Von Jörg Killer
Vor welchen Herausforderungen stehen NextGens in der Transitionsphase?
Wenn NextGens im eigenen Familienunternehmen die Führungsnachfolge antreten, wird die erste Stufe – also Auswahl und Vorbereitung des Nachfolgers sowie die Nachfolgeregelung – meist professionell gesteuert und häufig auch extern unterstützt. In der zweiten Stufe – den ersten 12 bis 24 Monaten der Geschäftsführung durch den NextGen – ist dies jedoch oft nicht der Fall. Doch genau in dieser Phase entscheidet sich der langfristige Erfolg der Übergabe.
Ein Beispiel aus der Praxis: Ein junger Nachfolger, den ich in den ersten zwölf Monaten und darüber hinaus mehrere Jahre begleitet habe. Bereits seit seiner Lehre und später als Werkstudent war er im Unternehmen aktiv und hatte schrittweise mehr Verantwortung bis hin zur Leitung eines Unternehmensbereichs übernommen. Als er schließlich die Geschäftsführung übernahm, zeigte sich folgende Ausgangssituation:
- Eine vom Vater erarbeitete Strategie war vorhanden. Diese war jedoch nicht systematisch oder zukunftsgerichtet entwickelt worden, sondern eher eine rückblickende Zusammenfassung bisheriger Erfolge, die für die Zukunft fortgeführt werden sollten.
- Im Top-Management-Team (der Führungsebene unterhalb des Geschäftsführers) waren fast alle Personen seit vielen Jahren im Amt. Man kannte und schätzte sich, doch frischer Wind und neue Gedanken fehlten.
- Die Organisation war um starke Führungspersönlichkeiten herum aufgebaut – das heißt: an deren individuellen Stärken und Schwächen orientiert, nicht primär an den Anforderungen des Marktes oder zukünftiger Herausforderungen.
- Die Unternehmenskultur basierte auf vier Kernwerten, die jedoch inhaltlich vage formuliert waren und sich im tatsächlichen Verhalten der Mitarbeitenden kaum widerspiegelten.
- Prozesse waren durch hohe interne Friktion und Verschwendung gekennzeichnet – auch, weil der Senior-Geschäftsführer das Thema Prozessmanagement eher als bürokratisch ansah und keine großen Ressourcen in Verbesserungen investieren wollte.
- Das Unternehmenswachstum hatte sich auf unter 3 % abgeschwächt, und die angestrebte Umsatzrendite von 10 % war immer schwieriger zu erreichen.
Welche Schritte haben wir in der Transitionsphase unternommen, um diese Herausforderungen zu bewältigen?
Nach einer systematischen Bestandsaufnahme – in der nach und nach die oben genannten Themen deutlich wurden – kamen auch weitere Aspekte zur Sprache: etwa die Sinnhaftigkeit der aktuellen Beiratszusammensetzung, die historische Veränderungsfähigkeit des Unternehmens sowie die Führungs- und Selbstmanagementfähigkeiten des NextGen.
Eines wurde schnell klar: Die Herausforderungen für den Nachfolger waren enorm. Die Themen mussten zielgerichtet, strukturiert und umsetzungsorientiert angegangen werden.
In einem offenen Gespräch stellte sich heraus, was der NextGen für diese Phase wirklich brauchte:
- „Ich möchte das Unternehmen erfolgreich weiterführen – und nicht derjenige sein, der es, salopp gesagt, vergeigt.“
- „Ich möchte in der Transitionsphase die Dinge im Griff haben – statt ein Getriebener zu sein.“
Basierend darauf entwickelten wir – teils bilateral, teils in Zusammenarbeit mit ausgewählten Führungskräften und Mitarbeitenden – eine Transition-Roadmap, die alle Themen aus der Bestandsaufnahme validierte, priorisierte und in eine sinnvolle Reihenfolge brachte. Diese Roadmap gab klare Richtung und Struktur – und war dadurch auch psychologisch wie emotional eine große Entlastung für den NextGen.
In den darauffolgenden drei Jahren wurde diese Roadmap unter seiner Führung, mit meiner Unterstützung und einem eigens von ihm zusammengestellten Team konsequent umgesetzt.
Welche Ergebnisse konnten für den NextGen und das Unternehmen erzielt werden?
36 Monate nach der Übernahme blickte der NextGen zufrieden auf seine Transition zurück:
- Er war fachlich wie menschlich gut in der Geschäftsführung und im Unternehmen angekommen.
- Eine zukunftsgerichtete Strategie war entwickelt und mit Unterstützung auf allen Ebenen erfolgreich umgesetzt worden – inklusive neuer Organisationsstruktur, effektivem Prozessmanagement und passenden Managementsystemen.
- Das Top-Management-Team und die nachfolgenden Ebenen standen geschlossen hinter der Strategie und setzten sie entschlossen um.
- Der neu zusammengesetzte Beirat erwies sich als wertvoller Sparringspartner für die Implementierung.
- Das Unternehmen erlebte eine klare Entwicklung: Umsatzwachstum von 6 % p.a. bei stabil erreichter Umsatzrendite von 10 %.
Und nicht zuletzt: Das Unternehmen hatte den Spagat geschafft – einen Quantensprung gemacht, ohne die eigenen Wurzeln zu verlieren.
Lessons Learned – Worauf kommt es in der Transitionsphase aus Sicht des CEO/NextGen an?
- Die Transitionsphase ist eine hervorragende Chance, die Weichen für die Zukunft des Familienunternehmens richtig zu stellen – durch eine ausgewogene Kombination aus „Stärken bewahren“ und „Veränderungen mutig anstoßen“.
- Die meisten Herausforderungen lassen sich den folgenden Kernbereichen zuordnen:
Leadership & Top-Management-Team, Strategie, Organisation & Prozesse, Kultur & Change, Managementsysteme, Stakeholder (Familie, Beirat) sowie Selbstmanagement des NextGen. - Der beste Start in die Transitionsphase gelingt durch eine systematische Bestandsaufnahme – am besten gemeinsam mit einem erfahrenen Sparringspartner. Diese sollte sowohl die aktuellen Herausforderungen des NextGen als auch die Change Readiness des Unternehmens abbilden.
- Die Weiterentwicklung des NextGen – insbesondere in Führungskompetenzen und Selbstmanagement – sollte integraler Bestandteil der Transition-Roadmap sein.
Fazit
Der Nachfolgeprozess ist erst dann wirklich erfolgreich, wenn der NextGen überzeugend in der CEO-Rolle angekommen ist – und die vielfältigen Herausforderungen eines neuen Geschäftsführers gemeistert hat.
Während sich viele Familienunternehmen für die Nachfolgeregelung bereits externe Unterstützung holen, ist die Nachfrage nach professioneller Begleitung während der Transitionsphase in Deutschland noch gering.
In anderen Ländern – etwa den USA – ist man hier weiter: Dort gilt die Unterstützung neuer Geschäftsführer in den ersten Monaten als lohnende Investition, die sich vielfach auszahlt.
Über den Autor
Jörg Killer ist erfahrener Manager und Change-Management-Experte. Heute entwickelt er mit Geschäftsführern von Familienunternehmen und ihren Nachfolgern Konzepte und Fahrpläne für die Weiterentwicklung des Unternehmens – und begleitet NextGens in ihrer CEO-Rolle.
www.killerandcie.de