Übertragung von Beteiligungsvermögen in der Inhaberfamilie

Die Übertragung von Beteiligungsvermögen innerhalb der Familie kann durch verschiedene Einflussfaktoren sehr komplex werden. Was Inhaberfamilien beachten müssen erklären Jörg Hueber und Madleen Buchar, Geschäftsführende Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service.

Lorenz Zwingmann und Jörg Hueber

 

Die Übertragung von Beteiligungsvermögen in der Inhaberfamilie erscheint zunächst dann einfach (steuerliche und rechtliche Implikationen unberücksichtigt), wenn diese von einem Übertragenden (oder einem Elternpaar) auf einen Abkömmling erfolgt. Komplizierter kann es aber bereits werden, wenn es weitere Abkömmlinge oder Familienmitglieder gibt und das Beteiligungsvermögen aufzuteilen ist; oder bereits aufgeteilt ist, über die Jahre aber unterschiedliche Wertentwicklungen eingetreten sind. Die Fragestellungen einer Verteilungsangemessenheit vermehren sich, sofern die einzelnen Mitglieder der Inhaberfamilie unterschiedlich oder teilweise auch gar nicht in der operativen Entwicklung des Beteiligungsvermögens eingebunden sind und damit, subjektiv empfunden oder objektiv sichtbar, zu der Wertentwicklung verantwortlich beigetragen haben. Sodann stellt sich die Frage, ob die Begünstigten einer Vermögensübertragung diese überhaupt wollen, als gerecht für sich selbst und untereinander finden und auch im Falle einer Vermögensübertragung das Beteiligungsvermögen als Inhaber überhaupt fortführen wollen. Es liegt auf der Hand, mit wachsender Anzahl der beteiligten Familienmitglieder, ihrer jeweiligen Lebensphase, eigenen beruflichen Interessen, der eigenen familiären Situation, ihres Wohnortes etc. erhöht sich die Vielfalt der Faktoren, die die Organisation einer Vermögensorganisation beeinflussen. In sachlicher und emotionaler Hinsicht.

Die Komplexität einer Vermögensübertragung betrifft einerseits das Beziehungsgefüge der Inhaberfamilie – kann andererseits aber vergleichbar facettenreich die Gesamtheit des Vermögensobjektes betreffen. Handelt es sich bei dem zu übertragenden Vermögen um ein einzelnes Familienunternehmen mit klaren Strukturen und möglichst (aber seltener) geringer Verknüpfung mit der Privatsphäre der Inhaberfamilie (Gesellschafterdarlehen, unter Nutzungsüberlassung im Privatvermögen gehaltene Immobilien, Lizenzen, Namensrechte, Vergütung für Tätigkeiten in Geschäftsführung, Aufsichtsgremien), ist auch die Strukturierung noch vergleichsweise übersichtlich. Betrachten wir eine Unternehmensgruppe oder gar eine Ansammlung von Teilkonzernen mit unterschiedlicher Aufteilung in der Familie, erhöht sich die Komplexität. Eine in der Vergangenheit bewusst gewählte Verteilung von Unternehmenseigentum auf einzelne Familienmitglieder, etwa entsprechend von Interessengebieten einzelner Abkömmlinge, Familienstämme etc. kann durch unterschiedliche Wertentwicklung der einzelnen Vermögenswerte, aber auch ihrer möglichen wirtschaftlichen Verflechtungen in der aktuellen Betrachtung zu einer als ungerecht empfundenen Verteilung führen. Das zu übertragende Vermögen kann neben dem Familienunternehmen, Teilkonzernen oder im Rahmen der Vermögensdiversifizierung weiteren Unternehmensbeteiligungen in anderen Branchen auch außerhalb der Unternehmenssphäre gehaltene Immobilien und sonstige Vermögensgüter (liquide Assets, Aktiendepots, Private Equity Beteiligungen etc.) umfassen. Für eine Übertragung in der Inhaberfamilie bedarf es damit einer Bestandsaufnahme.

Als dritte Säule der Vermögensübertragung innerhalb von Inhaberfamilien steht neben der Zuordnung der Person, und der Zuordnung der Vermögensgegenstände, die wertmäßige Bestandsaufnahme des Vermögens. Lassen sich für liquiditätsnahe Vermögenswerte wie Aktien oder Fondsbeteiligungen Marktwerte generieren und bestehen auch für Immobilien öffentlich gut zugängliche Richtwerte für eine aktuelle Wertbeimessung, ist die Bewertung von nicht-öffentlich handelbaren Unternehmensbeteiligungen und insbesondere des Familienunternehmens deutlich umfangreicher; subjektiver statt objektiver. Häufig legen Regelungen im Gesellschaftsvertrag (vereinfachte) Wertfindungsformeln zugrunde, die allerdings aufgrund ihrer bewussten Vereinfachung (etwa Durchschnittswerte der letzten 5 Jahresüberschüsse unter Anwendung eines Multiplikators) in der praktischen Umsetzung zu teilweise hohen Diskrepanzen bei der realen Wertwahrnehmung führen und damit keine Akzeptanz finden, wenn es zu einer Aufteilung des Vermögens zwischen mehreren Begünstigten in einer Familien kommt und diese nicht einer gleichlautenden Proportionalität folgt, sondern eine disproportionale Aufteilung (40/30/30) vorgesehen ist und unterschiedliche Vermögenswerte auf verschiedene Begünstigte verteilt werden.

Beispiel 1: Schon frühzeitig bindet der Familienvater seine drei Kinder in die operativen Prozesse des Familienunternehmens ein, einem Zulieferunternehmen der Logistikbranche mit etwa EUR 100m Umsatz. Das Studium der Kinder ist auf die Anforderungen einer späteren Tätigkeit im Familienunternehmen ausgerichtet entlang der Kernfelder Maschinenbau, Wirtschaftsingenieurswesen und allgemeiner Betriebswirtschaftslehre. Die drei Kinder ergänzen den Vater in der Geschäftsführung mit Verantwortlichkeiten in den drei Bereichen Produktion, Wartung & Instandhaltung (Services) sowie Marketing & Vertrieb. Für die drei Bereiche in der jeweiligen Verantwortung der Geschäftsführer sind Geschäftsbereiche und später verselbständigte Teilkonzerne entwickelt worden. Mit den Jahren haben sich die Ertrags-, Vermögens- und Liquiditätssituation der drei Teilkonzerne deutlich unterschiedlich entwickelt, in Teilen bedingt durch exogene Faktoren wie Veränderungen der Wettbewerbssituation, aber auch durch interne Lieferungs-, Leistungs- und Finanzierungsbeziehungen, deren Verrechnungspreise durch die Konzernmutter unter Führung des Familienvaters auch und insbesondere vor dem Hintergrund von größeren Projektkalkulationen festgelegt und individuell angepasst worden sind. Das Ausscheiden aus dem Gesellschafterkreis und Abfinden des aussteigenden Gesellschafters bei Übertragung seiner Anteile an die Geschwister führte zu umfangreichen Adjustierungen der einer Unternehmensbewertung zugrundeliegenden Finanzinformationen. Ebenso benötigte es eine anspruchsvolle Koordination der Gesprächsführung der drei Geschwister untereinander, die losgelöst von einer Anteilsübertragung familiär eng verbunden verbleiben und die ein übergeordnetes Interesse am Wohlergeben des Familienunternehmens vereint.

Beispiel 2: Für zwei im operativen Geschäftsbetrieb verantwortliche Repräsentationen beider Familienstämme erfolgte ‚vereinfachend‘ eine Aufteilung der Unternehmensgruppe, einem namhaften Hersteller von Konsumgüterartikeln mit etwa EUR 1,0 Mrd. Umsatz, nach einem Regionalprinzip in die Bereiche ‚West- und Osteuropa‘ sowie ‚Amerika, Asien und Afrika‘. Losgelöst von der damaligen Intention hinter einer geographischen Aufteilung entwickelten sich die einzelnen Regionen allein aus operativen Opportunitäten deutlich unterschiedlich. Während die Produktionsstätten vorrangig in Osteuropa angesiedelt wurden, befassten sich die Übersee-Regionen vorrangig mit dem Vertrieb. Investitions- und Finanzierungserfordernisse unterschieden sich damit substanziell, die Ertragssituation ebenfalls. Die jeweiligen Stämme führten jeweils individuell verantwortlich die beiden geographischen Segmente, blieben aber als Gesellschafter vereint Eigentümer an der gemeinsamen Muttergesellschaft. Nicht immer wurden die operativen Entscheidungen in den autark geführten Geographien vom jeweils anderen Familienstamm, oder dessen Vertretern, geteilt. Wiederkehrende Diskussionen beeinflussten letztlich auch das familiäre Miteinander, so dass sich die Familie darauf verständigte, die gesamten Beteiligungsanteile in einem Familienstamm zu bündeln und den ausscheidenden Familienstamm abzufinden. Es folgten zeitlich intensive und emotional fordernde Gespräche über die Bewertungshöhe, der zeitlichen Streckung einer Abfindungsvergütung und der Strukturierung der kompensatorischen Vermögensübertragung unter Einbezug von im Privatvermögen angesiedelten Unternehmensbeteiligungen aus dem Family Office, Depotwerten und privat genutzten Immobilien.

Beispiel 3: Nach über Jahrzehnte währender alleiniger Geschäftsführung durch den Familienvater werden die beiden Söhne in die Geschäftsführung des Familienunternehmens, einem Unternehmen des Anlagen- und Maschinenbaus mit mehr als EUR 500m Umsatz und Standorten in diversen Ländern, aufgenommen. Über mehrere Jahre verteilt folgt eine ratierliche Übertragung von Beteiligungsanteilen an die Söhne, der Vater bleibt mit einer qualifizierenden Minderheitsbeteiligung und unter weiten Entscheidungsrechten im Gesellschafterkreis. Die Söhne führen miteinander ein persönlich enges Verhältnis. In der Führung des Familienunternehmen treten jedoch unterschiedliche Meinungen auf, die auf das Familienunternehmen ausstrahlen und wichtige Entscheidungen blockieren. Einer der Söhne beabsichtigt, einen Teil seiner Anteile an seinen Bruder zu übertragen, so dass dieser eine Mehrheitsbeteiligung erhält. Der veräußernde Bruder möchte aber im Rahmen seiner persönlichen Vermögensallokation Gesellschafter bleiben. Über die Jahre ist weiteres unternehmerisches Beteiligungsvermögen in alleiniger Eigentümerschaft des Vaters entstanden, welches perspektivisch durch operative Nähe in das Familienunternehmen eingebracht werden soll und damit rechnerisch mehrheitlich demjenigen Bruder zufallen würden, der nun die Mehrheit am Familienunternehmen hält. Die Regelungen der bestehenden Abfindungsvergütung beziehen sich allerdings ausschließlich auf das Familienunternehmen und nicht auf weitere Beteiligungen, an denen der veräußerungsbereite Gesellschafter nicht beteiligt ist. Eine perspektivische, entsprechend dem Wunsch der Brüder disproportionale Beteiligung führt somit bereits heute zur Entwicklung einer entsprechenden Abfindungsformel nebst ihrer Refinanzierungserfordernisse. Gleichzeitig werden bei einer qua Gesellschaftsvertrag vorgesehenen retrospektiven Bewertungsformel unter Bezugnahme auf die letzten 3 Jahresabschlüsse Adjustierungen auf pandemiebedingte Umsatz- und Ergebnisausfälle und Kosten von Restrukturierungsmaßnahmen vorgenommen, obwohl der Gesellschaftsvertrag Adjustierungen nicht vorsieht, so dass formalisierte Vorgaben durch subjektive Überarbeitungen Ergänzung finden. Die Vergütung des ausscheidenden Gesellschafters erfolgt durch Barmittel, die über eine mehrjährige Auszahlperiode verteilt werden, sowie durch die Übertragung von Anteilen an Private Equity Fonds und Venture Capital Investments, die bislang durch die Brüder gemeinsam gehalten wurden.

Beispiel 4: Im Rahmen unternehmerischer Diversifikation hat ein Inhaber eines Familienunternehmens in der Rohstoffverarbeitung weitere Unternehmensbeteiligungen erworben, deren Geschäftszwecke teilweise bewusst in sachlicher Distanz zum eigenen Familienunternehmen stehen. Diese umfassen etwa Beteiligungen in der Systemgastronomie, an einem Hotelbetrieb oder einem Auktionshaus für Kunstsammlungen. Teilweise stehen diese Beteiligungen im vollständigen Eigentum des Inhabers, teilweise in Gemeinschaft mit nahestehenden Personen. Die beabsichtigte Übertragung des Familienunternehmens und der weiteren Beteiligungen an seine Kinder führt zu einer Diskussion der Übernahmebereitschaft der Objekte oder einer möglichen Weiterveräußerung an Dritte, wie auch ihrer Wertbeimessung im Hinblick auf eine etwaige Aufteilung zwischen den Kindern und weiteren nahestehenden Personen. Dem Vater ist die Fortführung der von ihm geschaffenen Beteiligungsgruppe wichtig, den Kindern eine klare Fokussierung auf das Familienunternehmen und ein Lösen von den sonstigen Beteiligungen.

Die vorstehenden Beispiele basieren auf leicht veränderten, aber strukturell realen Situationen. Sie stehen beispielhaft für eine hohe Anzahl vergleichbarer Konstellationen in anderen Inhaberfamilien. Lösungswege lassen sich gelegentlich in mindestens rationaler Weise ‚in Eigenregie‘ finden, doch fehlt es häufig an der individuell notwendigen Distanz der betroffenen Personen, Entscheidungs- und Lösungswege aufzuzeigen und mit hinreichender emotionaler Neutralität umzusetzen. Häufig möchte man das auch nicht selbst tun und sucht die Einbindung professioneller Berater von außen.


Ihre Ansprechpartner

Jörg Hueber ist Geschäftsführender Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service GmbH & Co. KG und befasst sich mit Themenstellungen der Angemessenheit und Aktualität der Vermögensverteilung in Inhaberfamilien, der Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen innerhalb der Familie, zu Abfindungsregelungen für Gesellschafter bei Kündigung ihrer Gesellschafterrolle, zu Fragestellungen der Öffnung des Gesellschafterkreises sowie mit Beratungsleistungen des Kaufs und Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen für Familienunternehmen, Inhaberfamilien und Family Offices. Vor seiner Tätigkeit in der PETER MAY Gruppe ist Jörg Hueber mehr als 20 Jahre in international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Privatbanken tätig gewesen und hat den M&A Bereich eines börsennotierten Unternehmens verantwortet.

Madleen Buchar ist Geschäftsführende Gesellschafterin der PETER MAY Family Office Service GmbH & Co. KG und befasst sich mit Themenstellungen der Vermögensübertragung und Vermögenssortierung insbesondere für Familienangehörige der NextGen. Ihre fachlichen Schwerpunkte liegen in der Konzeption von Übertragungsszenarien, der Beteiligungsbewertung und Themenstellungen der Vermögenstransparenz sowie in der fachlichen Begleitung von Beteiligungsübertragungen innerhalb der Inhaberfamilie oder der selektiven Begleitung einer Anteilsveräußerung an Dritte. Vor ihrer Tätigkeit in der PETER MAY Gruppe verantwortete Madleen Buchar komplexe Unternehmensübertragungsprozesse in einer international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaft an den Standorten Hamburg und Madrid.


Wenn die grundsätzliche Entscheidung zur Übertragung von Anteilen gefallen ist, stellen sich Inhaberfamilien weitere Fragen. Was es bei der Auswahl der neuen Gesellschafter zu beachten gilt erklären Isabel Wessel und Jörg Hueber im nächsten Beitrag: Übertragung von Beteiligungsvermögen – aber an wen?