Neue Freunde

In seinem KLARTEXT vom 14. Februar 2022 erklärt Prof. Dr. Peter May, warum sich das Verhältnis zwischen Familienunternehmen und Equity-Investoren gewandelt hat.

Klartext

 

Liebe Familienunternehmerinnen, liebe Familienunternehmer!

Die Meldung, die ziemlich genau vor einem Jahr über die Newsportale lief, war eine Sensation: Birkenstock, ikonische Schuhmarke und traditionsreiches Familienunternehmen, wird verkauft, hieß es da zur Überraschung vieler. Und nicht nur das: Fast alles an diesem Deal war aufsehenerregend. Als Kaufpreis wurden sagenhafte 4 Mrd. Euro genannt, als Käufer traten der französische Familienunternehmer Bernard Arnault (LVMH) und die Beteiligungsgesellschaft L Catterton zusammen auf und die Familie Birkenstock blieb als Minderheitsgesellschafter an Bord. Finanzinvestoren und Familienunternehmer Hand in Hand sozusagen.

Was vor Jahren – nachdem die SPD-Ikone Franz Müntefering Private-Equity-Investoren als „Heuschrecken“ tituliert und viele Familienunternehmer sie als Feindbild ausgemacht hatten – undenkbar erschien, ist inzwischen Realität geworden: Ob EQT bei Ottobock, Armira bei Sartorius oder Egeria bei Klafs: Übernahmen von und Beteiligungen an Familienunternehmen durch Equity-Investoren sind längst keine Seltenheit mehr. Die frühere Ablehnung ist einer aufgeklärten Normalität gewichen. Gründe für diesen Paradigmenwechsel gibt es genug, und sie sind auf beiden Seiten zu finden.

Beginnen wir mit den Familienunternehmen. Viele junge Familienunternehmer haben ein weniger emotionales Verhältnis zu Equity Investoren als ihre Väter. Selbst an Top-Unis in den USA oder England ausgebildet, ist ihnen das angelsächsische Kapitalismusverständnis weniger fremd. Nicht wenige von ihnen investieren selbst in die von Equity-Investoren aufgelegten Fonds und betrachten deren rational-professionelles Geschäftsgebaren mitunter sogar als wohltuender als von Neid, Eifersucht und Unkenntnis getriebene Diskussionen mit Mitgesellschaftern aus der eigenen Familie.

Globalisierung, Digitalisierung und Finanzialisierung tun ein Übriges. Immer öfter stellen Unternehmerfamilien ihr auf eine Schlüsselaktivität fokussiertes Geschäftsmodell infrage. Wo wöchentlich tradierte Geschäftsmodelle zerstört werden, Werte in rasanter Geschwindigkeit an einer Stelle entstehen und an anderer Stelle vergehen, wird die überkommene „Alle Eier in einen Korb“-Strategie zunehmend gefährlich für den Vermögenserhalt der Familie. Wer heute Enkelfähigkeit anstrebt, muss sich breiter aufstellen. Kein Wunder, dass immer mehr Familienunternehmer von Fokussierung auf Diversifizierung und Gesamtvermögensbewirtschaftung umstellen. Wer sich fragt: Sind wir noch der Best Owner für das Unternehmen oder ist das Unternehmen für uns noch ein Best Asset, wird zwangsläufig offen für Partnerschaften. Und wer in einem immer globaler werdenden Markt und steigenden Übernahmepreisen langfristig vorne mitspielen will, wird es auch. Wir können es bedauern oder begrüßen; es bleibt doch ein Fakt: Strategie, Kultur und Vermögensstruktur des German Mittelstand befinden sich im Wandel. Aus „Fabrikanten“ werden Investoren. Nicht immer, aber immer öfter.

Aber nicht nur sie. Auch die Szene der Equity-Investoren hat sich in den letzten zwei Jahrzehnten gewaltig verändert. Vor allem ist sie heterogener geworden. Neben die als Heuschrecken titulierten Meister des Financial Engineering und des Cost Cutting sind Company Builder getreten, deren geschäftliches Gebaren sich mitunter nicht wesentlich von dem der Top-Familienunternehmen unterscheidet. „Leverage“, sagt etwa Hannes Rumer von der niederländisch-deutschen Egeria, „ist für uns kein maßgeblicher Werttreiber. Wir wollen unsere Unternehmen beim Sprung auf das nächste Level begleiten und finanzieren grundsätzlich konservativ. Wie ein Familienunternehmen.“

Die neue Equity-Welt ist bunter geworden. Sie denkt nicht mehr nur in Übernahmen und Mehrheitsbeteiligungen, auch Minderheitsbeteiligungen und sogar Mezzanine-Finanzierungsangebote gibt es inzwischen zuhauf. Sogar beim Thema Laufzeiten hat sich viel getan. Neben den typischen Drei- bis Fünfjahreshorizont treten zunehmend längerfristige Engagements und Evergreen-Fonds.

Zusätzlich, und das ist vielleicht der wichtigste neue Aspekt, hat sich der Typus des Equity-Investors gewandelt. Wer sicher sein will, dass die Kultur der Partner stimmt, muss sich keinen klassischen Finanzinvestor mehr ins Haus holen. Unternehmerfamilien treten in zunehmendem Umfang selbst als Equity-Investoren auf. „For families, by families“ sozusagen. Family Equity heißt das neudeutsch und umfasst ein breites Feld. Es beginnt bei Family Offices bekannter Familien wie Thomas und Andreas Strüngmann oder der Bierdynastie Bitburger, geht weiter über Club-Deals und Beteiligungspools, wie sie u. a. unsere PETER MAY Family Office Service unterstützt, und endet beim Private-Equity-Gesellschafter mit familiärem Background. Hinter Bregal steht die Familie Brenninkmeijer, bei der Armira des Münchener Unternehmers Alexander Schemann investiert die Crème de la Crème der deutschen Unternehmerfamilien und hinter der erwähnten Egeria steht die niederländische Unternehmerfamilie Visser. Überhaupt ist die Egeria ein gutes Beispiel für die neue Welt des Private Equity. Die Egeria ist selbst ein Familienunternehmen und investiert fast ausschließlich in diesen Unternehmenstypus. Die meisten Teammitglieder und Berater haben einen Family-Business-Background, der strategische Ansatz („Let’s build together“) und die konservative Finanzierungspolitik atmen die Logik des Familienunternehmens. Neuerdings bietet die Egeria sogar einen Inhaberstrategie-Check an, um möglichst frühzeitig feststellen zu können, ob die Interessen der Beteiligten zueinander passen.

Fazit: Sowohl die Nachfrage, auch das Angebot an Beteiligungskapital sind stark gewachsen. Und an die Stelle emotionaler Ablehnung ist eine gesunde Mischung aus Ratio und Emotio getreten. Wer mit dem Thema Equity-Investor richtig umgehen will, sollte deshalb kühlen Kopf bewahren und vor allem zwei Fragen beantworten:

1. Verfolgen wir eine Inhaberstrategie, deren erfolgreiche Umsetzung eine Partnerschaft mit einem Equity-Investor richtig und sinnvoll erscheinen lässt?
2. Welche Anforderungen stellen wir an einen Equity-Investor und wie stellen wir sicher, dass wir den richtigen finden?

Mit dieser Anregung bin ich für heute mit den besten Grüßen

Ihr Peter May