Gute Beiräte und ihr Strategiebeitrag im Transformationsprozess

In Umbruchphasen müssen Unternehmen zügig die richtigen Entscheidungen treffen. Wie Aufsichtsräte und Beiräte mit Weitsicht, Prozesswissen, Mut, Zukunftsblick und Transformationserfahrung dabei unterstützen können, erklären Gerold Rieder und Sabine Strick, Geschäftsführer und Prokuristin der PETER MAY Board Services.

Gerold Rieder und Sabine Strick

 

Energiekrise, Lieferkettenprobleme, technologischer Wandel, Rohstoff- und Fachkräftemangel, neue disruptive Marktteilnehmer. Acht von zehn Familienunternehmen, die wir bei der Beiratseinrichtung oder -besetzung unterstützen dürfen, befinden sich in einem tiefgreifenden Wandlungsprozess. Wertschöpfungsketten und Geschäftsmodelle sind im Umbau. Beiräte und Aufsichtsräte, die vergangene Geschäftszahlen analysieren und mehr oder weniger nur den Status quo verwalten, sind hier wenig hilfreich.

Wenn wir mit Inhaber:innen oder Geschäftsführer:innen über wertschaffende und weniger wertschaffende Aufsichtsgremien sprechen, trennt sich schnell die Spreu vom Weizen. Als wertschaffend werden solche Gremien empfunden, die in der Lage sind, die Themen und Herausforderungen von morgen zu erkennen, dafür die richtigen Impulse zu setzen und die grundlegenden strategischen Entscheidungen zu verbessern. Als mehrwertlose Zeitfresser gelten mehr und mehr diejenigen Gremien, welche die Vergangenheit verwalten und für die strategische Weiterentwicklung keine Unterstützung leisten können.

 

Inhaber, Geschäftsführung, Beirat – Wer hat welche Rolle im Strategieprozess?

Strategieentwicklung und -umsetzung ist und bleibt grundsätzlich Sache der Geschäftsführung. Festzulegen, nach welchen Kriterien und innerhalb welcher Bandbreiten sich die Strategie in einem Familienunternehmen bewegen soll und darf, ist jedoch ureigene Sache der Inhaber. Sie allein können und müssen die Leitplanken setzen, innerhalb derer sich ihr Unternehmen weiterentwickeln soll. Dies schließt etwa die Entscheidung ein, auf welcher Wertebasis das Unternehmen geführt werden soll, innerhalb welcher Wachstum-Rendite-Risikobandbreiten es sich bewegen soll und in welchem Rahmen es seiner gesellschaftlich-sozialen Verantwortung gerecht wird.

Unternehmensstrategische Weichenstellungen der Geschäftsführung können freilich auch ohne diese inhaberstrategischen Vorgaben zum Erfolg führen. Die Gefahr aber steht im Raum, dass sich das Unternehmen in eine völlig andere Richtung bewegt, als es die Inhaber je gewollt hätten. Vor allem dann, wenn die Inhaber sich vollständig aus der Geschäftsführung zurückgezogen haben.

Heißt aber eben, dass die Inhaberfamilie sich auf eine solche Inhaberstrategie verständigen sollte – mit oder ohne fremde Hilfe. Dass die Geschäftsführung die Kernelemente der Inhaberstrategie kennt, und im best case auch danach incentiviert wird. Nur dann ist ein Alignment zwischen Inhaber- und Unternehmensstrategie gewährleistet.

Der Beirat kann und sollte darauf hinwirken, dass dieses Zusammenspiel passiert – und nachhalten, dass es dauerhaft funktioniert. Im Strategieprozess für das Unternehmen sollte der Beirat Sparringspartner, Impulsgeber und Challenger sein. Und er sollte dafür Sorge tragen, dass die durch das Management getriebene Strategieentwicklung in einem professionellen, geordneten und sich fortschreibenden Prozess passiert.

 

Die Rolle des Beirats in der Transformation

Besonders wenn das Unternehmen sich in disruptiven Märkten bewegt, muss der Beirat erkennen, wann es mehr braucht als eine jährlich angepasste Strategie. Das fällt erfahrungsgemäß vor allem in erfolgreichen Unternehmen schwer. Zu erkennen, dass die Strategie, die jahrelang sehr gut funktioniert hat, mit Blick in die Zukunft nicht mehr die Richtige ist, erfordert ein hohes Maß an Weitsicht und manchmal einen gewissen Abstand zu den operativen Themen. Unternehmer- und Führungspersönlichkeiten von außen, vielleicht bewusst auch aus einer anderen Industrie, fällt das mitunter leichter als den langjährigen Führungskräften des Unternehmens.

Wenn erkannt wurde, dass sich das Unternehmen grundlegend transformieren muss, um am Markt bestehen zu können, muss der Beirat bzw. Aufsichtsrat vom Management eine Transformationsagenda einfordern.

Die Aufgabe des Beirats ist es dann, die Geschäftsführung bei der Entwicklung dieser Agenda zu beraten. Denn gute Strategien entstehen nicht in Silos und nicht hinter verschlossenen Türen. Ist der Beirat professionell besetzt, kann das Sparring zwischen Geschäftsführung und Beirat mit Blick auf die Transformationsagenda der entscheidende Game Changer sein. Professionell besetzt bedeutet in diesem Fall, dass im Gremium in einem guten Kompetenzmix genau die Fähigkeiten vorhanden sind, die das Unternehmen mit Blick auf die aktuellen Herausforderungen im Markt wirklich nach vorne bringen. Bisweilen macht es in dieser Phase auch Sinn, den Beirat um eine Persönlichkeit zu ergänzen, die ausgewiesene Transformationserfahrung mitbringt und Geschäftsmodelle nicht nur evolutionär entwickelt hat. Mitunter ist in solchen Phasen auch ein deutlich aktiverer Beirat gefordert, der sich weit intensiver mit dem Unternehmen auseinandersetzt als lediglich während der terminierten Sitzungen.

Zu den Aufgaben des Beirats in diesem Prozess gehört außerdem das kritische Hinterfragen der Positionierung im Markt, der Zukunftsfähigkeit von Produkten und Dienstleistungen und der Differenzierungsfaktoren im Wettbewerb. Er muss sicherstellen, dass es in Management und Unternehmen ein klares Verständnis der überlegenen Fähigkeiten des Unternehmens gibt, auf denen die Weiterentwicklung bzw. die Neuausrichtung des Geschäftsmodells fußen muss. Und er muss darauf achten, dass alle Risiken dabei Beachtung finden. Die „Transformations-Roadmap“ zu erstellen ist allerdings nicht die Aufgabe des Beirats oder Aufsichtsrats. Vielmehr geht es für den Beirat darum zu überprüfen, ob die von der Geschäftsführung getroffenen Annahmen realistisch sind, und die Verfolgung der Roadmap kritisch zu beobachten.

Familienunternehmen, die ein solches Zusammenspiel zwischen operativer Führung und beratendem Beirat nie geübt haben, tun sich vor allem in Transformationszeiten schwer. Denn dann müssen oft in kürzester Zeit finanzielle Mittel reallokiert und Unternehmensstrukturen umgebaut werden, in Marktsituationen mit vielen unbekannten Variablen und mit ungewissem Ausgang. Nicht selten steht im Strategieprozess dann Meinung gegen Meinung. Familienunternehmen, die erfahren haben, dass gute Beiräte Entscheidungsprozesse professioneller und damit am Ende besser machen, sind in der Lage, kontroverse Diskussionen in gute Entscheidungen zu münzen und weniger gefährdet, dramatische Fehlentscheidungen zu treffen.

 
Die Professionalität des Beiratsvorsitzenden als entscheidender Faktor

Bis ein solches hoch-professionelles Gremium und die Zusammenarbeit mit dem Top-Management eingespielt ist, vergehen in der Regel mehr als ein paar Monate. Eine entscheidende Rolle auf dem Weg zu einer wertstiftenden Beiratsarbeit kommt dabei dem Beiratsvorsitzenden zu. Er gibt den Takt und die Agenda für die Beiratsarbeit vor. Dies bedeutet aber auch, dass die Rolle des Beiratsvorsitzenden inhaltlich und zeitlich herausfordernd ist und in der Regel weit über die terminierten, meist vier Sitzungen pro Jahr hinausgeht. Wir machen bei unseren Besetzungen die Erfahrung, dass immer noch zu wenig darauf geachtet wird, ob der Vorsitzende den Anforderungen zeitlich, vor allem aber mit Blick auf seine Prozessgestaltungs- und Moderationsfähigkeiten gewachsen ist. Oft wird über diese Position mehr nach dem Motto „wer hat Lust, den Vorsitz zu übernehmen“ entschieden als danach, „wer wirklich in der Lage, fähig und erfahren darin ist, professionell den Vorsitz zu übernehmen“.

Wenn sich ein Unternehmen tiefgreifend verändern will, gehört dazu nach unserem Verständnis immer auch ein gut besetzter und professionell arbeitender Beirat bzw. Aufsichtsrat, der in Strategieprozessen geübt und in der Lage ist, eine Transformation wertschaffend zu begleiten.


 

Gerold Rieder (G.RIEDER@PETERMAY-FBA.COM) ist Geschäftsführer der PETER MAY Board Services, Sabine Strick (S.STRICK@PETERMAY-FBA.COM) ist dort Prokuristin.