Beiräte sind aus der Praxis von Familienunternehmen nicht mehr wegzudenken. Sie sind längst ein wichtiger Baustein guter Governance. Zu Recht: Beiräte leisten, wenn richtig installiert, einen wertvollen Beitrag zur Zukunftssicherung des Familienunternehmens. Mit einer klaren Rollenverteilung zwischen Inhaber:innen, operativer Führung und der beratend/kontrollierenden Instanz können Strategien entwickelt, Risiken frühzeitig erkannt und die Entwicklungspotenziale des Unternehmens voll ausgeschöpft werden. Auch Konflikten kann dadurch professionell begegnet werden.
Wichtige Rahmenbedingungen für den Beirat und seine Zusammensetzung
Die meist freiwillige Einrichtung eines Beirats hat viele Vor- und Nachteile. Denn das Fehlen verbindlicher Vorgaben erlaubt zwar individuell passende Gestaltungen, nimmt jedoch insbesondere die Gesellschafterfamilie in die Verantwortung. Bei ihr liegt die Pflicht, die Governance im Unternehmen regelmäßig zu überprüfen und zu gestalten, und damit auch die des Beirats. Zudem liegt es an ihr, Veränderungen herbeizuführen, wenn ein Beiratsgremium mit seinen vor vielen Jahren definierten Aufgaben, seiner Zusammensetzung und seiner Arbeitsweise nicht mehr zu einem veränderten Unternehmen oder einer gewachsenen Inhaberfamilie passt.
Jedes Familienunternehmen braucht einen anderen Beirat
„One size fits all“ gibt es hier nicht. Jedes Familienunternehmen braucht einen anderen Beirat, je nach aktueller Konstellation in der Inhaberfamilie, Entwicklungsphase des Unternehmens, spezifischer Zielsetzung der Inhaber:innen und den anstehenden Herausforderungen. Wenn wir Inhaberfamilien bei der Justierung ihrer Beiratsgremien begleiten, sind es vor allem folgende Fragestellungen, die bei der Neusortierung der Themen helfen:
Ziele & Aufgaben
- Welche unternehmensstrategischen Ziele verfolgen wir in den nächsten Jahren? Welche Führungs-/Aufsichtsstruktur brauchen wir idealerweise, um diese Ziele zu erreichen?
- Was ist unser Selbstverständnis als Inhaberfamilie? Welche sind unsere Erwartungen an das Beiratsgremium „von morgen“? Welche Erwartungen dürfen die Gesellschafter an den Beirat stellen?
- Welche Entscheidungsbefugnisse soll der Beirat im Verhältnis zur Geschäftsführung und zu den Gesellschaftern mit Blick auf die weitere Entwicklung des Unternehmens und der Inhaberfamilie haben?
- Wie sind die Informationsrechte des Beirats zukünftig idealerweise ausgestaltet?
- (Wie) sind die Kommunikations- und Informationsprozesse in Richtung der Gesellschafter institutionalisiert?
- …
Ausgestaltung & Evaluation
- Wie sollte der Beirat demnach idealerweise „morgen“ und „übermorgen“ zusammengesetzt sein? Welche fachlichen und persönlichen Anforderungen stellen wir an den künftigen Beirat?
- Welche Aufgaben hat der/die Beiratsvorsitzende? Wie erfolgt die Kommunikation zwischen Beiratsvorsitzendem/-r und Management sowie zwischen Beirat und dem Gesellschafterkreis?
- Wird die Beiratsarbeit regelmäßig evaluiert? Gibt es einen entsprechend strukturierten Prozess und (wie) werden Maßnahmen hinsichtlich der Umsetzung nachgehalten?
- Wie finden wir die richtigen Mitglieder und welche Fragen werden sie uns im Suchprozess möglicherweise stellen?
- ...
Aus den aktuellen und zukünftigen Herausforderungen des Unternehmens abgeleitet, lässt sich sodann der Kompetenzmix des Beirats festlegen. Wir sehen bei unseren Mandaten sehr unterschiedliche Kernherausforderungen, die dann entsprechend auch sehr unterschiedlich besetzte Beiratsgremien benötigen. Exemplarisch seien hier einige Kernherausforderungen genannt:
- Umsetzung einer ehrgeizigen, internationalen Wachstumsstrategie
- Fokus auf Profitabilitätssteigerung bzw. Kostenmanagement bis hin zur Restrukturierung
- Finanzierung/Kapitalmarkt
- Neue, ggf. digitale Geschäftsmodelle – Marktzwang (z.B. Automobil) – Innovation
- Fokus auf Personal, z.B. bei anstehenden Nachfolgen in der Führung und auf Gesellschafterebene
- Familienmanagement: Junge heranführen, Senioren herausführen …
- Erstmalige Einrichtung eines Fremdmanagements
Wir treffen immer häufiger auf Inhaberfamilien, die diese Fragen zwar bei der Aufsetzung ihrer Gremien berücksichtigt haben, deren Beiräte aber aufgrund der Unternehmensentwicklung überholt sind. Denn die Anforderungen an den Beirat ändern sich mit den verschiedenen Phasen, die das Familienunternehmen durchläuft – entsprechend den Herausforderungen, die das Unternehmen je nach Phase vor sich hat. Gerade wenn ein oder mehrere Beiratsmitglieder ausscheiden, bietet sich eine günstige Gelegenheit, die Zusammensetzung des Beirats grundsätzlich zu hinterfragen und den Kompetenzmix des Gremiums auf den Prüfstand zu stellen – ggf. natürlich auch dessen Rahmenbedingungen.
Ein paar Beispiele:
Stand das Unternehmen seinerzeit etwa vor einer grundlegenden Restrukturierung, mag es heute nach erfolgreicher Neuaufstellung an der Zeit sein, sich wieder auf Wachstum auszurichten. Entsprechend braucht es im Beirat Persönlichkeiten, die Erfahrung darin haben, organisches und ggf. auch anorganisches Wachstum zu begleiten. Persönlichkeiten, die wissen, wie die Organisation bei starkem Wachstum mitwachsen kann, so dass Wachstum verkraftbar wird und profitabel erfolgt. So in einem aktuellen Fall eines Familienunternehmens, für das wir bereits vor vielen Jahren ein Beiratsgremium zusammenstellen durften und das wir nun erneut mit ganz neuen Kompetenzen ausstatten sollen.
Galt es in einem anderen Fall vor Jahren noch, leicht verstaubte Marken durch erheblichen Aufwand zu neuem Glanz zu führen und dafür die Finanzierung des Unternehmens neu zu ordnen, etwa auch durch Öffnung gegenüber dem Kapitalmarkt in Form der Ausgabe von Anleihen, mag heute die Zeit gekommen sein, in der die Marken wieder glänzen, die Anleihen nach und nach auslaufen, Schulden zurückgefahren werden können und Investitionen in neue Geschäftsfelder möglich werden. Heißt für den Beirat: Die Kapitalmarktprofis haben ihren wichtigen Beitrag geleistet, aber jetzt brauchen wir Kompetenzen für Disruption, neue Märkte und Vertriebsmodelle.
Auch die anstehende Aufnahme eines externen Equity-Partners erfordert andere Begleiter im Beirat als die Öffnung zum Kapitalmarkt. Ein anstehender Generationswechsel in der Führung des Unternehmens durch die Familie braucht andere Kompetenzen im Beirat als etwa der Übergang zu Fremdmanagement. Und so könnte man die Beispiele weiter fortsetzen.
Selbst die Rolle des Beiratsvorsitzenden kann sich über die Zeit verändern, und damit natürlich auch die Anforderungen an ihn oder sie: Galt es seinerzeit vielleicht, ein Bindeglied im Nachfolgeprozess zu sein, die unterschiedlichen Blickwinkel von weichender und übernehmender Generation zusammenzubringen, die Jüngeren heranzuführen etc., stehen für ihn oder sie heute ganz andere Anforderungen auf der Agenda. Zum Beispiel die wichtige koordinierende Rolle zwischen allen Beteiligten beim Zukauf eines größeren Mitbewerbers. Wobei aus meiner Erfahrung die Rolle und Anforderung an den oder die Vorsitzende insgesamt oftmals weit unterschätzt wird – siehe auch meinen Beitrag in unserer Insights-Ausgabe 04/2023.
Nutzen Sie für das Hinterfragen der Kompetenzen in Ihrem Beirat aber nicht nur die Gelegenheit einer entstehenden Vakanz, sondern fragen Sie sich regelmäßig, ob Ihr Beirat in seinen aktuellen Kompetenzen die aktuellen Anforderungen ausreichend begleiten kann. Eine regelmäßige Evaluation kann ein probates Mittel sein, dies konsequent zu leben.
Wobei man freilich nicht bei jedem Strategieschwenk oder neuen Thema den Beirat austauschen kann – denn eine verlässliche Beständigkeit des Gremiums als wichtiger Anker und Garant für die Inhaberfamilie ist auf der anderen Seite natürlich nicht minder wichtig. Hier eine gute Balance zu finden, ist die Herausforderung der Inhaberfamilie, der es sorgsam zu begegnen gilt. Wenn der Kompetenzmix des Beirats aber einfach nicht mehr in die Zeit passt, nutzen Sie spätestens den nächsten Zeitpunkt auslaufender Amtszeiten für nötige Veränderungen.
Denn nur wenn die Zusammensetzung zu den aktuellen Herausforderungen passt, kann Ihr Beirat deutlich mehr Wert bringen, als er an Geld und vor allem Zeit kostet. Nur dann können sich die Beiräte entsprechend entfalten und auch ihrerseits gemeinsam Freude an ihrer Mitwirkung gewinnen.
Wirklich gute und wertvolle Beiräte erkennen im Übrigen selbst, wann der Zeitpunkt gekommen ist, zu dem ihr Beitrag an Relevanz verliert und andere Erfahrungshorizonte im Gremium gebraucht werden.
Gerold Rieder (G.RIEDER@PETERMAY-FBA.COM) verantwortet als Geschäftsführer die PETER MAY Family Business Academy & Board Services GmbH & Co. KG. Bereits Ende der 90er Jahre begann er zusammen mit Peter May für Inhaberfamilien zu arbeiten. Seine Kompetenz und Leidenschaft liegt in der Professionalisierung und Besetzung von Beiräten, Aufsichtsräten und Verwaltungsräten auf der Basis seines über die Zeit gewachsenen und permanent gepflegten persönlichen Netzwerkes von Unternehmer:innen und Geschäftsführer:innen, deren Bereitschaft für Beiratsaufgaben ihm bekannt sind.