Mitglieder von Aufsichts- oder Beiräten stellen bei der Abrechnung ihrer Tätigkeit bisher in der Regel die fällige Umsatzsteuer in Rechnung. Aktuelle Rechtsprechungen des EuGHs und des BFHs sehen Aufsichtsratsmitglieder aber nun unter bestimmten Voraussetzungen nicht mehr als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts. Die Tätigkeit der Aufsichts- und Beiräte ist dann nicht mehr umsatzsteuerpflichtig. Wir haben im Folgenden für Sie zusammengefasst, was dies für Familienunternehmer bedeutet.
Bisher: Umsatzsteuerpflicht für Aufsichts- und Beiratsmitglieder
Nach bisheriger Auffassung von Rechtsprechung und Finanzverwaltung waren Mitglieder eines Aufsichtsrates oder Beirates stets als Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuergesetzes anzusehen. Die Aufsichtsrats- bzw. Beiratsmitglieder haben gegenüber der Gesellschaft Umsatzsteuer in Rechnung gestellt, es sei denn, sie haben von der Kleinunternehmerregelung Gebrauch gemacht.
Sofern die Gesellschaft z.B. als produzierendes Unternehmen zum Vorsteuerabzug berechtigt war, konnte sie die vom Aufsichts- bzw. Beiratsmitglied in Rechnung gestellte Umsatzsteuer gegenüber dem Finanzamt als Vorsteuer geltend machen, so dass für die Gesellschaft keine wirtschaftliche Belastung bestand.
Anders verhielt es sich jedoch bei den Gesellschaften, die aufgrund ihrer Tätigkeit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt sind. Diese konnten die vom Aufsichts- bzw. Beiratsmitglied in Rechnung gestellte Umsatzsteuer nicht geltend machen, weshalb die Umsatzsteuer bei diesen Gesellschaften zum echten Kostenfaktor wurde. Betroffen waren hiervon insbesondere Holdinggesellschaften (sogenannte Finanzholdings) und Family Offices.
In den meisten Fällen entfällt für das Unternehmen diese wirtschaftliche Belastung nun aufgrund aktueller Rechtsprechung. Dies geschieht derzeit aber nicht automatisch. Folglich muss das Mitglied des Aufsichts- oder Beirates gegenüber dem zuständigen Finanzamt aktiv tätig werden.
Aktuell: Chance zur wirtschaftlichen Entlastung der Gesellschaft
Nach aktueller Rechtsprechung des EuGHs (EuGH, Urteil vom 13.06.2019, C-420/18) und des BFHs (BFH, Urteil vom 27.11.2019, V R 23/19) ist ein Aufsichtsratsmitglied kein Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind. Diese Rechtsprechung ist zwar zu Aufsichtsräten ergangen, sie ist unseres Erachtens jedoch auch auf einen Beirat übertragbar.
Dies bedeutet, dass das Aufsichts- und Beiratsmitglied kein Unternehmer ist und damit keine umsatzsteuerpflichtige Tätigkeit ausübt, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt sind:
- Das Aufsichts- bzw. Beiratsmitglied erhält eine nicht variable Festvergütung für seine Tätigkeit, unabhängig von den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden und unabhängig von der Teilnahme an Sitzungen. D.h. das Aufsichts- bzw. Beiratsmitglied trägt kein wirtschaftliches Risiko für seine Tätigkeit. Ob diese Voraussetzung erfüllt ist, hängt von der Ausgestaltung der Vereinbarung zwischen der Gesellschaft und dem Aufsichts- bzw. Beiratsmitglied im Einzelfall ab. In vielen Fällen dürfte diese Voraussetzung aber erfüllt sein.
- Das Aufsichts- bzw. Beiratsmitglied handelt nicht im eigenen Namen und nicht auf eigene Rechnung, sondern nur als Mitglied des Gremiums in gemeinschaftlicher Verantwortung. Dies dürfte regelmäßig der Fall sein.
Sofern diese Voraussetzungen erfüllt sind, darf ein Gremiumsmitglied nach der aktuellen Rechtsprechung für seine Tätigkeit keine Umsatzsteuer gesondert in Rechnung stellen.
Derzeit hat die Finanzverwaltung zwar noch nicht auf diese neue Rechtsprechung reagiert und den bisher anderslautenden Umsatzsteueranwendungserlass geändert. Wir rechnen jedoch damit, dass die Finanzverwaltung die neue Rechtsprechung ab sofort anwenden wird.
Für Aufsichts- bzw. Beiratsmitglieder mit (teilweise) variabler Vergütung greift die neue Rechtsprechung nicht. D.h. hier bleibt es vorerst bei der Umsatzsteuerpflicht ihrer Tätigkeit.
Was können und müssen Sie tun als Gesellschaft mit einem Aufsichtsrat?
Alle zukünftigen Rechnungen der Aufsichtsräte mit Festvergütung sollten ohne Umsatzsteuerausweis erfolgen. Sollten die Aufsichtsräte weiterhin Umsatzsteuer in Rechnung stellen, schulden sie diese bis zu einer Rechnungskorrektur gegenüber dem Finanzamt. Selbst bei Gesellschaften, die z.B. als produzierendes Unternehmen generell zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, wird der Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Aufsichtsrats voraussichtlich versagt. Ob die Finanzverwaltung hier eine Übergangsfrist zulässt, bleibt abzuwarten.
Für die Veranlagungen bis zur Veröffentlichung des BFH-Urteils am 6. Februar 2020 greift ein Vertrauensschutz. Hier können sich die Gesellschaften auf die neue Rechtsprechung berufen, müssen dies aber nicht.
Was können und müssen Sie tun als Unternehmen mit einem Beirat?
Da sich die neue Rechtsprechung lediglich auf Aufsichtsräte und nicht ausdrücklich auch auf Beiräte bezieht, besteht bis zu einer Stellungnahme der Finanzverwaltung ein faktisches Wahlrecht der Gesellschaften mit einem Beirat: Sie können sich auf die aktuelle Rechtsprechung berufen oder belassen es bei der bisherigen Handhabung.
Wenn eine nicht variable Festvergütung vereinbart ist, können die Unternehmen die Bezahlung der Umsatzsteuer an ihre Beiratsmitglieder unter Hinweis auf die aktuelle Rechtsprechung verweigern. Dies gilt grundsätzlich auch für bereits in der Vergangenheit ausgestellte Rechnungen, die korrigiert werden könnten.
Für Unternehmen, die zum Vorsteuerabzug berechtigt sind, z.B. produzierende Unternehmen, bedeutet die neue Rechtsprechung keinen wirtschaftlichen Vorteil. Da die Finanzverwaltung bislang den Ausweis der Umsatzsteuer in der Rechnung des Beiratsmitglieds und den damit verbundenen Vorsteuerabzug bei der Gesellschaft anerkennt, könnten diese Unternehmen zunächst die Reaktion der Finanzverwaltung auf die aktuelle Rechtsprechung abwarten.
Anders verhält es sich bei den Gesellschaften, die nicht zum vollen Vorsteuerabzug berechtigt sind, z.B. die meisten Family Offices. Diese können sich unter Hinweis auf die neue Rechtsprechung einen echten Kostenvorteil verschaffen, indem sie zukünftig keine Umsatzsteuer mehr an das Beiratsmitglied zahlen und ggf. sogar für bereits in der Vergangenheit erhaltene Rechnungen Rückzahlung verlangen. Ob dies von dem für das Beiratsmitglied zuständigen Finanzamt akzeptiert wird, ist offen, aber die mögliche Diskussion mit dem Finanzamt könnte sich für die betroffenen Gesellschaften lohnen.
Dr. Karin Ebel ist Partnerin der PETER MAY Family Business Consulting, Maren Kiera-Nöllen ist Fachanwältin für Steuerrecht bei Ebner Stolz.