Wie eine Familientradition erfolgreich digitalisiert werden kann

Christina Diem-Puello hat zusammen mit ihrem Mann ein seit über 100 Jahren erfolgreiches Unternehmensmodell modern interpretiert und digitalisiert. Über die Erfolgsgeschichte der Deutsche Dienstrad GmbH berichtet sie im Gespräch mit unserem Partner Dr. Matthias Händle.

 Christina Diem-Puello

Foto: Deutsche Dienstrad


Ohne Frage ist der Übergang auf die nächste Generation immer ein kritischer Zeitpunkt für Familienunternehmen. Aber statt des oft diskutierten Risikos der Veränderung sollte vielmehr die Chance durch die Begeisterung der jungen Generation in den Vordergrund gerückt werden. Welche Wege es zur Fortführung oder auch Neugründung des Familienmythos’ gibt, durfte ich mit Christina Diem-Puello diskutieren. Christina hat zusammen mit ihrem Mann Maximilian Diem die Familientradition in vierter Generation neu interpretiert und mit der Deutsche Dienstrad eine Gründung neben dem Familienunternehmen gewagt. Seit über 100 Jahren ist ihre Familie einer der wichtigsten Akteure der weltweiten Fahrradindustrie. Nun verbindet sich das Branchen-Knowhow mit dem Einsatz moderner digitaler Lösungen und es entsteht ein völlig neues Kapitel.

 

Matthias Händle: Christina, Hand aufs Herz: Wie kommst Du zur Arbeit?

Christina Diem-Puello: Wann immer es geht, nehme ich das Fahrrad. Ich wohne in Bad Kissingen. Bis zu unserem Firmensitz in Schweinfurt sind es etwa 25 Kilometer – kein Problem mit dem E-Bike oder einem Pedelec. Mein Mann und ich sind auch am Wochenende häufig mit den Rädern unterwegs. Als fränkisches Urgestein liebe ich es, die Region zu erkunden. Ich war schon immer das Mädchen mit dem Fahrrad. Und das ist bis heute so geblieben. Für mich ist das Rad beruflich und privat nicht aus meinem Leben wegzudenken. Wichtig ist mir aber auch: Das Fahrrad kann nie die alleinige Antwort sein auf die Frage nach mehr Nachhaltigkeit in der Mobilität. Natürlich gibt es auch Anlässe, zu denen auch ich das Auto nehme. Das Fahrrad ist für mich aber immer mindestens eine nützliche Ergänzung des Weges. 

 

Zusammen mit Deinem Mann hast Du das Unternehmen Deutsche Dienstrad mitten in der Corona-Krise gegründet. Du scheinst Herausforderungen zu lieben …

Wir haben Deutsche Dienstrad tatsächlich inmitten des ersten Corona-Lockdowns gegründet. Geplant war das so nicht, aber wir haben die Herausforderung trotz der Unsicherheiten angenommen. Keiner wusste, was da genau auf uns zukommt. Wie wird sich die Wirtschaft entwickeln? Wie beeinflusst die Pandemie die Nachfrage nach Fahrrädern? Aber mutig zu sein und unternehmerische Risiken einzugehen, ist Teil meiner DNA. Mittlerweile hat sich gezeigt, dass Corona sogar ein Katalysator für neue Mobilität war und den Wandel zu umwelt- und gesundheitsfreundlicher Fortbewegung noch beschleunigt hat. So sind auch wir in dieser Zeit mitgewachsen und konnten uns fest als kompetenter Partner für Dienstradleasing etablieren. Das hat uns wieder mal gezeigt: Unternehmerischer Mut zahlt sich aus.

 

Wie prägt Dich Dein Hintergrund? Du stammst aus einer traditionellen Unternehmerfamilie.

Meine Familiengeschichte rund um das Fahrrad und das Unternehmertum hat mich natürlich enorm geprägt. Die klassischen Werte, die mir vermittelt wurden, sind mir sehr wichtig. Gleichzeitig bin ich aber auch extrem offen für Innovationen, digitale Technologien und neue Herangehensweisen. Tradition und Zukunft miteinander zu verbinden, ist unsere große Stärke. Deutsche Dienstrad ist innovativer Technologieführer im Dienstradmarkt, wir können dazu aber aus dem mehr als 100-jährigen Wissens- und Erfahrungsschatz meiner Familie schöpfen. Wir denken langfristig und legen großen Wert auf vertrauensvolle Partnerschaften mit dem Fachhandel, Dienstleistern und natürlich unseren Kunden und Mitarbeitenden. Am liebsten nutzen wir dafür moderne Technologien. So haben wir zum Beispiel einen völlig digitalen und intuitiven Leasing-Prozess eingeführt. Durch diesen optimierten Ablauf haben wir mehr Zeit, persönlich für unsere Kunden da zu sein und Unternehmen und Mitarbeitende auf dem Weg von der Erstberatung bis zum Leasing und darüber hinaus zu begleiten. Außerdem kann so jeder Hersteller und sogar der kleine Fahrradladen um die Ecke seine Räder digital über uns anbieten.

 

Warum sollten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ein Fahrrad leasen, anstatt es zu kaufen?

Weil es sich gleich mehrfach lohnt. Mitarbeitende müssen den Kaufpreis des Fahrrads nicht auf einen Schlag aufbringen. Und durch die Gehaltsumwandlung sparen sie bis zu 40 Prozent im Vergleich zu einem Privatkauf. Viele Unternehmen beteiligen sich außerdem an den Leasingkosten und setzen das Dienstrad als Bonus ein. Arbeitnehmende können ihr Rad sowohl beruflich als auch privat nutzen und sind über die gesamte Laufzeit vollständig abgesichert.


Und wie profitieren Unternehmer:innen davon, wenn Mitarbeitende mit dem Dienstrad zur Arbeit kommen?

Radfahrer:innen sind gesünder. Sie haben ein Drittel weniger Krankheitstage, sind motivierter und leistungsfähiger. Unternehmer:innen stehen heute zudem in der Mitarbeitendenmotivation vor neuen Herausforderungen: Die junge Generation ist für klassische Statussymbole wie den Dienstwagen oft nicht mehr empfänglich. Werte wie Gesundheit und Nachhaltigkeit rücken in den Vordergrund. Diensträder sind ein zeitgemäßes Mittel, um Mitarbeitende zu binden oder junge Talente anzuziehen – und für Unternehmen vollkommen kostenneutral realisierbar. Immer häufiger höre ich von Unternehmensseite auch, dass das Dienstrad ein wichtiger Baustein bei der Einsparung von CO2 ist.

 

Wie können Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber das Pendeln mit dem Rad attraktiver machen?

Viele Menschen sind heute von sich aus bereits umwelt- und gesundheitsbewusster. Die Erfahrung zeigt, dass es gar nicht viel braucht. Bereits Kleinigkeiten wie Umkleideräume, vernünftige Abstellmöglichkeiten oder ein Zuschuss zum Dienstrad genügen, um Mitarbeitende zum Wechsel auf das Fahrrad zu motivieren.

 

Wo soll es noch hingehen? Welche Ziele habt Ihr Euch mit der Deutschen Dienstrad gesetzt?

Das E-Bike hat die Branche revolutioniert und das Fahrrad zu einer echten Alternative zum Dienstwagen gemacht, die nicht nur privilegierteren, sondern allen Arbeitnehmenden offensteht. Wir erleben seither einen regelrechten Boom. Der Markt wächst rasant, ist ständig in Bewegung und enorm innovationsstark. Im Leasing von Diensträdern sehe ich die Zukunft. Unser großer Vorteil: Durch unsere rein digitale Plattform sind wir völlig marken- und modellunabhängig. Kunden profitieren also von einer großen Auswahl und den aktuellen Trends. Vom großen Hersteller bis zur kleinen Manufaktur ist alles dabei. Den erfolgreichen Weg, den wir bisher mit der Deutschen Dienstrad eingeschlagen haben, möchten wir natürlich fortsetzen. Das heißt, weiter zu wachsen und mittelfristig die Service- und Qualitätsführerschaft im Bereich der betrieblichen Mobilität zu übernehmen. Den ersten Schritt gehen wir mit unserem einzigartigen MobilityHub. Mit dem MobilityHub verknüpfen wir über ein einzigartiges Marktplatz-Modell den regionalen Fachhandel mit Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden auf der Dienstrad Plattform. Weitere Schritte werden folgen, um allen Stakeholdern das Dienstrad-Modell so einfach und aufwandsarm wie möglich zu machen. Unsere Vision ist es, mit Deutsche Dienstrad allen Mitarbeitenden in Deutschland einen erschwinglichen und einfachen Zugang zur zukunftsorientierten, klimaneutralen Mobilität zu ermöglichen.

 

Habt Ihr an eine Eingliederung in das Ursprungsunternehmen gedacht oder liebt Ihr die Unabhängigkeit?

In meiner Familie leben wir nach dem Motto: „In großen Fußspuren eigene Wege gehen“ – und genau das ist es, was ich gemeinsam mit meinem Mann Maximilian mit Deutsche Dienstrad tue. Unser Familienerbe ist uns sehr wichtig und bietet einen großartigen Erfahrungsschatz, aus dem wir auch unternehmerisch schöpfen können. Ich bin aus vollem Herzen Unternehmerin und bin gleichzeitig unglaublich dankbar dafür, dass ich mich immer auf den Rat meiner Mutter verlassen kann. Eine Eingliederung in das Ursprungsunternehmens ist aber nicht geplant. Wir fühlen uns alle sehr wohl damit, wie es gerade ist. Innovation braucht immer auch die Loslösung vom Alten. Wir verbinden das Beste aus zwei Welten. Denn oftmals können Start-ups einiges von Familienunternehmen lernen und umgekehrt. Wir führen somit die Werte des Familienunternehmens aus Beständigkeit, Langfristig und Nachhaltigkeit kombiniert mit der Schnelligkeit und Dynamik sowie Innovationskraft einer flexiblen Organisation fort. Über die Start-up Phase sind wir nun bereits sehr erfolgreich hinweg und konnten uns dennoch die Dynamik beibehalten, die es braucht, um Digital- und Technologieführer zu sein. Auch ein Verkauf bzw. ein Exit ist jedoch niemals eine Option, denn genau das macht uns aus. Die Säulen aus Werten und nachhaltiger Unternehmensführung stützen uns, um unser Familienerbe in der Mobilitätsindustrie erfolgreich fortzuführen und unsere ganz eigenen Fußstapfen zu hinterlassen. Quasi unser CO2 neutraler, eigener kleiner „Footprint” in der Welt.

 

Wer führt Euer Ursprungsunternehmen heute?

Unser Ursprungsunternehmen, die Pierer Mobility AG (ehem. PEXCO GmbH), wird nach wie vor von meinen Eltern in langfristiger Geschäftsführertätigkeit für die E-Mobility-Bikes-Sparte geführt. Gleichzeitig sind wir als Familie als Ankeraktionäre vertreten und können so die positive Zukunft des Unternehmens von zwei Seiten gestalten. Wir beschäftigen uns seit über fünf Jahren mit dem stark wachsenden Markt des „Dienstrads“ und haben frühzeitig mit dem Aufbau eines einzigartigen Dienstrad-Modells begonnen. Im Jahr 2020 wurde dann das eigenständige Unternehmen Deutsche Dienstrad aus der börsennotierten Pierer Mobility AG (ehem. PEXCO GmbH) ausgegründet. Mein Mann und ich halten 100 Prozent der Anteile und führen unseren eigenständigen, unabhängigen Weg fort.

 

Wie eng ist Deine Verbindung zu Eurem alten Familienunternehmen?

Ich bin quasi im Familienunternehmen aufgewachsen, es ist essentieller Bestandteil davon, wer ich bin – und es hat mir überhaupt erst ermöglicht, mein eigenes Unternehmen zu gründen. Ohne den Rückhalt meiner Familie, die Ratschläge meiner Mutter und ohne das Fahrrad im Blut wäre die Gründung von Deutsche Dienstrad auch nicht möglich gewesen. Die Erfahrungen, die ich schon früh durch unser familiäres Unternehmertum sammeln konnte, waren Goldwert für meinen eigenen Weg in Richtung Leadership. Ich bin sehr dankbar, dass ich bereits so früh eigene Schritte machen konnte. Daher ist die Verbindung natürlich sehr eng.

 

Würdest Du sagen, dass die Unternehmenskultur zwischen den beiden Unternehmen deutlich variiert? Und wenn ja, inwiefern?

Bei uns stehen seit jeher die Familie, der Zusammenhalt und Wertschätzung im Mittelpunkt. Ob in unserem Familienunternehmen oder jetzt bei Deutsche Dienstrad: Die Mitarbeitenden gehören zur Familie. Die Kultur ist also schon sehr ähnlich. Diesen Spirit habe ich sicherlich aus unserer Unternehmensgeschichte mitgenommen. In meinem eigenen Unternehmen ist mir daher vor allem wichtig, dass die Mitarbeitenden sich gut fühlen. Als wertgeschätzter Teil eines großen Ganzen. Bei Deutsche Dienstrad machen wir gute Erfahrungen mit einem Modell, das wir „familienfreundliches Arbeiten” nennen. Bei uns hat jede:r Mitarbeitende die Möglichkeit, Job und Privatleben miteinander zu vereinbaren – nicht nur junge Eltern, sondern beispielsweise auch Mitarbeitende, die einen Familienangehörigen pflegen oder gerade private Projekte verwirklichen. Denn Familie bedeutet ja nicht zwangsläufig Kinder. Die Erfahrung zeigt, dass unser Team dadurch zufriedener, motivierter und produktiver ist und sich diese Form der Wertschätzung auch für das Unternehmen lohnt. Das ist sicherlich ein zeitloses Learning für alle Betriebe.

 

Liebe Christina, Deine Geschichte ist so vielschichtig und spannend – nicht nur für die NextGen, sondern für alle, die sich mit Enkelfähigkeit von Unternehmen beschäftigen. Ich freue mich, wenn wir zu Themen wie Digitalisierung, Unternehmenskultur und Ausgründung oder Neuerfinden von Familiendynastien in Zeiten von radikalen Veränderungen im Gespräch bleiben!