
Von Dr. Dominik von Au, Gerold Rieder und Sabine Strick
Über Beiräte* im Familienunternehmen wurden bereits zahlreiche Fachbücher verfasst. Der vorliegende Leitfaden ist ganz bewusst ein möglichst kompakter, praxisnaher Fahrplan mit den Kernfragen, die es bei der Neueinrichtung eines Beirates abzuwägen und zu beachten gilt.
Die meisten Familienunternehmen in Deutschland sind grundsätzlich nicht dazu verpflichtet, ein Aufsichtsgremium zu etablieren. Dennoch entscheiden sich immer mehr freiwillig dafür, weil sie den Mehrwert eines sinnvoll konzipierten Beirates erkannt haben. Beiräte und Aufsichtsräte spielen längst nicht mehr nur eine zentrale Stütze für eine gute Unternehmensführung, sondern helfen der Gesellschafterfamilie, Risiken frühzeitig zu erkennen, strategische Impulse zu setzen, Informationen transparent zu kanalisieren und potenzielle Konflikte zu vermeiden. Richtig angelegt und besetzt, können sie zudem noch weit mehr leisten: Sie sind oftmals ein entscheidender Treiber für Innovation. In einer dynamischen Welt, in der die Fähigkeit zur kontinuierlichen Erneuerung eine der wichtigsten Zukunftskompetenzen darstellt, profitiert selbst das beste Management vom Sparring mit erfahrenen Experten** und einer objektiven Außenperspektive. So viel des Grundsätzlichen dazu.
Die erstmalige Einrichtung eines Beirates kann verschiedene Gründe haben, wie z. B. eine zunehmende Unternehmensgröße, ein wachsender Gesellschafterkreis mit erstmals nicht im Unternehmen tätigen Gesellschaftern, die Bewältigung einer Unternehmenskrise oder die Begleitung des anstehenden Generationswechsels. Ein konkretes Beispiel aus unserem Kundenkreis finden Sie im Kasten am Textende
- Frage: Welchen Nutzen soll uns der Beirat bringen?
Was sollte man bei der Einrichtung beachten und welche häufigen Fehler gilt es, zu vermeiden? An erster Stelle sollte die Grundsatzfrage nach dem beabsichtigten Zweck und Nutzen stehen, den ein Beirat bringen soll. Erst daraus lassen sich im nächsten Schritt die richtigen Aufgaben, Informations- oder sogar Kontrollrechte und Pflichten ableiten, die die Inhaber dem Beirat übertragen möchten. Daraus wiederum ergeben sich die erforderlichen Kompetenzen der Beiratsmitglieder und die geeignete Zusammensetzung aus Familienmitgliedern und familienfremden Experten. Dabei kommen Familienunternehmen je nach Ausgangslage in Unternehmen und Familie zu sehr unterschiedlichen Antworten und Konzepten, wie etwa:
Der Beirat soll…
- beraten und in Teilen kontrollieren
- unabhängig sein in seinen Ratschlägen und Beurteilungen
- fachlich und sozial kompetent sein
- Interesse am Unternehmen haben
- innovative Ideen und Inspirationen einbringen
- Moderator zwischen Geschäftsführungsmitgliedern oder Gesellschafterkreis sein
- Bindeglied und Mittler zwischen Gesellschaftern und Geschäftsführern sein
- …
Der Beirat soll nicht…
- operativ tätig werden
- eine Art Obergeschäftsführung einnehmen
- eigene Interessen verfolgen
- …
Ein inhabergeführtes Familienunternehmen mit stabiler Führungsstruktur ohne Generationswechselthematik wird seinen Beirat so ausrichten und besetzen, dass er vor allem bei Fragen des zukünftigen Wachstums und der Stärkung der Marktposition unterstützt und berät, sprich vor allem auf die Marktthemen achtet und keine Kontrollrechte wahrnimmt.
Wenn aufgrund einer Marktkrise die Finanzlage prekär ist, braucht es im Gremium mindestens eine Person mit Erfahrung in finanziellen Engpasssituationen.
Ein Familienunternehmen hingegen, bei dem die Inhaberfamilie die operative Führung des Geschäftes an familienexterne Manager übergeben will, wird vor allem auf ein Kontrollgremium setzen, das als Bindeglied zwischen Geschäftsführung und Gesellschaftern die Arbeit der Geschäftsführung begleitet und im Sinne der Inhaber in Teilen auch überwacht.
Diese Fragen zu diskutieren und ein entsprechendes Konzept für den Beirat festzulegen, liegt grundsätzlich bei der Inhaberfamilie. Gerade bei einem anstehenden Generationenübergang macht es freilich viel Sinn, die nachfolgende Generation direkt in die Überlegungen mit einzubeziehen.
Ganz grundsätzlich gilt es, zwischen zwei Typen von Beirat zu wählen: dem rein beratenden Beirat und dem organschaftlichen, kontrollierenden Beirat. Der rein beratende Beirat hat keine Mitentscheidungsbefugnisse wie z. B. Zustimmungsvorbehalte. Er soll der Geschäftsleitung und den Gesellschaftern lediglich als Ratgeber zur Verfügung stehen. Der kontrollierende Beirat hat über die Beratung hinaus in der Regel folgende Aufgaben: Er beschließt über wichtige Geschäfte der Gesellschaft, die nur mit seiner Zustimmung vorgenommen werden dürfen. Im letzteren Fall delegieren die Gesellschafter sehr wesentliche Rechte und Aufgaben an das Gremium. Für beide Varianten gibt es Vor- und Nachteile, die im Rahmen inhaberstrategischer Überlegungen sorgfältig abgewogen werden sollten.
2. Frage: Aufgaben, Rechte und Pflichten - Was soll der Beirat tun, und was nicht?
An zweiter Stelle der Konzeptionsphase steht die Frage nach konkreten Aufgaben und Kompetenzen. Anders als bei gesetzlich vorgeschriebenen Gremien sind die Inhaber bei freiwillig eingerichteten Gremien weitgehend frei zu entscheiden, welche Aufgaben und Kompetenzen sie dem Gremium geben und welche nicht.
Darüber hinaus aber ist sehr klar abzustecken, welche konkreten Entscheidungsrechte die Inhaber an den Beirat abgeben – in den Feldern Strategie und Struktur (z. B. Bestellung und Abberufung der Geschäftsführung), Geschäftsentwicklung (z. B. Jahresbudget, Investitionsplanung), weitreichende operative Entscheidungen, Personal, Finanzen (Verschuldung, Ausschüttung) etc. Seine Ausprägung finden all diese konkreten Festlegungen im sogenannten „Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte“, der im Sinne klarer Regelungen von den Inhabern festzulegen ist.
Beispielhafter „Katalog zustimmungspflichtiger oder informationspflichtiger Geschäfte“ (auszugsweise)
Ein Sonderthema hierbei ist die Rolle des Vorsitzenden, die ebenfalls klar festgelegt werden sollte. Zu den grundsätzlichen Aufgaben gehören die Einladung zur Sitzung, die Erstellung der Agenda, die Leitung der Sitzung und die Protokollierung. Bei ihm liegt insgesamt die Verantwortung dafür, dass der Beirat seinen Aufgaben gerecht wird und für das Unternehmen einen Mehrwert bringt. Konkret liegen oft weitere Aufgaben bei ihm, wie etwa
- der regelmäßige Austausch mit der Geschäftsführung auch zwischen den Sitzungen, besonders intensiviert in Krisenzeiten des Unternehmens
- Vertrags- und Vergütungsverhandlungen mit der Geschäftsführung
- die Einforderung und Abstimmung des Berichtswesens mit der Geschäftsführung
- die regelmäßige (Selbst-)Evaluation des Gremiums
- wesentliches Bindeglied zu den Gesellschaftern, ggfs. auch Teilnahme an (und Moderation der) Gesellschaftersitzungen
- Moderator zwischen Senioren und Junioren
- Moderator zwischen den Gesellschaftern
- Heranführung der NextGen
- …
Zur „besonderen Rolle des Beiratsvorsitzenden“ siehe auch den gleichlautenden Beitrag von Gerold Rieder Die besondere Rolle des Beiratsvorsitzenden – PETER MAY The Family Business People
3. Frage: Wie gestalten wir das Gremium aus?
Struktur, Zusammensetzung und Organisation des Beirates
An erster Stelle steht die Frage nach der Größe des Beirates: In der Regel sehen wir Beiräte mit drei oder fünf Mitgliedern, nachdem es bei ungerader Stimmenanzahl nicht zu Pattsituationen kommen kann. Bei zunehmender Unternehmensgröße und -komplexität sowie wachsender Gesellschafteranzahl können die Gremien natürlich deutlich größer sein, etwa weil mehrere Gesellschafterstämme eine Stimme im Beirat haben sollten, weil mehrere Fachkompetenzen im Gremium vertreten sein sollen, oder weil im Fall von mitbestimmten Gremien auch Arbeitnehmervertreter dabei sind.
Familienmitglieder im Beirat sind grundsätzlich wichtig und richtig. Vor allem, wenn die Inhaber nicht mehr in der Geschäftsführung tätig sind, sollten sie – wenn möglich – im Beirat vertreten sein. Allerdings sollte hier ein ähnlich hoher Anspruch an die persönlichen und fachlichen Kompetenzen gesetzt werden wie an externe Mitglieder. Haben die Familienmitglieder die erforderlichen Kompetenzen noch nicht, können sie sich diese systematisch aneignen.
Bei familienexterner Geschäftsführung sollte der Beiratsvorsitz bei einem Gesellschafter liegen, um vom Beirat aus eine wichtige Steuerungsrolle für das Unternehmen bei sich zu behalten. Führt umgekehrt ein Familienmitglied als Geschäftsführer das Unternehmen, liegt der Beiratsvorsitz nach Expertenmeinung idealerweise bei einem Familienexternen. Alternativ kann man – wenn man denn möchte – die Machtverhältnisse im Gremium natürlich auch über Stimmrechte, Vetorechte etc. lösen. Und in Einzelfällen mögen wieder ganz andere Regelungen sinnvoll sein.
Mit zunehmender Größe werden in der Regel Ausschüsse mit spezifischen Zuständigkeiten gebildet: so gibt es dann einen Prüfungsausschuss und einen Personalausschuss, ggfs. auch Ausschüsse etwa für Strategie, Innovation und neue Geschäftsmodelle. Auf diese Weise gestaltet sich gerade bei großen Runden die Zusammenarbeit effektiver und effizienter.
Weitere wichtige Regelungsbereiche umfassen z.B. die Amtszeit des Gremiums (wir empfehlen drei bis vier Jahre), die mögliche Anzahl an Wiederwahl (z.B. 2-3x), die Entscheidungsfindung, Ausschlusskriterien, Altersgrenzen, Vergütung, Anzahl von Sitzungen, etc.
4. Frage: Welche Regelungen werden wo festgehalten? Die rechtliche Verankerung des Beirates
Die eben aufgezeigten wesentlichen Rahmenbedingungen für den Beirat sollten schriftlich definiert und in einer Geschäftsordnung des Beirats verankert werden. Detailliertere Auflistungen von Entscheidungen der Geschäftsführung, für welche die Zustimmung des Beirates erforderlich sein soll, werden darüber hinaus im bereits erwähnten „Katalog zustimmungspflichtiger Geschäfte“ geregelt. Ganz besonders wesentliche und unverrückbare Grundregeln werden natürlich im Gesellschaftsvertrag festgehalten – insbesondere z.B. auch, mit welchen Mehrheiten die Beiratsmitglieder durch die Gesellschafterversammlung gewählt werden. Da dies ein hohes Konfliktpotential birgt, wie bei so vielen „Macht- und Geld-Themen“, empfiehlt es sich, oftmals die Konzeption eines Beirats in einen umfassenderen inhaberstrategischen Prozess zu integrieren und in einer Familienverfassung zu verschriftlichen.
Klar festgehaltene Regeln erweisen sich auch bei der Gewinnung von Beiratsmitgliedern als hilfreich. Professionelle Beiräte erwarten heute eine klare Aufgabendefinition, die es ihnen ermöglicht zu beurteilen, ob sie die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen können und ob sie in der Lage sind, einen echten Mehrwert für das Unternehmen zu generieren. Denn deren Zeit ist knapp – vor allem, wenn es sich bei den Beiräten um noch aktive CEOs oder CFOs handelt, die man sich für Beiratsgremien vermehrt wünscht. Sie wünschen zu erfahren, welches „Puzzleteil“ sie in dem „Puzzle“ Beirat sind und weshalb genau sie angesprochen werden.
Auch mit Blick auf die Familienmitglieder im Beirat ist eine solche klare Aufgabendefinition vorab enorm wertvoll. Nur so können sich Gesellschafter mit zukünftiger Beiratsrolle auf die Aufgabe entsprechend vorbereiten.
Alle diesbezüglichen gesellschaftsrechtlichen Regelungen sollten mit einem Rechtsberater formuliert und aufeinander abgestimmt werden, damit sie in sich stimmig sind und zusammengenommen ein schlüssiges Bild ergeben. Meist geschieht dies auf Basis gemeinsam und vorab erarbeiteter inhaberstrategischer Grundüberlegungen.
Der richtige Kompetenz-Mix
Die Mitglieder eines Beirats sollten über sich ergänzende Kompetenzen verfügen.
In funktionierenden Teams verfügen die Beiratsmitglieder über eine gute Basis an Generalwissen – unternehmensspezifisches, technisches Wissen und Managementwissen, das zur Führung und Steuerung von Organisationen befähigt. Das Spezialwissen jedes einzelnen Beiratsmitglieds ergänzt sich gut mit dem Wissen der anderen bzw. komplettiert dieses. Darüber hinaus sollten alle Mitglieder über soziale Kompetenzen verfügen, also Konflikte austragen, Teams moderieren und mit Widersprüchen umgehen können sowie integrationsfähig und gute Kommunikatoren sein.
Familienunternehmer haben meist eine klare Vorstellung davon, welche Fähigkeiten im Beirat vertreten sein sollten. Oft orientieren sich diese an den zentralen Ressorts des Unternehmens. Die genauen Anforderungen können je nach Geschäftsmodell jedoch stark variieren. In der Regel finden sich jedoch mindestens drei Kompetenzbereiche in einem Beirat: eine Person mit ausgeprägter Finanzexpertise, jemand mit Erfahrung in Produktion oder Technologie sowie ein Experte mit fundierten Markt-/Vertriebskenntnissen. Nach unserer Erfahrung sollten die Beiratsmitglieder mehrheitlich auch langjährige operative C-Level Führungserfahrung in einem in Größe und Struktur mindestens vergleichbaren Unternehmen mitbringen. In jüngerer Zeit wächst zudem die Nachfrage nach einem „Digitalisierungsprofi“, der die Herausforderungen der modernen, digitalen Welt versteht und vertritt – wobei man hier folgendes beachten sollte:
Es gibt Fachexperten für nahezu jede digitale Herausforderung, sei es Big Data, Payment-Systeme, IoT oder Künstliche Intelligenz (KI). Wichtiger als tiefes Spezialwissen im Beirat ist in der Regel aber eine umfassende (digitale) Transformationskompetenz. Familienunternehmen stehen häufig vor der Aufgabe, parallel und ganzheitlich in vielen Bereichen zu digitalisieren. In solchen Fällen bietet es sich an, jemanden in den Beirat zu holen, der bereits bereichsübergreifende digitale Transformationsprozesse begleitet hat. Diese Person sollte Erfahrung in Change-Management haben und vor allem auch wissen, wie man eine gesamte Organisation auf einen solchen Veränderungsprozess vorbereitet und mitnimmt.
Eine sinnvolle Herangehensweise ist es, den Kompetenzmix im Beirat regelmäßig zu überprüfen, da er sich immer an der Unternehmensstrategie und der Frage „Was macht unser Unternehmen in 5-10 Jahren“ orientieren sollte. Ändert sich die Strategie, kann das auch eine Anpassung der Beiratszusammensetzung erforderlich machen. Solche Veränderungen erkennt man jedoch nur, wenn die Beiratsarbeit regelmäßig evaluiert wird – idealerweise in einem festen Rhythmus, etwa alle zwei Jahre.
Zusätzlich ist eine solche Evaluation auch mit Blick auf die Altersstruktur ratsam. Studien zeigen, dass Gremien in Deutschland häufig überaltert sind. Ein Durchschnittsalter von 75 Jahren in einem Beirat oder Aufsichtsrat ist sicher kein Zeichen eines zukunftsorientierten Gremiums. Ein ausgewogener Mix aus Erfahrung, frischen Perspektiven und zukunftsorientierten Kompetenzen ist essenziell, um das Unternehmen nachhaltig erfolgreich zu führen.
Wie finde ich wertschaffende Beiratsmitglieder?
Es gibt mittlerweile mehrere Dienstleister, die bei der Vermittlung von Beiräten und Aufsichtsräten professionelle Unterstützung bieten, wie zuvorderst wir selbst von PETER MAY Board Services. Unternehmer sollten stets sicherstellen, dass der ausgewählte Dienstleister nachweisbare Erfahrung in der Besetzung von Beiräten speziell für Familienunternehmen hat. Zwar bieten einige auf Executive Search spezialisierte Anbieter ebenfalls Beiratsbesetzungen an, verfügen jedoch häufig nicht über ein tiefgreifendes Netzwerk von Unternehmerpersönlichkeiten in vergleichbaren Familienunternehmen. Die Praxis zeigt, dass mindestens der Beiratsvorsitzende auch über tiefe Erfahrungen mit den spezifischen Governance-Herausforderungen in Familienunternehmen verfügen sollte – ggfs. selbst Unternehmer ist bzw. als Geschäftsführer bereits sehr eng mit Unternehmern auf Augenhöhe zusammengearbeitet hat.
Wer engagierte Beiratsmitglieder gewinnen möchte, sollte darauf achten, dass sie sich intensiv mit dem Unternehmen beschäftigen (wollen). Insbesondere, wenn Beiräte bei strategisch wichtigen Personalentscheidungen Mitspracherechte oder sogar die Entscheidungshoheit haben, ist es unabdingbar, dass sie genügend Zeit investieren können, um die erste und zweite Führungsebene auch außerhalb der regulären Sitzungen kennenzulernen.
Um starke Persönlichkeiten für einen Beirat zu gewinnen, reicht es nicht aus, diese nur zu identifizieren – es gilt auch, sie von einem Engagement zu überzeugen. Für Unternehmer und Geschäftsführer attraktiv sind Gremien, die nicht durch übermäßigen Formalismus geprägt sind, sondern sich durch Offenheit und konstruktive Gestaltungsmöglichkeiten auszeichnen. Beiräte im Sinne von Zukunftswerkstätten sind das, was Beiratsarbeit wirklich reizvoll macht. Reine Zahlenklauberei hingegen ist vielen zu sehr rückwärts gerichtet und weniger zukunftsweisend.
Eine angemessene Vergütung spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. Auch wenn Beiratsvergütungen in Familienunternehmen in den letzten Jahren gestiegen sind, bleiben sie doch oft noch weit hinter den Anforderungen zurück, die an Beiräte heute gestellt werden. Familienunternehmen, die hohe Erwartungen an ihre Beiräte haben, sollten dies durch eine wertschätzende Vergütung widerspiegeln.
Onboarding
Völlig unterschätzt wird sehr häufig eine wirklich umsichtige und gute Vorbereitung neuer Beiratsmitglieder auf ihre Aufgabe. Idealerweise lernen sie bereits im Vorfeld die Mitglieder der Geschäftsleitung kennen und haben ausreichend Gelegenheit, das Unternehmen vor Ort und an wichtigen Standorten kennenzulernen. Aussagekräftige Unterlagen vorab verstehen sich von selbst.
Hier auch nochmals der Hinweis auf die besondere Rolle des Vorsitzenden: An ihm liegt es, das Grundgerüst für die konstituierende und die folgenden Sitzungen festzulegen, einen inhaltlich sinnvollen thematischen Bogen über das Jahr zu spannen und vor allem das Berichtswesen für den Beirat abzustimmen. Letzteres sollte er natürlich in enger Abstimmung mit der Geschäftsführung, ggfs. auch mit der Gesellschafterfamilie und den weiteren Beiratsmitgliedern tun, um ein für alle Mitglieder passendes Berichtswesen zu etablieren. Vor allem an ihm liegt es, ob der Beirat die wesentlichen Themen bespricht, gut zusammenarbeitet und Wirkung entfaltet.
Fazit
Zusammenfassend ist der Beirat dann besonders wertvoll, wenn sichergestellt ist, dass …
- der Beirat eine klar definierte Aufgabe und Zielsetzung hat, die er anstrebt, (Inhaltsebene)
- der Beirat so zusammengesetzt ist, dass sich Fähigkeiten, Diversität und Neigungen gut ergänzen, dass jeder eine klar umrissene Rolle hat und Verantwortung zur Erreichung des Gesamtziels übernimmt (Strukturebene)
- die Mitglieder des Beirats eine belastbare, vertrauensvolle Beziehung zueinander aufbauen können, die auch das konstruktive Austragen von Konflikten ermöglichen (Beziehungsebene).
Kurzum: je besser und stimmiger das Gesamtkonzept, welches in der Gesellschafterfamilie moderiert erarbeitet und von allen mitgetragen ist, je intensiver und professioneller die Beiratssuche und je umsichtiger die Vorbereitung des Gremiums auf die gemeinsame Aufgabe, desto schneller kommt die neue Runde in eine wertschaffende Zusammenarbeit.
Beispiel für eine Neueinrichtung aus unserem Mandantenkreis
Im Rahmen eines Inhaberstrategieprozesses hat ein bereichsübergreifendes Team von PETER MAY die Inhaberfamilie eines erfolgreichen Maschinebauunternehmens bei der Neuausrichtung ihrer Governance-Struktur im Rahmen des Generationswechsels unterstützt. Zwei Brüder (beide 60+ Jahre) hatten das Maschinenbauunternehmen über Jahrzehnte gemeinsam geführt, zum internationalen Marktführer entwickelt und in seiner Größe profitabel vervielfacht. Dies alles im engsten Schulterschluss – ohne über eine klare Rollenverteilung oder die Frage, ob sie weitreichende Entscheidungen als Inhaber oder Geschäftsführer trafen, intensiver nachzudenken. Mit dem anstehenden Generationswechsel ändert sich dies. Zwei Cousins wollen und sollen gemeinsam die Führung übernehmen und wünschen sich eine klarere Rollenverteilung als in der Vorgängergeneration und eine saubere Trennung von Führung und Kontrolle. Gleichzeitig möchte die abtretende Generation den Einfluss auf die Weiterentwicklung des Unternehmens nicht ganz aufgeben und die Junioren wollen auf die Erfahrungen der Senioren nicht gänzlich verzichten. Die Einrichtung eines mit Familienmitgliedern und externen Experten besetzten Beirats wird beschlossen. Von der Beteiligung externer Experten im Gremium verspricht sich die Familie wertvollen Input bei der Weiterentwicklung des Unternehmens. Die Inhaber entscheiden zunächst mit einem rein beratenden Gremium zu starten und es erst in einem zweiten Schritt (nach Vollzug der Führungsnachfolge) mit weitgehenden aufsichtsratsähnlichen Rechten und Pflichten auszustatten.
Die Autoren:
Dr. Dominik von Au (D.VONAU@PETERMAY-FBC.COM) ist geschäftsführender Gesellschafter der Peter May Family Business Consulting Group. Er begleitet zahlreiche Inhaberfamilien als Inhaberstrategie-Experte bei der Erarbeitung von Familienverfassungen, der Heranführung der Next Generation sowie bei der Konzeption und Neuausrichtung ihrer Beiräte. Er ist selbst Vorsitzender und Mitglied mehrerer Beiräte und Aufsichtsräte in Familienunternehmen.
Gerold Rieder (G.RIEDER@PETERMAY-FBA.COM) verantwortet als Geschäftsführer die PETER MAY Family Business Academy & Board Services GmbH & Co. KG. Seine Kompetenz und Leidenschaft liegt in der Einrichtung und Besetzung von Beiräten und Aufsichtsräten auf der Basis des umfangreichen PETER MAY-Netzwerkes von Unternehmer- und Geschäftsführerpersönlichkeiten.
Sabine Strick (S.STRICK@PETERMAY-FBA.COM) ist Prokuristin bei der PETER MAY Family Business Academy & Board Services GmbH & Co. KG und unterstützt Inhaberfamilien ebenso bei der passgenauen Einrichtung und Besetzung ihrer Beiräte und Aufsichtsräte. Zusammen mit Gerold Rieder sorgt sie für die ständige Aktualität und Diversität des PETER MAY-Beiratsnetzwerkes.
* Der Fokus dieses Beitrags liegt auf Gremien, die Inhaberfamilien freiwillig einrichten und keiner strengen gesetzlichen Normierung unterliegen (nicht auf gesetzlich vorgeschriebenen Aufsichtsräten, für die teilweise andere Bedingungen gelten), hier allgemein als „Beirat“ bezeichnet. Bei der Benennung dieser Gremien gibt es keine Vorschriften. Wir sehen in der Praxis „Beiräte“, die als Gesellschafterausschuss, Aufsichtsrat, Verwaltungsrat oder Expert Board bezeichnet werden.
** Der ordentlichen Lesbarkeit wegen wird auf die fortlaufende Gendergenauigkeit verzichtet. Gemeint ist nicht nur der Experte, der Unternehmer, der Geschäftsführer oder der Beirat, sondern gleichwohl die Expertin, die Unternehmerin, die Geschäftsführerin oder die Beirätin.