INSIGHT: Deutschlands Familienunternehmen sind außerordentlich erfolgreich. Du stellst aber immer lauter die Frage, wie lange sie das noch sind. Warum?
Dominik von Au: Ich bin nicht per se skeptisch, aber ich sehe, dass da einige Herausforderungen auf viele Unternehmen zukommen, deren Dringlichkeit nicht erkannt wird, weil vergangene und aktuelle Erfolge suggerieren, dass es keinen akuten Handlungsbedarf gibt. Nur leider sagen die Erfolge von gestern in disruptiven Märkten einfach gar nichts über die Erfolge von morgen. Wir wissen, das marktführende Unternehmen eben auch daran scheitern können, dass sie im Grunde alles richtig machen, weil sich die klassischen Erfolgsfaktoren wie Kunden-, Ertrags- und Wachstumsorientierung in disruptiven Märkten als gefährlich erweisen. Viele Unternehmen wissen um diese Unlogik in Zeiten sich massiv verschiebender Wertschöpfungsketten, handeln aber noch nicht schnell und konsequent genug.
Was ist zu tun?
Es wird ja schon viel getan. Aber ich sehe einige Hebel, die noch zu wenig genutzt werden. Einer davon: Die NextGen konsequent in die Verantwortung holen. Ich arbeite mit vielen NextGens, die eigentlich schon längst NowGens sind und sehe, wie mutig manche die digitale Transformation anpacken. Da gibt es tolle Beispiele. Wenn man sich die CAPITAL-Liste der „Top 40 under 40“ anschaut, standen da in den letzten Jahren viele beeindruckende junge Familienunternehmer:innen drauf. z.B. Felix Kroschke (Kroschke Gruppe), Max Heinemann (Gebr. Heinemann), Bonita Grupp (Trigema) oder Charlotte Finger (Maschinenfabrik Mönninghoff), um nur einige zu nennen.
Warum glaubst Du, dass die NextGen die Herausforderungen der aktuellen Zeit besser löst?
Nun, es gibt Themen, bei denen die jüngere Generation offener ist. In Zeiten der Netzwerkökonomie haben viele Unternehmen massiv mit ihrem Selbstverständnis zu kämpfen haben. Denn kooperieren, sich öffnen, das geht an das Grundsätzliche. Kooperieren heißt auch Wissen teilen. Für viele immer noch ein No-Go. Doch diese Einstellung wird zunehmend zum Problem für viele Familienunternehmen. Insbesondere die Vertreter der NextGen haben erkannt, dass sie nicht als Solisten, sondern vor allem in Teams, Kooperationen und Netzwerken sowie mit der Bereitschaft zu Veränderung, neuem Know-how und neuer Technik erfolgreich sind. Denn es bieten sich so viele Chancen, die es gilt, schnell und systematisch zu identifizieren und zu nutzen. Es geht um agile Produktentwicklung möglichst nah an und im Zusammenspiel mit dem Kunden. Dazu braucht es kleine, selbstorganisierte Teams mit hoher operativer Freiheit und Verantwortung, kurze Kommunikations- und Entscheidungswege sowie flache Hierarchien, eine funktionsübergreifende Zusammenarbeit, motivierte Teammitglieder, unterstütztes Lernen und unterstützende Führung, die Vermeidung von Bürokratie und doppeltem Arbeitsaufwand, eine konsequente Erfolgsmessung, technische Exzellenz und Automatisierung sowie den Fokus auf Fortschritt durch stetige Verbesserung.
Klingt nach einer sehr anspruchsvollen Aufgabe?
In der Tat. Aber die NowGen ist auch exzellent hierfür ausgebildet. Viele bringen alle Skills mit, die es braucht. Dennoch bleibt die Transformation eine Mammut-Aufgabe. All das in einem über Generationen gewachsenen Familienunternehmen mit etablierten Strukturen zu verankern, erfordert viele gut geplante Schritte, einen langen Atem und den nachhaltigen Rückhalt der gesamten – mittels einer Familienverfassung gut organisierten – Eigentümerfamilie. Nur wenn Letztere auch wirklich dahinter steht und als Gesellschafterfamilie insgesamt zur Meinungsbildung fähig ist, wird die Transformation gelingen. Dazu brauchte es mehr denn je eine tragfähige Inhaberstrategie bzw. ein Update der bestehenden Absprachen innerhalb eines wachsenden und sich verändernden Gesellschafterkreis.
Welche Unterschiede siehst Du zwischen der aktuellen Generation (30-40-Jährige) und deren Elterngeneration mit Blick auf die Unternehmensführung?
Der Nutzen der früher so hochgepriesenen Verschwiegenheit erschließt sich vielen NextGens nicht. Sie agieren viel weniger im Verborgenen als die Vorgängergeneration. Sie kommen raus ins Licht. „Hidden Champions“ war gestern! Jetzt geht es darum, gut sicht- und wahrnehmbarer Champion zu sein und vor allem auch zu bleiben. „Hidden“ funktioniert schon deshalb nicht mehr, weil die Welt transparent geworden ist und Kunden und Mitarbeitende diese Transparenz einfordern. Ohne Transparenz keine Glaubwürdigkeit. Es genügt nicht mehr zu behaupten, dass man nachhaltig produziert. Familienunternehmen müssen es glaubwürdig leben, jeden Tag. Gerade sie können das am besten. Sie müssen nun aber auch darüber reden, es erlebbar machen auf allen Kanälen, online wie offline. Der „War for Talents“, der Kampf um die besten Köpfe, wird längst im Netz entschieden. Die wollen zu hundert Prozent nachvollziehbare Argumente für einen neuen Job bei genau diesem einen Unternehmen, das sich Übrigens natürlich bei ihnen bewirbt.
Aber was ist mit dem Erfahrungswissen der Vergangenheit? Viele Familienunternehmen sind konservativ und innovativ zugleich, beherrschen das Wechselspiel von Bewährtem und Neuem und haben oft bewiesen, dass sie in der Lage sind, sich neu zu erfinden.
Dominik von Au: Richtig! Hohe Anpassungsfähigkeit und die gelungene Mischung aus Innovation und Tradition, um dem dynastischen Anspruch gerecht zu werden, waren schon immer die Stärken der Familienunternehmen. Das sind auch zentrale Eigenschaften, die das Gros der Familienunternehmen gut durch die digitale Transformation bringen werden. Was es aber außerdem braucht, ist das ganz andere Tempo beim Wandel!
Welche Treiber für den Wandel siehst Du und wie sollten Familienunternehmen darauf reagieren?
Dominik von Au: „Da gibt es einige Parameter: Plattformökonomie, Big Data, New Work, Netzwerkdenken, Diversity und soziale Gerechtigkeit, sinnstiftende Arbeit und vieles mehr. Viele angesagte Begriffe, schon klar. Aber es kommt jetzt darauf an, was jeder einzelne Verantwortliche ganz konkret und so sinn- und nutzenstiftend wie möglich daraus macht! Und weil sich so gut wie alles gleichzeitig verändert, was erfolgskritisch ist, ist eines immer schwer: herauszufinden, was man wie als erstes anpacken soll.
Was zeichnet ein Familienunternehmen der Zukunft in punkto Führung aus?
Dominik von Au: Den Führungsstil der NextGens nehme ich deutlich partizipativer wahr als den ihrer Eltern. Sie setzen auf Teams, auf hohe Eigenverantwortung. Sie sind offener für agile Strukturen, haben weniger Angst vor Kontrollverlust beim Aufgeben hierarchischer Strukturen. Sie wissen, dass ihr Erfolg davon abhängt, dass viele Menschen aus verschiedenen Kulturen an verschiedenen Standorten gut zusammenarbeiten. Die NextGen weiß um die Bedeutung von guter Kommunikation und einer guten Unternehmenskultur. Das sind Soft Skills, die früher weniger stark ausgeprägt war und auch nicht eingefordert wurde, weil die Arbeitswelt von früher eine andere war. Heute entscheiden diese Skills aber ganz maßgeblich mit – über Erfolg und Misserfolg.