Vom Unternehmens-Cockpit zum Vermögens-Cockpit

In diesem Beitrag aus KLARTEXT, dem Family Business Briefing der PETER MAY Family Business Consulting, vom 3. August 2021 spricht Prof. Dr. Peter May über den Wandel des Unternehmerverständnisses und seine Folgen.

Peter May

 

Deutschlands Familienunternehmen machen derzeit eine beispiellose Transformation durch. Emanzipation, Diversität und Genderthematik verändern das tradierte patriarchalische Führungsmodell, während die rasch voranschreitende Digitalisierung und der Siegeszug des mit nahezu grenzenlos verfügbarem Geld gefütterten Finanzkapitalismus das tradierte Unternehmerverständnis der deutschen Familienunternehmen infrage stellen.

Die besten unter unseren Familienfirmen haben längst begonnen, sich diesen Veränderungen anzupassen. Sie transformieren sich selbst. Zunächst wurde das patriarchalische Governance-Modell abgeschafft und durch eine professionelle Governance ersetzt. Gut geführte Familienunternehmen verfügen inzwischen über eine von den Inhabern gemeinsam verabschiedete strategische Grundausrichtung, über professionelle Organstrukturen sowie hochkarätig und divers besetzte Gremien. Mann oder Frau, Familienmitglied oder Externe – das alles darf im Familienunternehmen des Jahres 2021 keine Rolle mehr spielen. Entscheidend sind allein Qualität und Passgenauigkeit. Das ist nicht neu, sondern einfach nur der neue Standard.

Inzwischen beobachte ich eine weitere Transformation – wahrscheinlich noch gravierender und radikaler als die erste. Die Perspektive der Unternehmerfamilien auf ihr Familienunternehmen wandelt sich. Der traditionelle German Mittelstand ist auf dem Rückzug. An die Stelle der Fokussierung auf das familiäre Unternehmen tritt der Blick auf das familiäre Gesamtvermögen.

Für Deutschlands Familienunternehmen ist das eine Revolution. In der gesamten zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts bildete das Familienunternehmen und die hinter ihm stehende Unternehmerfamilie eine untrennbare Einheit – zwei Seiten derselben Medaille sozusagen. Entgegen unserer Annahme war das allerdings keineswegs ein alternativloses Modell. Der German Mittelstand mit seinen fokussierten Familienunternehmen und seiner „Firma geht vor“-Attitüde war vielmehr einer historischen Sondersituation geschuldet. Weil in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg nahezu alles Vermögen vernichtet war und ein großer Wiederaufbaubedarf bestand, bauten unsere Gründerunternehmer – gemeinsam mit ihren Belegschaften – zunächst die Unternehmen neu oder neue Unternehmen auf. Anderes Vermögen gab es (noch) nicht. Die Gleichsetzung der Interessen von Unternehmerfamilie und Familienunternehmen hat hier ihre Wurzel, nicht weil sie natürlich oder gar alternativlos wäre.

Mit dem wachsenden finanziellen Erfolg und dem zunehmenden Bedürfnis der Erbengeneration nach einer Begrenzung ihres finanziellen Risikos, entstanden um die Jahrtausendwende auch hierzulande immer mehr Family Offices, ein Phänomen, das vor allem in den USA längst zum unternehmerischen Alltag gehörte. Allerdings standen diese Family Offices als sogenannte „zweite Säule“ zunächst noch ziemlich selbstständig neben dem traditionellen Familienunternehmen. Während dort unternehmerisch agiert wurde und die alten Glaubensätze nach wie vor Bestand hatten, wurde im Family Office meist eine konservative Gegenposition zum unternehmerischen Risiko aufgebaut.

Mittlerweile gehen Deutschlands führende Unternehmerfamilien noch einen Schritt weiter. Sie heben die Trennung zwischen Familienunternehmen und Family Office auf. An die Stelle einer isolierten Unternehmens- und Vermögensbewirtschaftung tritt die Gesamtvermögensbewirtschaftung.

Eine Entwicklung mit weitreichenden Folgen. Das Familienunternehmen ist plötzlich nicht mehr unantastbar. Es muss sich einem Vergleich mit anderen Investitionsalternativen stellen. An die Stelle des unangreifbaren Credos „Firma geht vor“ treten nun Fragen wie: Sind wir noch der Best Owner für das Unternehmen? Und ist das Unternehmen noch das Best Asset für die Familie?

Zugleich wird die Bewirtschaftung der übrigen Vermögensanlagen der Familie professioneller und von bisherigen Zwängen befreit. Anstatt einfach nur eine Sparbüchse für Notfälle und Erbschaftssteuer zu sein, soll sie in der neuen Welt zu einem optimierten familiären Gesamtportfolio beitragen. Nicht mehr nur konservative Anlagen in Wertpapiere und Immobilien, sondern auch Alternative Assets, Private oder Family Equity, Club Deals und vieles andere mehr steht plötzlich auf der Tagesordnung.

Das ist ein komplett neuer Ansatz. Er steckt noch in den Kinderschuhen, aber ich bin sicher, er wird die Welt der Familienunternehmen in Deutschland nachhaltig verändern. Ob mir alle Folgen, insbesondere die gesellschaftspolitischen, gefallen, weiß ich noch nicht (ich werde weiter darüber nachdenken). Aber es wäre naiv, diese Entwicklung einfach auszublenden.

Sie werden mich nun zu Recht fragen, was all dies für Sie und Ihre Unternehmerfamilie bedeutet. Ich will diese Frage nach bestem Wissen und Gewissen beantworten.

Erstens: Jede Unternehmerfamilie muss sich fragen, ob ihre inhaberstrategische Grundausrichtung (Zimmer 3 unseres Inhaberstrategie-Hauses) noch richtig ist. Verstehen wir uns weiter als eine Familie mit Unternehmen, als Familie mit Unternehmen und Family Office oder wird die Idee einer Gesamtvermögensbewirtschaftung den Herausforderungen der neuen Zeit besser gerecht? Dieser Frage dürfen Sie nicht ausweichen, wenn Ihnen die Enkelfähigkeit Ihres Unternehmens und Ihres Vermögens am Herzen liegt.

Zweitens: Ihre Controllinginstrumente müssen dringend an die neue Wirklichkeit angepasst werden – und zwar auch dann, wenn Sie sich nicht für eine Gesamtvermögensbewirtschaftung entscheiden. Anders sind rationale und halbwegs objektive Entscheidungen für das familiäre Portfolio nicht möglich.

Konkret heißt das: Das bestehende Unternehmens-Cockpit muss um ein Vermögens-Cockpit ergänzt werden. Wir haben in den letzten Jahren gemeinsam ein großartiges Instrumentarium zur Beurteilung von Stabilität, Rentabilität und Wachstum unserer Familienunternehmen entwickelt und implementiert. KPIs zu Eigenkapitalquoten, Verschuldungsintensität, Umsatz-, EBT- und EBITDA-Rentabilitäten (gegebenenfalls auch adjustiert) sowie zu Umsatz- und Wertwachstum gehören längst zur Realität deutscher Familienunternehmen.

Jetzt müssen wir noch einen Schritt weitergehen. Wie verhalten sich Risiko und Rentabilität des im Unternehmen gebundenen Kapitals im Vergleich zu unseren anderen Anlageklassen? Wie ist die Wertentwicklung? Wie die Ausschüttungsrendite? Zu Buch- und zu Marktwerten? Sind die Zahlungen an Gesellschafter, Aufsichtsräte und Geschäftsführer angemessen und marktgerecht? U.v.m.

Wenn eine Unternehmerfamilie wirklich professionell sein will, muss sie auch auf diese Fragen eine Antwort haben, denn nur dann lassen sich Ratio und Emotion zu einer Einheit verbinden. Deshalb habe ich gemeinsam mit meinen Kollegen von der PETER MAY Family Office Service das erste professionelle Vermögens-Cockpit für Familienunternehmen entwickelt. Testen Sie uns.