Elias Resinger: Herr Unger, wir alle wissen wie komplex der Generationenübergang in Familienunternehmen sein kann. Wie haben Sie persönlich den Übergang der Geschäftsführung innerhalb Ihrer Familie erlebt? Welche spezifischen Herausforderungen sind dabei aufgetreten?
Matthias Unger: Der Übergang war durchaus herausfordernd. Ich habe schon früh in verschiedenen Bereichen des Unternehmens gearbeitet und begann meinen Einstieg im Unternehmen mit 25 Jahren. Anfangs war es eine Mischung aus Lernen von meinem Vater, Zusammenarbeit mit den Mitarbeitern und eigenständigen Projekten. Der Nachfolgeprozess selbst bestand aus drei mehrjährigen Phasen: der Einstiegsphase, der Bewährungsphase und schließlich der gemeinsamen Führung mit meinem Vater. Dieser Übergang war eigentlich nie vollständig abgeschlossen – was auch gut so ist. Mein Vater ist noch immer aktiv im Unternehmen, was zeigt, wie fließend und dynamisch dieser Prozess ist. Natürlich hat sich seine Rolle im Laufe der Jahre gewandelt.
Elias Resinger: In meiner Arbeit mit Familienunternehmen sehe ich oft, wie richtungsweisend Auslandserfahrungen sein können. Was hat Sie letztlich dazu bewogen, nach einer erfolgreichen Zeit in Kanada ins Familienunternehmen zurückzukehren?
Matthias Unger: Vor meinem Einstieg ins Familienunternehmen verbrachte ich eine sehr prägende Zeit bei MAGNA in Toronto. Mein damaliger Mentor, MAGNA-Chef Frank Stronach, hätte mich gerne dort behalten, sagte mir jedoch schon bald: „Daheim hast du eine Firma. Da steht dein Name oben.“ Dieser Satz hat mich zum Nachdenken gebracht, und ich entschied mich schließlich, zurückzukehren. Diese Entscheidung habe ich bis heute nicht bereut. Bereits während meiner Einstiegsphase wurde mir bewusst, dass ich als Mitglied der Eigentümerfamilie eine besondere Verantwortung trage und das Unternehmen stets repräsentiere.
Elias Resinger: Ein häufiger Punkt in der Familienunternehmen-Beratung ist der Umgang mit Meinungsverschiedenheiten zwischen Generationen. Ihre Mutter ist als Minderheitsgesellschafterin und Beirätin im Unternehmen aktiv. Gab es Momente, in denen es zu Meinungsverschiedenheiten zwischen Ihnen und den älteren Generationen kam?
Matthias Unger: Natürlich gab es Meinungsverschiedenheiten, insbesondere bei der Einführung neuer Geschäftsfelder. Ich war oft schneller in der Umsetzung von Veränderungen als die ältere Generation. Der regelmäßige Austausch mit meinem Vater und unsere gemeinsamen Ziele waren hierbei sehr hilfreich. Mein Vater hatte früh die Weitsicht, sich durch einen erfahrenen Berater von PETER MAY begleiten zu lassen. Durch strukturierte Übergabeschritte und klare Kommunikation konnten wir immer einen gemeinsamen Nenner finden. Dieser strukturierte Ansatz hat wirklich sehr geholfen.
Elias Resinger: Sie haben ja durch Ihren strukturierten Ansatz viele positive Erfahrungen gesammelt. Welche wichtigen Erkenntnisse haben Sie aus dem Nachfolgeprozess gezogen, die Sie auch anderen Familienunternehmen empfehlen würden?
Matthias Unger: Ein klarer, strukturierter Plan und ein roter Faden sind essenziell. Es ist wichtig, Zwischenschritte und mögliche Ausstiegsszenarien einzuplanen, auch wenn für mich immer klar war, dass ich das Unternehmen weiterführen möchte. Von Experten in den jeweiligen Branchen zu lernen und Verantwortung schrittweise zu übernehmen, hat sich als äußerst wertvoll erwiesen.
Elias Resinger: Mich würde interessieren, wie es Ihnen gelungen ist, sich erfolgreich im Unternehmen einzubringen und es nach Ihren eigenen Vorstellungen weiterzuentwickeln?
Matthias Unger: Ich habe nie ein Geschäftsfeld operativ alleine geführt, sondern stets von Experten in den jeweiligen Bereichen gelernt. Zum Beispiel leitete ich das Werk in den Vereinigten Arabischen Emiraten und trieb Projekte im Bereich Generalunternehmer voran. Mein „unternehmerisches Baby“ war jedoch die Projektentwicklung im Bereich Real Estate, die ich erfolgreich aufgebaut habe.
Elias Resinger: Viele Familienunternehmen suchen nach Wegen, um ihre strategische Position zu stärken. Welche großen Veränderungen haben Sie nach der Übernahme der Geschäftsführung implementiert?
Matthias Unger: Eine der ersten großen Veränderungen war die strategische Neuausrichtung im Jahr 2013. Wir haben uns organisatorisch neu aufgestellt und das Geschäftsfeld Projektentwicklung stark ausgebaut. Während der Covid-19-Pandemie haben wir vermehrt auf den Bereich Real Estate gesetzt, neue Grundstücke erworben und Projekte wie das Amazon Logistikzentrum samt Parkhaus im 11. Bezirk in Wien mitentwickelt und als Generalunternehmer schlüsselfertig errichtet
Elias Resinger: Das Joint Venture mit dem US-amerikanischen Familienunternehmen Bechtel ist ein herausragendes Beispiel für eine strategische Partnerschaft zwischen zwei Familienunternehmen, die dieselbe Vision teilen.
Matthias Unger: Unser Ziel war es, unsere Unabhängigkeit als Familienunternehmen zu bewahren und gleichzeitig von internationaler Expertise zu profitieren. Bechtel, ebenfalls ein traditionsreiches Familienunternehmen, teilt unsere Werte und hat eine ähnliche Philosophie, was die langfristige Planung und nachhaltige Entwicklung angeht. Die Partnerschaft bietet uns die Möglichkeit, unser Wissen und unsere Fähigkeiten zu erweitern und von Bechtels umfangreicher Erfahrung in globalen Märkten zu lernen.
Durch das Joint Venture können wir unsere Vertriebs- und Verkaufsstrukturen international stärken und unsere Auslastung erheblich erhöhen. Gleichzeitig profitieren wir von Bechtels bewährten Prozessen im Projektmanagement und von deren technologischem Know-how, was uns hilft, unsere Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit weiter zu steigern. Für uns steht aber immer im Vordergrund, die eigenen Familienwerte zu erhalten und nachhaltiges Wachstum zu fördern, ohne die Kontrolle über das Unternehmen zu verlieren. Dieses Joint Venture ist daher ein Beispiel für gelungenes Family Equity – es vereint strategische Partnerschaften mit der Wahrung der eigenen Identität als Familienunternehmen.
Elias Resinger: Als Familienunternehmen spielen Werte wie Nachhaltigkeit und gesellschaftliche Verantwortung oft eine große Rolle. Wie setzen Sie diese Werte in Ihrem Unternehmen um?
Matthias Unger: Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung sind für uns zentrale Themen. Wir verwenden recycelten Stahl und setzen auf CO2-reduzierte Materialien. Grüner Stahl reduziert den CO2 Ausstoss um bis zu 70%. Für unsere Mitarbeiter bieten wir spezielle Tarife für Elektroautos an, und bis zu der Hälfte % unseres Strombedarfs decken wir durch Photovoltaik ab. Darüber hinaus unterstützen wir lokale Vereine, Gesundheitsorganisationen und Bildungseinrichtungen.
Elias Resinger: Viele Familienunternehmen engagieren sich stark in sozialen und ökologischen Projekten. Welche Initiativen unterstützt UNGER STEEL konkret?
Matthias Unger: Neben der Unterstützung lokaler Sportvereine wie den Oberwart Gunners fördern wir auch Bildungsprojekte und soziale Initiativen. In unserer erweiterten Familie unterstützen wir auch Initiativen, die Unternehmertum fördern und in Notsituationen Hilfe leisten.
Die Unger Steel Group ist eine österreichische Unternehmensgruppe der Bauindustrie mit 1600 Mitarbeitern in über 20 Ländern. Die Kernkompetenzen des Unternehmens liegen im konstruktiven und architektonischen Stahlbau, in der Projektentwicklung und in der Realisierung von Gesamtprojekten als Generalunternehmer. Matthias Unger führt das Unternehmen als geschäftsführender Gesellschafter in dritter Generation.
Elias Resinger ist Partner der PETER MAY Family Business Consulting für Österreich
Kontakt: Mag. Elias Resinger, LL.M.
Neustiftgasse 17/1/9, 1070 Wien
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