Beiräte 2.0: Kompetenter, schneller, wirkungsstärker

In Zeiten mit so unsicheren Rahmenbedingungen wie aktuell müssen auch Beiräte ihre Arbeitsweise anpassen. Dr. Katja Portz und Dr. Matthias Händle raten dazu, auf den Prüfstand zu stellen, ob das bisherige Set-up noch in die heutige Zeit passt.


Beiräte gehören heute zum Standard guter Führung von Familienunternehmen. Das gilt insbesondere, wenn der Gesellschafterkreis wächst, die Nachfolge in den nächsten Jahren ansteht oder die Familie sich aus der operativen Führung zurückgezogen hat. Wer ein solches Gremium installiert, möchte damit einen Sparringspartner auf Augenhöhe für die Geschäftsführung haben, der bei (schwierigen) strategischen Entscheidungen berät und herausfordert. Und diese strategischen Entscheidungen gibt es aktuell mehr als genug. Denn egal, ob es um die immer noch anhaltende Corona-Pandemie geht oder die spürbaren wirtschaftlichen Belastungen durch den Ukraine-Krieg, die Preissteigerungen und Lieferengpässe nach sich ziehen – die Welt, in der die deutschen Familienunternehmen noch bis vor wenigen Jahren agiert haben, existiert so nicht mehr. Dies stellt für viele Familienunternehmen eine besondere Stress- und Konfliktsituation dar, da nicht nur die wirtschaftliche Existenz, sondern auch das persönliche Lebenswerk oder das Familienerbe durch Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit gefährdet werden können.

Beiräten fällt in dieser Situation eine besonders wichtige Rolle zu: Sie helfen die Interessen der Inhaberfamilie ins Unternehmen zu transportieren und gelten als neutrale Instanz, als Vermittler, der zwischen den verschiedenen Anspruchsgruppen zum einen Konflikte reduzieren und zum anderen das gegenseitige Vertrauen stärken kann.

Allerdings stellen einige Familienunternehmen fest, dass das Gremium in den aktuell herausfordernden Zeiten, in der Schnelligkeit und Konsequenz gefragt ist, nicht den erhofften Input bringt. Kann es sein, dass Beiräte heute anders als gewohnt interagieren müssen, um effizient die aktuellen Herausforderungen zu meistern?

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit mit sich wöchentlich ändernden Rahmenbedingungen benötigt man viel tiefere Einblicke in die Abläufe und Strukturen des Unternehmens, um als Sparringspartner fundierte Aussagen treffen zu können. Wer von seinem Beirat eine aktivere Mitwirkung bei den aktuellen Herausforderungen erwartet, der braucht Beiratsmitglieder, die eng mit der Geschäftsführung und dem oberen Management verzahnt und in ständigem Austausch mit ihnen sind. Der Beirat muss sich intensiver mit dem Geschäftsmodell auseinandersetzten, damit er Entscheidungen der Geschäftsführung bewerten und hinterfragen kann. Das heißt aber auch, dass die in der Regel üblichen vier Treffen im Jahr dafür nicht mehr ausreichend sind. Häufig braucht es einen sehr viel engeren Dialog mit dem Beirat. Die Herausforderung ist gerade, in kurzer Taktung Entscheidungen zu treffen – wichtige, kritische Entscheidungen. In volatilen Zeiten kann man nicht sagen: „Das wartet jetzt ein Vierteljahr.“ Ein entscheidender Faktor ist, den Beirat greifbar zu haben. Einige Familienunternehmen haben gute Erfahrungen damit gemacht, zusätzlich zu den Quartalstreffen monatliche virtuelle Treffen abzuhalten, um Sonderthemen zu besprechen, die sich aus den aktuellen Herausforderungen ergeben. Je nach Zielsetzung des Beirats kann es sogar sinnvoll sein, dass einzelne Beiratsmitglieder wöchentlich im Austausch mit der Geschäftsführung sind. Dadurch ist der Beirat nicht nur schneller auf dem Laufenden, er kann selbst auch schneller reagieren und kennt mehr Einzelheiten. Er ist in der Lage, der Geschäftsführung Impulse zu geben und den Blick von außen zu spiegeln. Das Gremium kann dadurch neue Wege ebnen oder dem Management helfen, Entscheidungen tiefgreifender abzuwägen. Aber Vorsicht! Der Beirat soll – oder besser: darf – keine Übergeschäftsführung werden.

In der aktuellen Zeit ist auch mit einer deutlichen Komplexitätserhöhung zu rechnen, da der Beirat zum einen auf die durch den Kontext neu an ihn gestellten Aufgaben reagieren und zum anderen seine bisherigen Aufgaben in Form von Beratung der Familie sowie der Kontrolle der Geschäftsführung erfüllen muss. Hierdurch stellen sich neue Anforderungen an die Beiratsmitglieder und ihre Fähigkeiten. Der Sinn eines Beirats in der aktuellen Zeit ist es zu erkennen: Wie gehe ich mit der neuen Unsicherheit um? Wie packe ich die neuen Herausforderungen an? Deshalb brauchen Familienunternehmen gerade jetzt ein Gremium mit Erfahrung und Gremiumsmitglieder, die nicht nur beraten, sondern auch verbindlich vermitteln können, wie die Herausforderungen zu überwinden sind. Außerdem müssen sie in der Lage sein, dies zu kommunizieren und vor allem zu kontrollieren. Die sich verändernden Aufgaben des Gremiums stellen somit auch neue Anforderungen an den Beirat als Team dar, sowohl in Bezug auf die Kompetenzen der einzelnen Mitglieder als auch in Bezug auf Prozesse und die Teamstrukturen mit ihren existierenden Hierarchien.

Viele Beiratsgremien verfügen leider immer noch über zu wenig Expertise für die aktuellen und zukünftigen Themen der „neuen Normalität“ und können deshalb die erweiterten Aufgaben bzw. Anforderungen bedingt durch die wirtschaftliche Unsicherheit nicht adäquat erfüllen. Sie diskutieren in ihren Sitzungen allzu oft über die Disruptionen der heutigen Zeit, wissen aber meist nicht, wie sie die Geschäftsführung unterstützten können, um zukunftsweisende Veränderungen anzustoßen. Wir brauchen heute Beiratsmitglieder, die divers aufgestellt sind: sie müssen über Knowhow im Bereich IT, Vertrieb, Finanzen, Unternehmensentwicklung und Personalentwicklung genauso verfügen wie über Branchenkenntnisse. Erst wenn man Beiräte am Tisch sitzen hat, die über den Tellerrand hinausschauen können, hat man einen Mehrwert in der heutigen Zeit.

Die häufig in der Praxis zu beobachtende Besetzung von Beiratsmitgliedern mit Freunden und Bekannten ist gerade in der aktuellen Zeit ebenfalls kritisch zu sehen. Insbesondere in Zeiten hoher Unsicherheit ist das Top Management zunehmend bezüglich der Richtigkeit der eigenen Strategien verunsichert. Bekannte, Freunde oder befreundete Kollegen neigen jedoch oft zu subjektiven Einschätzungen. Sie sind häufig nicht in der Lage (oder werden von der Geschäftsführung nicht gefordert), die unter Umständen notwendigen Strategiewechsel zu äußern. Von Freunden oder Bekannten wird eher eine Bestätigung der eigenen Vorgehensweise erwartet, respektive wird sie umgekehrt gerne gegeben. Entscheidend für den Erfolg des Beirats in der aktuellen Zeit ist also seine Zusammensetzung. Die Devise lautet: Erst der richtige Sachverstand verbessert die Qualität und Objektivität.

 

Heute ist eine intensive Kommunikation zwischen den Gremiumsmitgliedern erforderlich

In Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit entstehen hohe Anforderungen an die Prozesse innerhalb des Beirats, da sich diese an die veränderte Geschwindigkeit anpassen müssen. Die Beiratsmitglieder bekommen einerseits mehr Informationen zugespielt, die bearbeitet werden müssen, darüber hinaus sollten die Sachverhalte gemeinsam bewertet und ggf. Maßnahmen verabschiedet werden. Eine Gleichverteilung der Informationen bildet die Basis für konstruktive Ergebnisfindung.

Die Anforderungen des Beirates in Richtung Geschäftsführung ändern sich somit, aber auch die informelle Kommunikation in die Familie gewinnt an Bedeutung – vor allem wenn der Gesellschafterkreis aus aktiven und nicht im Unternehmen tätigen Gesellschafter:innen besteht. Die Kommunikation muss dann straff koordiniert sein, denn in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit kommuniziert auch die Familie untereinander viel regelmäßiger – einige Gesellschafter sind in ständigem Gedankenaustausch. Wenn Gesellschafter:innen dann von unterschiedlichen Quellen mit sich möglicherweise widersprechenden Aussagen konfrontiert werden, kann das zu Verwirrung führen und im Zweifel auch dazu, dass die Kompetenz des Gremiums in Frage gestellt wird. Der Beirat muss daher in der Lage sein, einheitlich gegenüber den Gesellschafter:innen aufzutreten.

Für den Beirat ergeben sich somit in Bezug auf seine strukturelle Aufstellung neben der notwendigen Erfüllung der neuen Anforderungen auch die Notwendigkeit schnellerer Entscheidungsfindungen und eines einheitlichen Außenauftritts. Keine einfache Aufgabe, gilt es somit, wie in einer Geschäftsführung unterschiedliche Eigenschaften und Wissen zu koordinieren.

Die Erfahrungen zeigen, dass viele Beiratsgremien darauf wie folgt reagieren: Ein Teil der Beiräte zentralisiert seine Entscheidungen zu weiten Teilen beim Beiratsvorsitzenden, der in Zeiten wirtschaftlicher Unsicherheit als wesentlicher Ansprechpartner und Entscheider agiert. Ein anderer Teil hingegen formt projektspezifische Teams zur Bearbeitung von Sonderthemen, an denen nur einzelne Beiratsmitglieder beteiligt sind. Ziel ist es, dass die Mitglieder eine Entscheidung vorbereiten, über die dann später im Beirat entschieden wird. Wesentlicher Vorteil solcher Projektteams ist die schnellere Entscheidungsfindung. Beide Vorgehensweisen funktionieren allerdings nur, wenn die Beiratsmitglieder den Fähigkeiten des Beiratsvorsitzenden oder des gebildeten Projektteams das notwenige Vertrauen entgegenbringen.

Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass Beiräte in der heutigen Zeit veränderten Rahmenbedingungen gegenüberstehen, an die sich bislang allerdings nur wenige Gremien angepasst haben. Die erweiterten Aufgaben stellen oftmals neue Anforderungen an die Kompetenzen, Strukturen und Prozesse des Gremiums. Manchen Gremien gelingt diese Anpassungen, vor allem dann, wenn Krisenerfahrung vorhanden ist. Andere Gremien sind komplett überfordert, verlieren das Vertrauen von Geschäftsführung und Gesellschaftern in ihre Handlungsfähigkeit und verstärken die Unsicherheit sogar. Es lohnt also ein regelmäßiger kritischer Blick auf den eigenen Beirat. Nicht immer ist der Beirat, der die letzten zehn Jahre gepasst hat, auch der richtige Beirat für die Herausforderungen der nächsten zehn Jahre.