Familienunternehmen und Private Equity – Über die Brücke von Unterschieden zu Gemeinsamkeiten

Jörg Hueber, Geschäftsführender Gesellschafter der PETER MAY Family Office Service, im Gespräch mit Moritz Elfers, Managing Director bei BC Partners, über das Verhältnis von Familienunternehmen und Private Equity.

Moritz Elfers und Jörg Hueber

 

Jörg Hueber: Lieber Moritz Elfers, ich wage unser Gespräch einmal mit zwei einfachen Blickwinkeln zu beginnen: 1. ‚Die Aufnahme von Private-Equity-Investoren in den Gesellschafterkreis führt zu einer wachsenden Professionalisierung eines Familienunternehmens, der zeitnahen Umsetzung von effizienzsteigernden Maßnahmen zur Stärkung im Wettbewerb um Innovationen, Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und resultiert zu höherem Umsatz, Ertrag und Liquidität‘; sowie: 2. ‚Die Aufnahme von Private-Equity-Investoren führt zu herausfordernden Eingriffen in die Innen- und Außenorganisation des Familienunternehmens, einer möglichen Beeinträchtigung des langjährigen Wertegerüstes und Selbstverständnisses in der Führung eines Familienunternehmens, der Beanspruchung des Familienunternehmens durch übermäßige Liquiditätsentnahmen und das ausschließliche Interesse an zeitnahem Weiterverkauf unter hoher Renditeanforderung auf das eingesetzte Kapital‘.

Beide Blickwinkel verkürzt und mindestens beim zweiten Punkt oberflächlich und provokativ - aber vielleicht eine gute Ausgangsbasis, in unserem Gedankenaustausch unmittelbar Vorurteile zu verarbeiten und ein Stück weit Offenheit und Realität zu erzeugen, soweit dies in dieser Kürze möglich ist.

Moritz Elfers: Zunächst vielen Dank, dass ich hierzu Stellung nehmen darf. Die Private-Equity-Branche hatte in der Vergangenheit teilweise mit einem negativen Image zu kämpfen. Die Zeiten der „Heuschrecken“-Debatte haben wir allerdings lange hinter uns gelassen. Private Equity wird heute im Allgemeinen besser verstanden und ausgewogener beurteilt. Die positiven Auswirkungen, die private Investoren auf die Wirtschaft im Allgemeinen und die Portfoliounternehmen im Besonderen haben, werden kaum noch ernsthaft bestritten. Nicht nur als eine wichtige Finanzierungsquelle; wir helfen Unternehmen vor allem neue Strategien zu entwickeln und umzusetzen, neue Märkte zu erschließen, profitabel zu wachsen. Dass es auch einige negative Beispiele gab und gibt, bestreite ich nicht. Allerdings können und werden solche auf Dauer nicht bestehen. Private Equity ist vor allem ein „People Business“, in dem sowohl die persönliche Integrität als auch die nachhaltige Performance von Portfoliounternehmen wesentliche langfristige Erfolgsfaktoren sind. Im Idealfall ist ein Finanzinvestor Intermediär von Kapital und Wissen, dessen handelnde Personen in persönlicher Verantwortung und enger Zusammenarbeit mit den Portfoliounternehmen deren Entwicklung gestalten. Unsere Branche würde heute insgesamt nicht so gut dastehen, wenn sie nicht überwiegend eine positive Rolle bei der Weiterentwicklung von tausenden Unternehmen und damit der Gesamtwirtschaft – einschließlich der Schaffung einer Vielzahl neuer Arbeitsplätze - gespielt hätte.

Jörg Hueber: Wenden wir uns der zeitlichen Dimension der Eigentümerschaft zu und stellen hier wiederum zwei vereinfachte Blickwinkel gegeneinander. 1. Private-Equity-Gesellschaften arbeiten mit ‚geliehenem‘ Geld ihrer Investoren, die ihren Einsatz, idealerweise mit guter Rendite verzinst, nach einem übersichtlichen Zeitfenster zurückhaben möchten. Private Equity ist Eigentümerschaft auf Zeit. 2. Die Inhaberschaft von Familienunternehmen vollzieht sich häufig über mehrere Generationen, die Familien investieren ihr eigenes Vermögen und kein ‚geliehenes‘ Kapital. Inhaberschaft definiert sich in der Einordnung ihrer Inhaberfamilien nicht als Finanzbeteiligung, sondern als Teil ihrer Familienidentität. (Wie) können diese vereinfachten Sichtweisen zueinanderfinden?

Moritz Elfers: Es ist durchaus richtig: Private Equity ist eine Partnerschaft auf Zeit. Das liegt in der Natur der Sache, denn Finanzinvestoren sind nun einmal keine Unternehmensgründer oder Familienunternehmer. Sie investieren in Unternehmen mit Potenzial, natürlich in der Erwartung einer angemessenen Rendite. Das ist aber kein Widerspruch. Ich könnte dutzende Beispiele nennen, in denen Private-Equity-Investments Familienunternehmen wirkungsvoll dabei geholfen haben, sich strategisch weiterzuentwickeln und erheblichen Mehrwert zu schaffen, der ohne das Hinzutreten des Investors nicht zu erzielen gewesen wäre. So konnten wir etwa einen visionären Labordienstleister aus Süddeutschland dabei unterstützen, sich mit über 60 kleineren und größeren Akquisitionen zu einem europäischen Marktführer zu entwickeln. In einem anderen Fall ist es gelungen, durch die Kombination zweier Verlagshäuser den weltweiten zweitgrößten Wissenschaftsverlag zu schaffen. Oftmals ist es dabei so, dass die ursprünglichen Unternehmensgründer bzw. -inhaber und ihre Familien am Unternehmen mitbeteiligt bleiben und in unterschiedlichem Umfang an der Fortentwicklung des Unternehmens mitwirken, teilweise auch über den Exit des Private-Equity-Investors hinaus. Gleichzeitig ermöglicht der Einstieg eines Private-Equity-Investors die Diversifizierung des Vermögens. Insofern ist die Entscheidung für eine Partnerschaft mit Private Equity in aller Regel ein Win-Win für die Beteiligten. Mir ist es in diesem Zusammenhang noch wichtig zu betonen, dass die durchschnittliche Dauer unserer Beteiligungen über fünf Jahren liegt, und dass es zahlreiche Beispiele gibt, in denen Private-Equity-Investoren ihr Investment zeitlich ausweiten, beispielsweise indem sie im Zuge eines Exits von einer Beteiligung zugleich neben dem Käufer reinvestieren. Wir begleiten und unterstützen unsere Portfoliounternehmen in einer bestimmten Phase ihrer Entwicklung, und in der nächsten Phase kann es neue Partner geben, die sodann ihre spezifischen Kompetenzen einbringen und die Entwicklung des Unternehmens weiterführen. Ausschlaggebend ist dabei jeweils nicht nur Kapital, sondern auch ganz spezifisches Know-how.

Jörg Hueber: Ich möchte an dieser Stelle kurz unterbrechen. Es kann doch kaum jemanden geben, der die Wirkungsweisen, das sozio-ökonomische Umfeld, die Mechanismen und die Funktionsweisen des Geschäftsmodells eines Familienunternehmens besser versteht als die Familie selbst. Es sei denn, es folgt eine familieninterne Übergabe des Eigentums an Familienmitglieder, die mit dem Familienunternehmen wenig Berührung hatten. Die Familien haben zudem ein empathisches, ideelles Wertegerüst in ihren Familienunternehmen und damit Führungsphilosophie implementiert. Wie können Private-Equity-Investoren solches Know-how und Governance ersetzen?

Moritz Elfers: Ich denke, dass Private Equity vor allem eine Ergänzung zu dem Know-how der Inhaberfamilien bietet. Daher steht sehr oft der Gedanke der Partnerschaft im Vordergrund, in der die Familie bei einem Verkauf des Unternehmens mitbeteiligt bleibt. Den Übergang des Unternehmens in seine nächste Entwicklungsphase gestalten Familie und Investor somit gemeinsam. Das Know-how, das der Private Equity Investor mitbringt, liegt vor allem in der gewachsenen Erfahrung mit einer Vielzahl von Unternehmen und den daraus resultierenden Vergleichsmöglichkeiten: Welche Weichenstellungen waren an anderer Stelle schon einmal erfolgreich, und welche nicht? Welcher Vorbereitung bedarf es für neue strategische Schritte und Investitionsentscheidungen? Welche Organisationsform eignet sich am besten für ein bestimmtes Geschäftsmodell? In solchen Fragen kann Private Equity zu rational abgewogenen Entscheidungen beitragen und dabei auf einen umfassenden Fundus praktischer Referenzen zurückgreifen. In unserem Haus spiegelt sich das zum Beispiel in der Bündelung von Branchenexpertise in vier Sektorgruppen, deren Mitglieder jeweils exklusiv in ihrem Bereich tätig sind. Die Beschäftigung mit sektorspezifischen Wachstumsthemen und einer Vielzahl von vergleichbaren Geschäftsmodellen erlaubt die Identifikation von Best Practices, die zum einen schon bei der Auswahl der Zielunternehmen für unsere Investitionen eine wesentliche Rolle spielen, zum anderen aber auch erfolgreich zwischen unseren Portfoliounternehmen ausgetauscht werden. Man kann es auf den Punkt bringen: Ein guter Private-Equity-Manager ist immer auch ein guter Strategieberater. Ein weiterer wesentlicher Aspekt ist unsere tiefe Verwurzelung am Wirtschaftsstandort Hamburg verbunden mit dem Zugriff auf das ausgeprägte transatlantische Netzwerk unserer anderen Büros. Dies erlaubt uns einen direkten Austausch mit und Zugang zu Unternehmern sowohl in Deutschland als einem unserer europäischen Kernmärkte als auch im europäischen Ausland und Nordamerika. Nicht nur für Erstinvestitionen, sondern besonders auch für Zukäufe unserer Portfoliounternehmen im Rahmen ihrer strategischen Entwicklung ist dies von zentraler Bedeutung.

Jörg Hueber: Ich möchte meine vorgehende Aussage etwas relativieren in Bezug auf die Dauer der Eigentümerschaft. Viele Familienunternehmen bestehen in Fortführung vieler Generationen. Andere Familienunternehmen befinden sich in erster oder zweiter Generation und es findet sich keine familieninterne Nachfolge, weil es keinen natürlichen Nachfolger gibt oder sich diese für die Fortführung gar nicht sehen oder gesehen werden. Dafür gibt es eine Vielzahl von Gründen, mit denen wir uns in unseren täglichen Gesprächen mit Familien befassen. Auch haben sich Veränderungszyklen in wirtschaftlichen Zusammenhängen beschleunigt. An das ‚ein Unternehmen, drei Generationen‘ tritt ‚eine Generation, drei Geschäftsmodelle‘. Das heißt, wir sehen, der vorstehenden Logik folgend, eine Verringerung des Zeitfensters der Eigentümerschaft und ein Anstieg der Notwendigkeit zu Offenheit, Öffnung, Veränderung und Veränderungsgeschwindigkeit.

Moritz Elfers: Tatsächlich beobachten auch wir eine Beschleunigung der Wirtschafts- und Wachstumszyklen, oft getrieben durch Globalisierung und technologischen Wandel. Letztlich sind es aber stets individuelle, spezifische Gründe, die den Ausschlag für die Zusammenarbeit mit einem Private Equity Investor geben: Ob Nachfolge oder Verschlankung der Eigentümerstruktur, Finanzierung von Expansion, Fokussierung der Geschäftsaktivitäten – diese Gründe können sehr unterschiedlich sein. Und ebenso unterschiedlich sind Prägung und Schwerpunkt der im deutschen Markt aktiven Private Equity Investoren, d.h. für jede Inhaberfamilie, die sich mit dem Gedanken an eine Partnerschaft mit Private Equity trägt, wird es wichtig sein, einen Investor auf gemeinsamer „Wellenlänge“ zu wählen.

Jörg Hueber: Die Gesprächsbereitschaft zwischen Inhaberfamilien von Familienunternehmen und Private Equity Investoren ist kein Tabuthema mehr. Dennoch, wenn es um die Nachfolge oder Übertragung von Rollen und Verantwortung in Familienunternehmen und letztlich Eigentümerschaft geht, erleben wir in den Familien den großen Wunsch einer familieninternen Lösung. Aber aus unterschiedlichen Gründen ist eine familieninterne Lösung nicht immer darstellbar. Es stellen sich eine Vielzahl von Fragen. Was ist die beste Lösung für die Familie? Stehen alle Familienmitglieder hinter einer Lösungsoption, sowohl in der Elterngeneration wie auch in der nachfolgenden Generation? Was ist die beste Lösung für das Familienunternehmen? Welche Rolle übernimmt das Familienunternehmen als Bindeglied der Familie heute und welchen Einfluss hätte der Wegfall dieser Bindung durch Gesellschafterwechsel auf das Beziehungsgefüge der Familie morgen? Was macht die Familie nach einer Anteilsübertragung, bleibt sie sich in gleicher Weise verbunden, anders, mehr oder weniger? Viele weitere Fragen ließen sich hier fortführen.

Moritz Elfers: Zunächst muss man sicher anerkennen, dass ein Familienunternehmen eine besondere Organisationsform der Eigentümerschaft ist, in der mehr zählt als allein der ökonomische Gedanke. Die Fülle der eben aufgeführten Fragen zeigt schon, dass es in einer solchen, oft komplexen Gemengelage keine Patentlösung geben kann. Jeder Fall ist ganz individuell zu betrachten: Wer möchte verkaufen und warum? Wie steht das Unternehmen am Markt da? Gibt es Nachfolger oder Nachfolgerinnen innerhalb der Familie? Inwieweit sollte die Firma strategisch neu ausgerichtet werden? Wie groß ist der Finanzbedarf? etc. Und wenn all diese Faktoren in das Gesamtbild einfließen, kann es eine passgenaue Lösung geben, mit der alle Seiten gut leben können. Bei BC Partners legen wir größten Wert darauf, frühzeitig gute Beziehungen und einen offenen Austausch mit Gründern, Inhabern und ihren Familien aufzubauen. Uns kommt es dabei besonders darauf an, die jeweiligen Interessen und Ziele miteinander so abzustimmen, dass wir als Investor einen echten Mehrwert für das Unternehmen und seine Eigentümer bringen können. Private Equity kann beispielsweise eine Variante darstellen, einen Übergang auf die NextGen zu gestalten, in dem eine Teilrealisierung ermöglicht wird, und zugleich Wachstumskapital, Prozess-Know-how, und ein internationales Netzwerk zur Flankierung einer neuen operativen Phase des Familienunternehmens eingebracht werden. Wie schon gesagt muss der Einstieg eines Private-Equity-Investors auch nicht den Abschied der Familie vom eigenen Unternehmen bedeuten, im Gegenteil: Sie kann beteiligt bleiben etwa als Minderheitsgesellschafter, durch die Übernahme von Funktionen in Beirat oder Aufsichtsrat ein wichtiges Signal der Kontinuität nach innen und außen setzen, und nicht zuletzt gibt es auch Fälle in denen Familienmitglieder in der Geschäftsführung verbleiben und die Entwicklung des Unternehmens weiterhin ganz maßgeblich mitgestalten. Neben der Rückbeteiligung am eigenen Unternehmen bietet sich zudem die Wiederanlage und Diversifizierung (eines Teils) des Erlöses in den Private Equity Fonds an.

Letztlich ist ein Verkauf doch stets durch innere Gründe der Gesellschafter ausgelöst; sie wollen etwas Neues wagen, mit dem Erlös etwas Neues beginnen. Wir beobachten dabei, dass gerade die NextGen oft zwar unternehmerisch tätig sein möchte, aber nicht unbedingt in gleicher Weise wie die Elterngeneration. Private Equity ist in diesem Kontext ein Angebot an Familienunternehmen, kein Zwang. Und der Wettbewerb unter den Investoren ist mittlerweile so, dass eher die Investoren bei den guten Unternehmen Schlange stehen als umgekehrt. Marktwirtschaft im besten Sinne, und das ist auch gut so!

Jörg Hueber: Eine mögliche Übertragung von Inhaberschaft auf einen Private-Equity-Investoren muss nicht zwingend eine Mehrheitsbeteiligung sein. Wir beobachten auch die Bereitschaft zur Teilveräußerung einer Minderheitsbeteiligung. Auch hier sind die Gründe vielschichtig und reichen von einer Teilrealisierung zur Vermögensdiversifizierung, dem Ausscheiden eines Teils der Gesellschafter, der Hereinnahme von Wachstumskapital durch Dritte etc. Und auch bei Finanzinvestoren ist die Bereitschaft, zumindest in der zweiten Hälfte der letzten Dekade, gestiegen, sich auch mit einer Minderheit an einem Familienunternehmen zu beteiligen und auf die eigentlich notwendige Uneingeschränktheit von Kontrolle und Einflussnahme auf operative Maßnahmen zur Effizienzerhöhung und Wertsteigerung zu verzichten – sicherlich in der Erwartung, in Gemeinsamkeit aus Gesellschafterfamilie und Private-Equity-Gesellschafter in die Umsetzung zu gehen, vielleicht auch in der Erwartung, aus einer Minderheitsbeteiligung im Zeitverlauf eine Mehrheitsbeteiligung zu generieren, sofern die Familie weitere Anteile veräußern möchte oder eine weitere Kapitalzufuhr benötigt. Wir erfahren aus unseren Gesprächen mit Inhaberfamilien viele positive Einordnungen in der Zusammenarbeit mit einem Neugesellschafter, häufig wird die notwendig steigende Professionalisierung von Strukturen, Berichterstattung, Unternehmessteuerung und Erfahrungsgewinn an effizienzerhöhenden Maßnahmen genannt.

Gleichfalls erleben wir gerade derzeit Situationen, in denen die Zusammenarbeit nicht hinreichend erfolgreich ist. Die exogenen Krisen der Pandemie und des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine haben gemeinsame Business-Pläne und Exit-Pläne negativ beeinflusst. Unerwartete exogene Ereignisse können die Gesellschafter einander nicht vorwerfen und tun dies auch nicht, aber ein in Langfristigkeit und Stetigkeit definiertes ‚Durchstehen‘, welche das Selbstverständnis vieler Inhaberfamilien bestimmen, steht die geschäftsmodellinhärente Begrenztheit der Investitionsdauer der Private-Equity-Investoren gegenüber, gepaart mit der Renditeerwartung ihrer Investoren. Und manchmal ihrer Ungeduld. Die Begrenzung von Einfluss und Kontrolle, die für ein kurzfristiges Agieren nötig ist, fehlt den Finanzinvestoren an dieser Stelle und führt c.p. in einen Diskurs mit der Familie über veränderte Szenarien, die unterschiedliche Sichtweisen offenlegen und Unzufriedenheit auslösen können.

Moritz Elfers: In den beschriebenen Konstellationen können Minderheitsbeteiligungen eine sehr sinnvolle Lösung sein. Mit Blick auf den zeitlich begrenzten Horizont von Private Equity Investoren verbunden mit der Beschränkung von Kontrollrechten der Minderheit bedürfen sie allerdings einer besonders klaren Governance und vor allem einer soliden Vertrauensbasis. Man kann zwar die beste Governance in einer Gesellschaftervereinbarung niedergelegt haben, für den gemeinsamen Erfolg ist letztlich entscheidend nur das Vertrauen der handelnden Personen ineinander. Naturgemäß benötigt Vertrauen Zeit zu wachsen, idealerweise bereits vor Unterzeichnung einer Anteilsübertragung. In breiten, kompetitiven Verkaufsprozessen ist leider nicht immer hinreichend Zeit, das Miteinander in Ruhe zu diskutieren, sich kennenzulernen, und gemeinsam die entscheidenden Faktoren einer gelebten Partnerschaft zu definieren. Familien sollten sich daher auf eine kleine Vorauswahl geeigneter Investoren fokussieren und auf vertiefende Gespräche mit den potenziellen Neugesellschaftern entsprechend vorbereiten.

Jörg Hueber: Wir haben vorhin das Themenfeld der Vermögensdiversifizierung berührt. Aus einer Unternehmerfamilie wird mit Öffnung des Gesellschafterkreises und Realisierung eines Verkaufserlöses auch eine Investorenfamilie. Während vor Jahren die private Vermögensanlage eher ein konservatives Gegengewicht zum unternehmerischen Wagnis darstellte und eher defensive Anlageformen wie Immobilien und Aktienfonds im Vordergrund standen, tritt zunehmend die Anlage in Private Equity, aber auch, hinreichendes Investitionskapital vorausgesetzt, die Vornahme von Direktinvestitionen in andere (Familien-) Unternehmen in den Vordergrund. Durch Unternehmens(teil-)verkauf entstehen eigene Family Offices, die zunehmend direkt allein oder im Konzert mit anderen Familien und Family Offices in andere Familienunternehmen investieren.

Es ist eine weitere und in ihrer Bedeutung gewachsene Investorenklasse entstanden, die sich zunehmend professionalisiert und damit Wettbewerber wird um Investitionsmöglichkeiten, für die sich strategische Investoren und Private-Equity-Investoren gleichfalls interessieren. Die Familien investieren dieser Systematik folgend das für Family Equity Investitionen bereitgestellte Kapital damit (in Teilen) nicht in einen Private Equity Fonds, sondern investieren direkt. Allerdings selten allein, weil sie die eigenen personellen Ressourcen und operationalen Kapazitäten eines Beteiligungsmanagements nicht vorhalten wollen und können und ihr Vermögen auch hinreichend diversifizieren wollen.

Moritz Elfers.: Ich kann Inhaberfamilien nur dazu ermuntern, sich mit den Vorteilen eines breit diversifizierten Anlageportfolios auseinanderzusetzen. Und in dieses Portfolio gehört Private Equity selbstverständlich mit hinein, aufgrund des ganz besonderen Rendite-Risiko-Profils und nachgewiesenen überdurchschnittlichen Ertrags dieser Assetklasse von Anfang an. Besonders interessant finde ich, wenn Familienunternehmer, die selbst mit Private-Equity-Häusern zusammenarbeiten, auch bei ihren privaten Geldanlagen die Anlageklasse Private Equity wertschätzen. Ein besseres Kompliment für die gute Arbeit von Private Equity-Häusern kann es doch kaum geben. Daneben sehen wir tatsächlich zunehmend auch Direktinvestitionen von Family Offices, oft in Partnerschaft mit Private Equity Investoren, die die gemeinsame Beteiligung operativ begleiten. Wegen der damit verbundenen Bündelung der Anlage und somit des Risikos in einzelnen Beteiligungen erscheinen mir Direktinvestitionen unter Portfoliogesichtspunkten jedoch nur für sehr große Vermögen als sinnvoll. 

Jörg Hueber: Wir wollen die Unterschiedlichkeiten und Gemeinsamkeiten von Family Equity und Private-Equity-Investoren näher beleuchten. Family-Equity-Investoren sind Investoren in familiärer Eigentümerschaft.  Neben der ökonomischen Rationalität steht das durch weitere Charakteristika geprägte Werteverständnis der Familie mit nicht finanziellen Zielen, sondern Fragestellungen der Ziel- und Zweckbestimmung eines Vermögens. Dieses Werteverständnis steht manch wirtschaftlicher Rationalität etwaig entgegen, was aber nicht bedeutet, dass wirtschaftliche Grundprinzipien des Vermögenserhalts, der Risikovermeidung, der Wahrnehmung von Chancen und auch der Renditeerzielung vorrangig sind.

Definiert sich damit die Zusammenarbeit zwischen Private Equity und kapitalstarken Familien, Family Offices und Familienstiftungen oder Familienunternehmen neu? Die Zusammenarbeit über Co-Investorenmodelle in Kooperation zwischen Private Equity und Family-Equity-Investoren gerade bei sehr großen Transaktionsgrößenordnungen führt einerseits zu geteilter Kontrolle, Governance, Eigentümerschaft und vielen strukturellen Fragen wie Haltedauern, Exit Regelungen, Mitveräußerungspflichten und Andienungsrechte, über deren Ausgestaltung Einigkeit herzustellen ist. Sie bietet aber andererseits Vorteile durch Einbringung des Werteverständnisses familiengeführter Inhaberschaft und Konsensbereitschaft und einer an Stetigkeit ausgelegten Unternehmensführung durch den Investorenkreis.

Moritz Elfers: Es gibt eindeutig eine zunehmende Professionalisierung in der Strukturierung großer Vermögen in Form von Family Offices oder ähnlichen Family-Equity-Modellen. Wir sehen dies weniger als Wettbewerb, sondern als Chance für neue Partnerschaften – in denen zwei sehr komplementäre Investorentypen ihre jeweiligen Stärken bündeln können.

Jörg Hueber: Mindestens für den (teil-)veräußernden Familienunternehmer kann die Paarung von Private Equity und Family-Equity-Investoren Vorbehalte an die Öffnung des Gesellschafterkreises mindern. Und natürlich erhöht sich durch ein Investorenpooling die Finanzierungskraft, ergänzen sich individuelle Netzwerke und Personen.

Moritz Elfers: Da stimme ich vollständig zu! Wir glauben ebenfalls, dass sich die vielleicht noch in einzelnen Fällen bestehenden Vorbehalte zunehmend abbauen werden und Private Equity wie auch Family Equity – einzeln und in Kooperation – vielen Inhaberfamilien eine sinnvolle Nachfolgemöglichkeit anbieten. Auch gemeinsames Investieren mit Unternehmerfamilien neben dem Familienunternehmen über ein gemeinsames Vehikel ist denkbar, etwa für die Finanzierung einer Akquisition, die sonst allein für das Familienunternehmen nicht möglich wäre. So können Familienunternehmen eine Finanzierungsoption kreieren, ohne Anteile am Kernunternehmen abzugeben und dabei vielleicht nur einen Teilgeschäftsbereich in das Vehikel einbringen. Die Möglichkeiten zur Zusammenarbeit mit Familien und Familienunternehmen bleiben vielseitig. Es ist dabei offensichtlich, dass die Grenzen zwischen Private Equity und Family Equity ein Stück weit offener geworden sind. Private Equity in relevanter Größe gibt es in Deutschland seit gut 30 Jahren und ist damit weder etwas Unbekanntes noch Verwerfliches. Family Offices und vermögende Familien investieren selbst in Private Equity Fonds und haben ein sehr gutes Verständnis von deren Funktionsweisen. Und sehr gerne sind gute Private-Equity-Gesellschaften offen für jede sinnvolle Zusammenarbeit mit Family-Equity-Investoren und Familienunternehmen. Es ist ein Angebot.

Jörg Hueber: Lieber Moritz Elfers, ganz herzlichen Dank für unseren offenen Gedankenaustausch!

Moritz Elfers: Ebenso herzlichen Dank für die anregenden Fragen!

 

Über die Gesprächspartner

Moritz Elfers ist Managing Director bei BC Partners in Hamburg und betreut Investitionen im Healthcare-Sektor mit besonderem Schwerpunkt auf den deutschsprachigen Raum. Moritz Elfers ist Diplom-Kaufmann und Rechtsanwalt, und war vor seiner Tätigkeit für BC Partners bei der internationalen Großkanzlei Freshfields Bruckhaus Deringer in der Begleitung des Kaufs und Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen tätig.

Jörg Hueber ist Geschäftsführender Gesellschafter der Peter May Family Office Service GmbH und befasst sich mit Themenstellungen der Übertragung von Anteilen an Familienunternehmen innerhalb der Familie, der Öffnung des Gesellschafterkreises sowie mit Beratungsleistungen des Kaufs und Verkaufs von Unternehmensbeteiligungen für Familienunternehmen, Inhaberfamilien und Family Offices. Vor seiner Tätigkeit in der PETER MAY Gruppe ist Jörg Hueber mehr als 20 Jahre in international führenden Wirtschaftsprüfungsgesellschaften und Privatbanken tätig gewesen und hat den M&A Bereich eines börsennotierten Unternehmens verantwortet.