwartungen an den Nutzen des Gremiums erfüllen. Insbesondere gilt das Augenmerk der Frage, ob seine Mitglieder die nötige Zeit, Qualifikation und Engagement aufbringen. Und ebenso: Ob sich alle Gesellschafter durch Ihren Ausschuss gut vertreten und ausreichend informiert fühlen. Verbesserungen wird es immer geben können. Auch der Ausschuss ist ein lebendes Organ in der Governance des Familienunternehmens, das mit den Strukturen des Unternehmens und der Familienkonstellation stets weiterentwickelt werden sollte.

 

 

Dr. Arno Lehmann-Tolkmitt (A.LEHMANN-TOLKMITT@PETERMAY-FBC.COM) ist Rechtsanwalt, Mediator und Partner der PETER MAY Family Business Consulting. Seit über fünfzehn Jahren berät er Inhaber:innen und Inhaberfamilien im Rahmen von Moderationen und Mediationen bei persönlichen Weichenstellungen, Inhaberstrategien und der Gestaltung von Governance-Modellen in Nachfolgesituationen. Darüber hinaus begleitet er bei der Optimierung von Führungs- und Kontrollstrukturen.