Liebe Familienunternehmer:innen, werdet sichtbar!

Raus ans Licht! In der richtigen Sprache. Auf den richtigen Kanälen. Als „visible Champion“! Warum es so wichtig ist, dass Familienunternehmen viel aktiver an ihrer Wahrnehmung arbeiten. Ein Beitrag von Dr. Dominik von Au.

Dominik von Au

 

Im Tatort sind Unternehmer (ja, meist nur die männlichen) immer noch die Bösen. Warum hält sich das Klischee des rücksichtslosen, ausbeuterischen, gierigen Chefs außerhalb unserer „Wir lieben Familienunternehmen“-Bubble eigentlich so hartnäckig? Sicherlich auch, weil viele Familienunternehmen nicht annähernd so sichtbar sind, wie sie sein könnten und müssten. In meiner engen Zusammenarbeit mit zahlreichen Inhaberfamilien, ganz gleich ob 2. oder 16. Generation, ob 200 oder ob 20.000 Mitarbeitende, fällt immer wieder auf, dass viele sich schwertun, aus einer scheinbar komfortablen Anonymität auszubrechen.

Anna Weber, Gesellschafterin und Co-CEO von BabyOne, hatte jüngst auf LinkedIn in einem vielbeachteten Artikel richtigerweise geschrieben „Menschen fühlen sich zu Menschen hingezogen, nicht zu Unternehmen. Gerade Familienunternehmen haben eine große Chance, Menschen sichtbar zu machen, die sich dem Unternehmen verbunden fühlen.“

Albert Dürr, dritte Generation beim Bauunternehmen Wolff & Müller, sieht das ähnlich. Nach dem jüngsten Bauunternehmer-Mörder-Tatort bekam er für seinen Protestpost auf LinkedIn viel Resonanz. Er schrieb: „Die Spitzenleistung, die unsere Bauprofis erbringen, wird öffentlich zu wenig wahrgenommen. Ich wünsche mir, dass die Menschen da draußen beim Stichwort „Bauen“ leuchtende Augen bekommen und an aufregende Projekte, logistische Meisterleistung und digitale Methoden denken.“

Aber die beiden sind in der Welt der Familienunternehmer leider immer noch die Ausnahme. Nicht jeder Unternehmer oder jede Unternehmerin fühlt sich wohl damit das Gesicht des Unternehmens zu sein: ein nach außen sichtbarer, starker Markenbotschafter.

Doch warum halte ich das für so wichtig? Weil wir mehr Leuchttürme unter den Familienunternehmen und Unternehmerfamilien benötigen. Weil „Hidden Champions“ einfach von gestern ist! Weil sich hinter seinen Produkten und Leistungen zu verstecken in der heutigen Welt mitunter kontraproduktiv ist. Und weil wegweisende Firmen heute vielmehr inhaltsgeladen laut sein müssen, sich einmischen dürfen und den öffentlichen Diskurs mitprägen sollten! 

Denn der ungeschönte Blick auf den Industriestandort Deutschland, die Arbeitsplätze und unsere Zukunftsfähigkeit zeigt leider: „Hohe Energiepreise, Abgaben und Steuern, großer Fachkräftemangel und hoher bürokratischer Aufwand erschweren das erfolgreiche Wirtschaften in unserem Land erheblich“, so Marie-Christin Ostermann, die frisch gewählte Präsidentin des Verbands DIE FAMILIENUNTERNEHMER. Wir sind demnach alle (auf-)gefordert. Aus vielerlei Gründen!

Diese Haltung spiegeln mir auch immer mehr Next Gens. Wenn ich im Rahmen intensiver Inhaberstrategie-Diskussionen neben der strategischen Ausrichtung des Unternehmens und der Frage, wie die bestmögliche Führungs- und Kontrollstruktur aussehen sollte, auch über Werte und Selbstverständnis spreche, wird vor allem von der jüngeren Generation immer häufiger propagiert, die gelebten Werte noch stärker nach außen zu tragen. Next Gens, die als Geschäftsführende Gesellschafter:innen Verantwortung übernehmen, haben das selbst in der Hand. Sie können und sie sollten sich heute meinungsstark zu verschiedensten gesellschaftlichen Themen äußern und dabei auch ganz nebenbei ihre Marke aufbauen. Einige tun das schon. Aber auch Unternehmerfamilien ohne diese glückliche Kombi aus CEO = Eigentümer = Markenbotschafter sollten und müssen Wege finden, ihr „Wofür“ stärker sichtbar zu machen.

Marktführer bei Produkten sein, ist das eine. „Marktführer“ beim Ideellen, Sinnstiftenden, Gesellschaftsbeitragenden sein, etwas anderes. Zu viele Familienunternehmen kokettieren noch mit ihrem Dasein als versteckte Sieger. Regional- und Landespolitiker schmücken sich dann mit den unbekannten Weltmarktführern vor der Haustür. Doch wer „hidden“ ist, den sehen eben viele nicht und der hat es, gerade in Zeiten des Fachkräftemangels, schwerer. Dabei haben wir doch alle begriffen, dass zu den künftigen Gewinnern vor allem die zählen werden, die mit den zeitgemäßen Instrumenten des Marketings – allen voran inhaltsstarker Content verpackt in berührendes Storytelling – Relevanz vermitteln und Aufmerksamkeit bekommen. Was die sagen, zeigen, vermitteln, betrifft mich! Da will ich mehr erfahren! Da gehe ich auf die Website, schaue nach den handelnden Personen, auch nach Produkten, nach offenen Stellen sowieso! Dafür braucht es Sichtbarkeit, Erlebbarkeit, Betroffenheit.

Aber hier muss man natürlich auch etwas vorzuweisen haben. Erst die Leistung, dann das Storytelling. Es geht um eine ausgewogene Mischung aus unternehmerischem Erfolg, Selbstbewusstsein und leidenschaftlicher Vermittlung.

Der Künzelsauer Maschinenbauer und Prozesstechniker Ziehl-Abegg, Weltmarktführer in diversen Disziplinen, hat die Transformation zum Unhidden Champion wie ich finde bravourös gemeistert: emotional ansprechende Website, meisterhaftes Storytelling, authentische Social-Media-Aktivitäten. Mit coolen Employer-Branding-Spots auf Tiktok schaffen sie es in die Herzen potenzieller Mitmacher; fröhlich und nicht anbiedernd, allürenfrei und kraftvoll. Dürfen die das? Sie müssen es.

Ein anderes Beispiel ist die gelungene Neupositionierung des Darmstädter Familienunternehmens Merck: Weg vom Image als Pharma- und Chemiekonzern, hin zum Ruf als Wissenschafts- und Technologieexperte. Hier zeigt sich viel Mut bei Logo, Look und Tonalität: What? Das ist Merck von 1668? Ganz genau, und zwar extrem verjüngt, attraktiv aufgeladen und positioniert als die „Curious minds dedicated to human progress“. So fokussieren sie auf die jüngere, aufgeschlossene Zielgruppe. Die Kommunikation des Wandels erfolgte vorwiegend über die digitalen Medien, unterstützt durch Influencer vom Fach: Biologen, Physiker, Psychologen, Technologieexperten, Science-Bloggern.

Zeitgemäß emotionale, aktivierende Botschaften funktionieren. Wenn sie denn auch der gelebten Realität entsprechen. Einer Befragung des Arbeitgeber-Bewertungsportals Glassdoor zufolge ist für mehr als die Hälfte der Arbeitnehmer:innen die Unternehmenskultur wichtiger für die Zufriedenheit als das Gehalt. Ein solches Verhältnis wäre noch vor einigen Jahren undenkbar gewesen. Mehr als drei Viertel meinten, sie wurden sich zuallererst intensiv mit der Kultur auseinandersetzen, bevor sie sich bewerben. Auch das ist ein Argument dafür, auf diese Faktoren ein besonderes Augenmerk zu legen, wenn man sich mit seiner Wandlung zum „visible Champion“ beschäftigt. Wohl wissend, dass die Kultur sich nicht einfach kreieren, dafür umso besser neu entdecken, auf den Punkt bringen und ausformulieren lässt. Ausgehend von der Gesellschafterfamilie – und hier insbesondere von der Next und Now Generation!

Die Macht der ernstgemeinten und gelebten Kultur platziert diese Unternehmen in der Wahrnehmung ganz oben. Der, dessen Kultur und Selbstverständnis (personifiziert) positiv spürbar wird, wird geliked und geshared. Gelingt dieser Eindruck auf Dauer, profitiert das Unternehmen von dem, was heute besonders kostbar ist, alle haben wollen und nur wenige bekommen: Social Proof. Und auch wenn das so viele Unternehmerinnen und Unternehmer (noch) nicht akzeptieren: setzt Euch damit bitte ernsthaft auseinander! Am besten gleich in der nächsten Geschäftsführungsrunde, Beiratssitzung oder Gesellschafterversammlung.

Ich freue mich auf Eure und Ihre Meinung unter d.vonau@petermay-fbc.com

Weitere Ideen und Anregungen finden Sie in meinem Debattenbuch „Gesellschaftsbeitrag: Wie Unternehmen mit ihrem spürbaren ‚Wofür‘ markant vorankommen“ – verfasst gemeinsam mit Jon Christoph Berndt, Deutschlands führenden Experten für Profilierung, Aufmerksamkeit und Vermarktungserfolg.